Berlin. Frankreichs Präsident eröffnet den Wahlkampf zum EU-Parlament. Dabei trägt Emmanuel Macron ganz schön dick auf. Ein Kommentar.

Geht’s auch eine Nummer kleiner? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dreht ganz groß auf und gibt den Turbo-Europäer. EU-weiter Mindestlohn, gemeinsame Grenzpolizei, Asylagentur und Klimabank: Es ist wieder einmal ein Mega-Wurf, den der Chef des Elysée-Palasts quer über den Kontinent verbreitet. Die Wortwahl entsprechend pathetisch.

„Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein“, fordert der Präsident. Anderthalb Jahre nach seiner Sorbonne-Rede, in der er eine tiefere Integration der Eurozone gefordert hatte, macht Macron klar, wie er sich in der EU sieht: als Schrittmacher, Antreiber und Visionär.

Macron trägt dick auf

Der französische Staatschef hat mit einem Paukenschlag den Europa-Wahlkampf eröffnet. Er begreift sich als Anführer einer freien, demokratischen und solidarischen EU. Und definiert sich damit als Gegenbild zu den Rechtspopulisten und Nationalisten – egal, ob es sich um Italiens Innenminister Matteo Salvini oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán handelt. Diese stehen für Abschottung und wettern reflexhaft gegen Brüssel.

Macron trägt dick auf, um bei der Wahl zum EU-Parlament Ende Mai die Bevölkerung zu elektrisieren und zu mobilisieren. Es wäre nicht überraschend, wenn er in den kommenden Wochen durch Europa reist, um für seine Sache zu werben. Man darf natürlich nicht jeden seiner Punkte zum Nennwert nehmen. Ein EU-weiter Mindestlohn wird nicht funktionieren, weil die Produktivitäts-Niveaus der Volkswirtschaften in Bulgarien oder Deutschland zu unterschiedlich sind. Bei einer EU-weiten Asylbehörde werden die Osteuropäer ausscheren.

Europa muss sich auf seine Kernkompetenz besinnen

Im Übrigen: Nicht alle sozialen Turbulenzen lassen sich durch Maßnahmen Brüssels vermeiden. Die „Gelbwesten“-Proteste in Frankreich hat sich Macron selbst zuzuschreiben. Eine drastische Erhöhung der bereits üppigen Spritsteuer musste die Pendler – vor allem auf dem Land – auf die Barrikaden treiben.

Trotzdem ist Macrons europapolitischer Enthusiasmus nützlich. Mehr Anstrengungen für gemeinsame Verteidigung und Grenzschutz sind ebenso wichtig wie eine verstärkte Geheimdienst-Kooperation zum Schutz gegen Terroranschläge und Cyber-Attacken. Auch sollte die EU in der Steuerpolitik mit Blick auf Digital-Konzerne an einem Strang ziehen. Europa, das zu einer ziemlich lahmen Veranstaltung geworden ist, muss sich auf seine Kernkompetenzen besinnen. Wenn Macrons Feuerritt die Debatte in diese Richtung lenkt, hätte der Franzose viel erreicht.