Berlin. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu droht nach den Angriffen aus dem Gazastreifen: „Wir sind bereit, noch viel mehr zu tun“.

Es ist wieder passiert. In der Nacht zum Dienstag werden aus dem Gazastreifen Raketen auf den Süden Israels abgefeuert. In dem Gebiet am Mittelmeer herrscht die radikalislamische Hamas. Die israelische Luftwaffe fliegt daraufhin Angriffe auf die Häuser der mutmaßlichen Drahtzieher in Gaza.

Raketen der Hamas – Vergeltungsattacken israelischer Kampfjets: Dieses Eskalationsschema hatte sich in der Vergangenheit zu den Gazakriegen 2014 und 2008/2009 ausgeweitet.

Auch dieses Mal sind die politischen Reaktionen harsch, die Sprache ist aufgeladen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte am Dienstag mit weiteren Militäraktionen gegen die Hamas.

Netanjahu bricht USA-Reise ab

Seine Armee habe in den vergangenen 24 Stunden wichtige Hamas-Einrichtungen zerstört, sagte Netanjahu bei einer Video-Liveschalte bei der Jahrestagung der israelisch-amerikanischen Lobbyorganisation Aipac in Washington. „Wir sind bereit, noch viel mehr zu tun. Wir werden tun, was zur Verteidigung unseres Volkes und unseres Staates notwendig ist.“

Wegen der neuen Zuspitzung in Nahost hatte der Regierungschef seine USA-Reise vorzeitig abgebrochen. Er landete am Dienstagmittag in Israel.

Nach den Raketenangriffen aus dem Gazastreifen und dem Beschuss der israelischen Luftwaffe in dem Küstengebiet hatte sich die Lage am Dienstag zunächst beruhigt. Minister von der konservativen Regierungspartei Likud dementierten jedoch Berichte über eine Waffenruhe.

Hamas verkündete Waffenruhe

„Wir werden auf jeden Angriff reagieren“, sagte Tourismusminister Jariv Levin. Das israelische Fernsehen meldete, an der Gaza-Grenze stünden zahlreiche gepanzerte Fahrzeuge der israelischen Armee bereit. Der Hamas-Sprecher Fausi Barhum hatte am Montagabend eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe verkündet.

Danach feuerten militante Palästinenser aber weiter Raketen ins israelische Grenzgebiet, wie eine Armeesprecherin in Tel Aviv mitteilte. Seit Montag seien rund 60 Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert worden. Israels Luftwaffe griff nach palästinensischen Berichten rund 50 Ziele in dem Küstengebiet an.

Auslöser war ein Raketenangriff aus dem Gazastreifen, bei dem am Montag ein Haus nordöstlich von Tel Aviv demoliert worden war. Sieben Menschen erlitten Verletzungen, darunter Kleinkinder.

Ausweitung der Angriffe ist unwahrscheinlich

Raketeneinschlag im Wohngebiet: Israelische Rettungskräfte inspizieren ein zerstörtes Haus im Ort Mishmeret nördlich von Tel Aviv.
Raketeneinschlag im Wohngebiet: Israelische Rettungskräfte inspizieren ein zerstörtes Haus im Ort Mishmeret nördlich von Tel Aviv. © imago images / Xinhua | guoyuvia www.imago-images.de

Israels Armee machte die Hamas für die Attacke verantwortlich. Die Luftwaffe des Landes zerstörte daraufhin am Montag drei Gebäude der Hamas in Gaza, darunter das mutmaßliche Büro des Islamistenchefs Ismail Hanija. Bei einer Serie von Angriffen im Gazastreifen seien sieben Palästinenser verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit.

Trotz der Kampfhandlungen ist eine drastische Ausweitung der Angriffe eher unwahrscheinlich. Zu sehr profitieren die Hauptakteure in diesem Konflikt von begrenzten Attacken. Die Hamas versucht, mit den Raketenabschüssen von der großen Unzufriedenheit der Bevölkerung im Gazastreifen abzulenken. So kam es in letzter Zeit immer wieder zu Protesten.

In ihrer zwölfjährigen Herrschaft kommen die Radikalislamisten auf eine miserable Bilanz. Die Wirtschaft liegt – auch wegen der weitgehenden Blockade durch Israel – am Boden. Die Arbeitslosenrate bewegt sich bei 50 Prozent. Viele Jugendliche haben keine Perspektiven und flüchten sich in Frust oder Aggression.

Schwere Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu

Nach Angaben von Marc Frings, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah im Westjordanland, fehlt der Hamas der Rückhalt für eine weitere militärische Konfrontation mit Israel. „In der Vergangenheit konnte sie mittels Gewalt gegen Israel von eigenen Unzulänglichkeiten ablenken und die Reihen hinter sich schließen“, betont Frings. „Das funktioniert nun nicht mehr.“

Aber auch Premier Netanjahu spielt die Auseinandersetzung mit der Hamas innenpolitisch in die Karten. Am 9. April sind Parlamentswahlen in Israel. Die Lieblingsrolle des Regierungschefs: Mister Sicherheit, der eine Politik der eisernen Faust gegenüber dem Terror verfolgt. Dies hat er umso nötiger, als er kurz vor der Wahl in einem Strudel von Korruptionsvorwürfen steckt.

Netanjahu soll Geschäftsleuten Vorteile verschafft und dafür Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von rund 230.000 Euro angenommen haben. Zudem gibt es nach Ansicht der Ermittler Beweise, dass Netanjahu den Verleger der ihm gegenüber kritisch eingestellten Zeitung „Yedioth Ahronoth“ geködert hat: positivere Berichterstattung gegen Einschränkungen bei der Auflage des Gratisblatts „Israel Hayom“.

Starker Konkurrent für Netanjahu bei der Wahl

Der Generalstaatsanwalt hat Anklage in drei Fällen angekündigt, die aber erst nach der Wahl stattfinden wird. Netanjahu streitet alles ab und spricht von einer „Hexenjagd“.

Zudem hat es der Amtsinhaber mit einem starken Konkurrenten zu tun. Der ehemalige Generalstabschef Benjamin Gantz steht an der Spitze eines Wahlbündnisses mit populären Politikern an seiner Seite. Der 59-Jährige hat den Glorienschein des Militärs, einer Institution, die in Israel traditionell höchstes Ansehen genießt.

Und er profiliert sich als der Anti-Netanjahu, der gegenüber Gefälligkeiten immun ist. Dieses Mal wird der Urnengang spannend.