Berlin. Friedrich Merz spricht über die Niederlage gegen Kramp-Karrenbauer bei der Wahl um den CDU-Vorsitz, Zukunftspläne und die Koalition.

Es war das politische Comeback des Jahres 2018. Der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz bewarb sich um den CDU-Vorsitz – und unterlag nach neun Jahren Politikabstinenz der heutigen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer nur knapp. Danach wurde es ruhiger um ihn, nun kehrt er auf die politische Bühne zurück. Als Kandidat für den Vize-Vorsitz des CDU-Wirtschaftsrats – und mehr?

Sie wollten Angela Merkel an der Spitze der CDU nachfolgen – und sind Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen. Haben Sie die Niederlage schon verwunden, Herr Merz?

Friedrich Merz: Wir haben einen organischen Wechsel an der Spitze unserer Partei organisiert, und der ist so gut gelaufen, dass andere Parteien uns zu Recht darum beneiden. Mit dem Wahlergebnis bin ich natürlich nicht sehr zufrieden, aber zufrieden.

Zufrieden?

Es haben mir nur 18 Stimmen gefehlt bei 1000 Delegierten. Das ist doch kein schlechtes Ergebnis, mit dem ich unzufrieden sein muss. Über 48 Prozent nach neun Jahren außerhalb der aktiven Politik darf ich mich nicht beschweren. Und es macht mir große Freude, zu sehen, wie die neue Parteivorsitzende die Arbeit anpackt. Ich unterstütze sie dabei und möchte, dass sie Erfolg hat.

Wie sieht Ihre Unterstützung aus?

Wir sprechen über einige Themen. Und ich habe den sicheren Eindruck, dass sie gezielt darangeht, das Spektrum der Partei wieder zu vergrößern. Dazu braucht sie Personen, deren Vertrauen sie genießt. Ich kann aus der wirtschaftspolitischen und der außenpolitischen Sicht einiges beitragen. Das tue ich gern und aus Überzeugung.

Können Sie so einfach vom Konkurrenten zum Unterstützer werden?

Es gab in dem innerparteilichen Wahlkampf ja keine Illoyalitäten untereinander. Es gab eine normale Konkurrenz, und es war immer klar: Einer wird das Amt bekommen und zwei werden es nicht bekommen. Ich habe auf dem Bundesparteitag unmittelbar nach der Wahl gesagt, dass ich die neue Parteivorsitzende unterstützen werde, und das gilt.

Ihre Anhänger waren enttäuscht, dass Sie nach der Entscheidung nicht bereit waren, für das Präsidium der CDU zu kandidieren.

Das habe ich ganz bewusst nicht getan. Ich hätte entweder die Verteidigungsministerin als stellvertretende Parteivorsitzende gefährdet, dann wäre das Frauenquorum nicht mehr erfüllt gewesen. Oder ich hätte meinen eigenen Ministerpräsidenten Armin Laschet gefährdet. Beides wollte ich nicht.

Friedrich Merz (CDU) will Vize-Vorsitz des CDU-Wirtschaftsrats werden.
Friedrich Merz (CDU) will Vize-Vorsitz des CDU-Wirtschaftsrats werden. © dpa | Peter Steffen

Warum kandidieren Sie jetzt als Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrats? Weil sich diese Aufgabe besser mit Ihren Posten in der Privatwirtschaft verbinden lässt?

Ich bin seit vielen Jahren normales Präsidiumsmitglied des Wirtschaftsrates. Jetzt bin ich gebeten worden, als stellvertretender Präsident weiter an der Arbeit des Wirtschaftsrates mitzuwirken. Ich habe mir das überlegt und denke, dass ich mit der neuen Präsidentin Astrid Hamker gut zusammenarbeiten kann. Das gibt mir auch einen größeren politischen Spielraum.

Eignet sich der Wirtschaftsrat als Sprungbrett?

Der Wirtschaftsrat ist eine Unternehmerorganisation, die der CDU nahesteht, aber nicht ein Teil von ihr ist. Ich will das Amt konstruktiv ausüben und habe dabei keine personalpolitischen Hintergedanken.


Sie haben im Winter Ihre Bereitschaft erklärt, einen Ministerposten zu übernehmen. Gilt das noch?

Meine Bemerkung ist offenbar missverstanden worden als Bewerbung für das gegenwärtige Kabinett. Das war es ausdrücklich nicht. Ich habe ganz grundsätzlich gesagt: Wenn ich gefragt werde, bin ich bereit, ein Amt in der Regierung zu übernehmen. Warum sollte sich daran etwas geändert haben?

Kann die CDU auch im Wahlkampf auf Sie zählen?

Ich habe kein Amt in der Politik und bewerbe mich auch gegenwärtig nicht darum. Aber ich empfinde mein Wahlergebnis vom CDU-Parteitag als Verpflichtung, meine Person und meine Sicht der Dinge zu den Sachthemen einzubringen. Genau das tue ich bei verschiedenen Gelegenheiten.

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Vor genau einem Jahr wurde die vierte Regierung von Angela Merkel vereidigt – wieder mit der SPD. War das ein guter Tag für Deutschland?

Es war vor allen Dingen ein ziemlich später Tag der Regierungsbildung. Die Bundestagswahl lag ja schon ein halbes Jahr zurück – und wir sehen: Was sehr lange währt, muss nicht unbedingt sehr gut werden.

Was lässt die große Koalition vermissen?

Ich beurteile diese Bundesregierung ja eher aus der Sicht eines normalen Staatsbürgers: Und da hat man doch den Eindruck, diese Regierung kommt einfach nicht so richtig in einen normalen Arbeitsmodus. Vor allem die SPD hadert nach wie vor mit der großen Koalition. Das macht die Sache natürlich für alle Beteiligten enorm schwierig.

Hält ein solches Bündnis bis zum Ende der Wahlperiode?

Das werden wir spätestens nach den Europawahlen und nach den Landtagswahlen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen und mit der vorgesehenen Halbzeitbilanz zum Ende des Jahres sehen. Wetten würde ich heute nicht darauf.

Wie bewerten Sie Forderungen aus der Union, Merkel solle auch das Kanzleramt für Kramp-Karrenbauer räumen?

Die Union braucht derzeit keine Personaldebatte zu führen. Wir haben ein gewähltes Parlament und eine gewählte Regierung. Die Bürger erwarten zu Recht, dass die Regierung ihre Arbeit macht.

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Ist die neue Parteivorsitzende automatisch auch die neue Kanzlerkandidatin?

Diese Frage ist von Annegret Kramp-Karrenbauer klar beantwortet worden und bedarf keiner weiteren Kommentierung.

Kanzlerkandidat Merz – wie realistisch ist das?

Es geht jetzt um die richtigen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit – und nicht um Personalspekulationen. Deutschland muss zum Beispiel in der Europapolitik wieder besser und aktiver werden.

Worauf wollen Sie hinaus?

Wir sollten der Bevölkerung erklären, dass Deutschland in seinem eigenen Interesse einen überproportionalen Beitrag leisten muss, wenn Europa gelingen soll – nicht nur finanziell, sondern auch mit politischem Engagement. In Brüssel ist das Befremden groß über den mangelnden politischen Einsatz Deutschlands in den europäischen Institutionen. Wir sind zurzeit in Europa einfach nicht engagiert genug.

Wie sollte sich Deutschland engagieren?

Jean-Claude Juncker hat das gut formuliert: Europa muss weltpolitikfähig werden. Wir erleben gegenwärtig ja eine geradezu dramatische Entwicklung: in den USA mit der Abwendung von Europa, in China mit einem gehörigen machtpolitischen Anspruch – und Europa streitet und findet, auch wegen des weithin geltenden Einstimmigkeitsprinzips, nicht zu angemessenen Lösungen. Und dann kommt zusätzlich noch der Brexit.

Kommt er denn?

Er wird kommen, und er kommt zugleich zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Gerade die CDU als Europapartei muss einen neuen Zugang zu Europa finden und wieder Themen setzen. Die neue Parteivorsitzende hat dies am letzten Wochenende getan, und damit ist auch hier ein neuer Anfang gesetzt.

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Die Bundeskanzlerin setzt auf eine stärkere europäische Verteidigung. Sie will einen Flugzeugträger – in Zusammenarbeit mit Frankreich. Das müsste in Ihrem Sinne sein.

Die Idee ist nicht neu. Den gemeinsamen Betrieb des damals bereits vorhandenen französischen Flugzeugträgers mit deutschen und französischen Streitkräften hat schon Verteidigungsminister Volker Rühe vorgeschlagen. Die globale Sicherheit ist heute noch sehr viel mehr von maritimen Streitkräften abhängig. Das ist eine strategische Antwort auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen, denen Europa ausgesetzt ist.

In Sonntagsreden ist viel von einer europäischen Armee die Rede. Wann ist es so weit?

Es gibt ja gemischt-nationale Brigaden, und eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung ist auf dem Weg. Dass Deutschland und Frankreich etwa über ein gemeinsames neues Kampfflugzeug verhandeln, ist eine gute Sache. Davon brauchen wir mehr. Im Übrigen decken sich da ja auch viele Vorschläge von Emmanuel Macron mit den Ideen von Annegret Kramp-Karrenbauer. Das ergibt noch keine gemeinsamen Streitkräfte. Eine europäische Armee kann auch erst am Ende eines solchen Prozesses stehen. Am Anfang steht eine gemeinsame europäische außen- und sicherheitspolitische Strategie.

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Welchen Umgang empfehlen Sie mit US-Präsident Donald Trump?

Ich empfehle trotz aller Rücksichtslosigkeiten Respekt vor den gewählten Regierungsmitgliedern, auch vor dem Präsidenten – selbst wenn es uns schwerfällt. Respektlosigkeit mit Respektlosigkeit zu beantworten, hat noch nie gute Ergebnisse gebracht. Trump dringt nicht nur auf höhere Verteidigungsausgaben, neuerdings will er auch eine Rechnung schicken für die amerikanischen Soldaten, die in Europa stationiert sind. Die Amerikaner haben Truppen in Europa stationiert aufgrund von bilateralen Abkommen und auf der Basis von Nato-Vereinbarungen. Washington ist nicht das Inkassobüro der Atlantischen Allianz.