Berlin/Istanbul. Der Innenminister der Türkei soll PKK-Anhängern gedroht haben. In Deutschland löst das Sorgen aus. Auch das Innenministerium reagiert.

Es ist eine dieser Reden eines türkischen Politikers, die bis nach Deutschland nachhallen. Weil die Worte einschüchtern. Weil die Unsicherheit wächst zwischen den beiden Staaten – vor allem bei den Menschen in Deutschland, die durch ihren Pass auch Türken sind. Vor allem bei Gegnern des autoritären Regimes von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Was ist passiert? Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu bei einer Wahlkampf-Rede in Ankara am Sonntag gesagt, wer im Ausland lebe und an Veranstaltungen der Terrororganisation teilnehme, werde bei der Einreise festgenommen.

Innenminister Soylu: Man habe Maßnahmen ergriffen

Gemeint sind damit nach Angaben der Nachrichtenagentur Unterstützer der in der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK. „Da gibt es jene, die in Europa und in Deutschland an den Veranstaltungen der Terrororganisation teilnehmen und dann in Antalya, Bodrum und Mugla urlauben“, sagte Soylu.

Man habe auch für sie „Maßnahmen“ ergriffen. „Sollen sie doch herkommen und von den Flughäfen aus einreisen. Wir nehmen sie fest und auf!“ Weiter: „Von nun an wird es nicht mehr so einfach sein, draußen Verrat zu begehen, und sich dann in der Türkei zu amüsieren.“ Türkei: Berichte über Festnahmen von Urlaubern „haltlos“.

Gegner der AKP unter Druck gesetzt – Mutmaßliche Nähe zur PKK gefährlich

Vor allem seit dem gescheiterten Putschversuch gegen die Erdogan-Regierung verfolgt die türkische Justiz nicht nur mutmaßliche PKK-Anhänger, sondern auch Mitglieder von kurdischen Parteien und Organisationen sowie Anhänger der Gülen-Bewegung, die Erdogans Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht.

Ohnehin gilt: Gegner der Regierungspartei AKP sind seit 2016 vermehrt Druck, Willkür und Repressionen ausgesetzt. Hunderttausende Richter, Professoren und Lehrer wurden aus dem Staatsdienst entlassen. Etliche sind inhaftiert worden – darunter auch Journalisten und Mitarbeiter von nichtstaatlichen Organisationen.

Das Auswärtige Amt warnt: Vorsichtig mit Äußerungen


Der türkische Innenminister Süleyman Soylu.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu. © picture alliance / AA | dpa Picture-Alliance / Orhan Akkanat

Die Regierung in Ankara weist die aktuellen Berichte über angebliche Drohungen auch gegen unliebsame Urlauber aus Deutschland dagegen scharf zurück und nennt die Vorwürfe gegen den Innenminister „haltlos“. Entsprechende Aussagen von Soylu seien „eindeutig aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt“, teilte das türkische Außenministerium mit. Touristen aus Deutschland und allen anderen Ländern seien in der Türkei nach wie vor willkommen.

Der deutsch-türkische Abgeordnete und Erdogan-Berater Mustafa Yeneroglu schrieb auf Twitter, wer Terrororganisationen wie die verbotene PKK unterstütze, müsse wie auch in anderen Ländern mit einer Strafverfolgung rechnen. „Nicht deutsche Urlauber, nicht Regierungsgegner, sondern solche, die aufgrund von Straftaten gesucht werden, sind betroffen.“

Deutscher Reiseverband reagiert zurückhaltend

Der Deutsche Reiseverband (DRV) reagierte zurückhaltend auf die Äußerungen aus der Türkei. DRV-Sprecher Torsten Schäfer verwies am Mittwoch auf die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes, die „jeder Urlauber nachlesen sollte“. In diese Hinweise sei schon vor fast zwei Jahren der Ratschlag aufgenommen worden, Demonstrationen zu meiden und, dass „man vorsichtig sein sollte mit Äußerungen“, sagte Schäfer am Rande der Reisemesse ITB in Berlin.

In seinen Reisehinweisen schreibt das Auswärtige Amt unter anderem, dass in der Türkei „weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen“ sei. Die Behörden beriefen sich dabei auf die Mitgliedschaft in Organisationen, die auch in der EU als terroristische Vereinigung eingestuft sind, „aber auch auf Mitgliedschaft in der sogenannten Gülen-Bewegung, die nur in der Türkei unter der Bezeichnung FETÖ als terroristische Vereinigung eingestuft ist“. Auch geringfügige Berührungspunkte mit dieser Bewegung, „können für eine Festnahme ausreichen“.

Die Kurden in Deutschland sehen die Äußerungen des Innenministers als Teil einer Rhetorik gegen Regime-Gegner. „Wer als kurdischer Oppositioneller aus Deutschland in die Türkei einreist, wird oft verfolgt“, sagte Mehmet Tanriverdi, Vorstand der Kurdischen Gemeinde Deutschland, unserer Redaktion.

Innenministerium: „Äußerungen rasch richtigstellen“ - Gefahr für Tourismus

„Erdogan-Gegner sind eingeschüchtert, sie sind daher schon weniger aktiv im sozialen Medien – auch hier in Deutschland.“ Die Kurden in Deutschland mache wütend, „dass die deutsche Regierung mit Kritik gegen Erdogans Regime nicht hörbar ist“. Tanriverdi appellierte zudem an die deutschen Touristikunternehmen, den Urlaubtourismus in die Türkei zu stoppen. „Das stabilisiert nur das Regime von Erdogan. Erdogan braucht das Geld aus Deutschland.“

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), warnte: „Die Türkei ist gut beraten, die Äußerungen ihres Innenministers in der Sache rasch richtigzustellen. Sie würden ansonsten natürlich erhebliche Auswirkungen auf den europäischen Tourismus in die Türkei haben und wären ein erneuter Beleg dafür, wie weit sich die Türkei von Europa entfernt hat.“