Gütersloh. 60.000 Menschen ohne Abitur studieren an deutschen Universitäten und Fachhochschulen. In zehn Jahren hat sich die Zahl vervierfacht.

Immer mehr Studenten ohne Abitur sind an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Wie eine aktuelle Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zeigt, sind dies derzeit rund 60.000 Menschen. Diese Zahl sei ein neuer Rekordwert, teilte das CHE am Mittwoch in Gütersloh mit.

Damit habe sich die Zahl der Studierenden, die ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung an den Universitäten und Fachhochschulen eingeschrieben sind, zwischen 2007 und 2017 vervierfacht. Mehr als ein Drittel davon besucht demnach einen Campus in Nordrhein-Westfalen.

Der Anteil der Studienanfänger ohne Abitur an deutschen Hochschulen liegt nach CHE-Angaben aktuell bei 2,9 Prozent. In den meisten Fällen wählten sie Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Voraussetzung für die Bewerbung um einen Studienplatz ohne Hochschulreife oder Fachhochschulreife ist eine abgeschlossene Berufsausbildung und mehrjährige Berufspraxis.

23.000 Studenten ohne Abitur in NRW

Mit rund 23.000 gibt es die höchste Zahl von Studierenden ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen, wie es hieß. Die Quote der Erstsemester ohne Abi in Relation zu den Hochschulstandorten beträgt dort vier Prozent. Damit liegt NRW hinter Hamburg (fünf Prozent) und Bremen (4,5 Prozent).

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    Berlin erreicht eine Quote von 3,6 Prozent. Das Mittelfeld teilen sich Bayern und Mecklenburg-Vorpommern (je 2,5 Prozent). Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt kommen auf 1,4 Prozent. Schlusslicht ist das Saarland, das als einziges Bundesland eine Quote von unter einem Prozent (0,5) aufweist.

    Die Hochschulen mit den meisten Erstsemestern ohne Abitur sind laut Studie die Fernuniversität Hagen (1.467) und die Hochschule Bad Honnef-Bonn (1.059). Mit Abstand folgen die FOM Fachhochschule für Ökonomie und Management im Großraum Augsburg, München und Nürnberg (426) sowie die Fachhochschule Südwestfalen mit Sitz in Iserlohn (402).

    Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften am beliebtesten

    Bei der Fächerwahl entschied sich mehr als die Hälfte der Erstsemester ohne Abitur im Jahr 2017 für Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, wie es hieß. Rund 20 Prozent begannen ein Studium der Ingenieurwissenschaften, um die elf Prozent entschieden sich für den Bereich Medizin und Gesundheitswissenschaften.

    Die Leiterin der Hochschulforschung beim CHE, Sigrun Nickel, wies daraufhin, dass auch ein Medizin- oder Pharmaziestudium ohne Abitur möglich ist. „Das ist noch immer weitgehend unbekannt. Hierbei ersetzt etwa die Note der Meister- oder Fachwirtprüfung die Abiturnote bei der Bewerbung.“

    Positiv bewertet die CHE-Expertin auch die steigende Zahl der Hochschulabsolventen, die über den beruflichen Weg ins Studium gelangt sind. Zwischen 2007 und 2017 sei diese von knapp 1.900 auf den vierfachen Wert von 8.100 angewachsen. „Ein Indiz dafür, dass die oft zitierte Studierfähigkeit nicht allein vom Abiturzeugnis abhängt.“ (mbr/epd)