Rückzug von Spitze: Sahra Wagenknechts emotionaler Auftritt
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Von Alexander Kohnen
Berlin. Sahra Wagenknecht wird nicht mehr als Fraktionsvorsitzende der Linken kandidieren. Die 49-Jährige nannte dafür gesundheitliche Gründe.
Einen „bestimmten Grad an Dauerstress“ wolle sie sich nicht mehr zumuten, sagt Sahra Wagenknecht. Die Gründe seien schlicht, „dass meine Gesundheit mir Grenzen gesetzt hat“. Sie habe gespürt: „Wenn man den Warnschuss nicht ernst nimmt, geht das nicht gut aus.“
Sahra Wagenknecht steht in einem limettenfarbenen Kostüm auf der Fraktionsebene des Bundestages vor der roten Wand der Linksfraktion, neben ihr der Co-Vorsitzende Dietmar Bartsch. Sie spricht zum ersten Mal über ihren Rückzug von der Fraktionsspitze, den sie am Montagnachmittag den 69 Linke-Abgeordneten in einer Mail mitgeteilt hat.
Es ist für ihre Verhältnisse ein emotionaler Auftritt. Sie wirkt an diesem Dienstagnachmittag wie immer ein bisschen schüchtern und kühl, aber auch erleichtert. Sie sagt: „Ich bin auch ganz froh, dass der Tag gestern jetzt vorbei ist.“ Die 49-Jährige war zwei Monate krank.
Rückzug ist für Linke alles andere als optimal
Was genau sie hatte, ist nicht bekannt. Auch wenn sie bei den Wahlen zur Fraktionsspitze nicht mehr antritt, sie versichert: „Ich bleibe ein politischer Mensch.“ Sie bleibt erst mal im Bundestag und will in Zukunft wieder Bücher schreiben. Wagenknecht verspricht auch, in den Wahlkämpfen mitzumischen.
Die Linke ist nervös – im September und Oktober stehen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Im Osten steht die Partei durch das Erstarken der AfD bei der Bundestagswahl massiv unter Druck. Deshalb ist der Rückzug Wagenknechts in diesem für die Linke so wichtigen Wahljahr alles andere als optimal.
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht
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Wagenknecht ist die linke Galionsfigur der Partei, die populärste Politikerin, auch weil sie so streitbar und so umstrittenen ist. Viele Abgeordnete kritisierten sie wegen der Gründung der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Gerüchte über Mobbing in der Fraktion weist sie am Dienstag nicht zurück.
Dietmar Bartsch könnte Fraktion alleine führen
Sie sagt nur: „Welchen Begriff man dafür findet, das kann jeder für sich entscheiden.“ Die Kritiker sind jetzt froh, dass Wagenknecht in den Wahlkämpfen auftreten will. Sie wissen: Bei der Linken schafft es sonst kaum jemand, die Marktplätze zu füllen. Der Rückzug am Montag fiel auf einen Jahrestag:
Genau vor 20 Jahren war ihr heutiger Mann Oskar Lafontaine als SPD-Chef und Bundesfinanzminister zurückgetreten. Laut Wagenknecht war das so nicht geplant: „Das mit dem Datum ist ein wirklich ziemlich blöder Zufall, der mir leider zu spät aufgefallen ist.“ An der Fraktionsspitze wird sich womöglich gar nicht so viel ändern.
Gut vorstellbar ist, dass Dietmar Bartsch die Fraktion alleine führt, wie Gregor Gysi bis 2015. Anders als bei den Grünen ist bei der Linken die Doppelspitze kein Muss. Bartsch lässt sich aber nicht in die Karten schauen. Er sagt nur etwas zur politischen Ausrichtung: „Es wird keine Neuausrichtung der Fraktion geben.“ Und auch Wagenknecht will sich nichts verbauen. Auf die Frage, ob sie in Zukunft ein Spitzenamt in der Politik ausschließe, sagt sie: „Man kann in seinem Leben nie Dinge ausschließen.“ Und: „Biografien haben oft viele, viele Wendepunkte.“