Berlin . 1050 Bundesbürger sind nach Syrien und in den Irak in den Kampf gezogen. Viele Rückkehrer sind unerwünscht. Doch es gibt ein Dilemma.

100 der 300 bereits nach Deutschland zurückgekehrten Terror-Kämpfer aus den Kriegsgebieten in Syrien und in Nordirak sind im Fokus der Polizei – jeder Dritte. Bis zu 550 Personen könnten noch nach Deutschland kommen. Ihre Aufnahme wäre für den CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg ein „fatal falsches Signal“. Genau dies erwarten die USA von jedem Verbündeten, auch von Deutschland. Ein Dilemma, seine Folgen und die möglichen Auswege.

Von welchen Zahlen geht Innenminister Horst Seehofer (CSU) aus?

Das Bundesinnenministerium hat seine Schätzungen zuletzt um 50 nach oben korrigiert und geht von 1050 Personen aus, die seit 2013 nach Syrien und Nordirak ausgereist sind. 50 neue Fälle sind nach offiziellen Angaben „überwiegend nicht auf aktuelle, sondern auf nachträglich bekannt gewordene Ausreisen zurückzuführen“. Circa 200 Personen seien in den Kampfgebieten gestorben. 300 seien wieder daheim. Es bleiben 550, die entweder im Gefängnis sitzen, in der Region unterwegs oder untergetaucht sind. Potenzielle Rückkehrer.

Wie viele davon könnten Kämpfer von Terrormilizen und damit nach einer Rückkehr potenzielle Gefährder sein?

Darüber gibt es keine Angaben, aber Erfahrungswerte. Über 100 der 300 Rückkehrer liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen beteiligt haben oder dafür ausgebildet wurden. „Diese Personen stehen unverändert im Fokus polizeilicher und justizieller Ermittlungen“, so das Innenministerium.

Verfassungsschutz-Chef nimmt islamistischen Terror ins Visier

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    Ist Terrorismus inzwischen zu einem Massenphänomen geworden?

    2018 leitete Generalbundesanwalt Peter Frank über 1160 Ermittlungen wegen internationalen Terrorismus ein, jeden Tag drei Mal. 855 Fälle hatten einen Bezug zum islamistischen Terrorismus, darunter 132 Verfahren gegen den „Islamischen Staat“ (IS).

    Was ist Seehofers Dilemma?

    Der Innenminister hat es mal so beschrieben: Man erwarte von anderen Staaten, dass sie straffällig gewordene Asylbewerber zurücknehmen. Da könne man sich nicht sperren, kriminell gewordene Deutsche aufzunehmen. Man müsse „mit größter Sorgfalt“ vorgehen.

    Bundesinnenminister Horst Seehofer.
    Bundesinnenminister Horst Seehofer. © Reuters | FABRIZIO BENSCH

    Er meint damit, dass es keine Pauschalregelung geben darf. In jedem Fall müssten Identität und Gefährlichkeit geklärt werden, bevor eine Rückkehr erlaubt wird. Seehofer will keine gefährlichen Leute aufnehmen, die nicht mal verhaftet werden können.

    Seit Jahren hat Staatsanwalt Frank das Pro­blem, dass er bei vielen Rückkehrern vermutet, dass sie Blut an den Händen haben, ihnen oft aber kaum mehr nachweisen kann als die Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe.

    Seehofer hat eine Gesetzesinitiave ergriffen, um Terroristen mit zwei Pässen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Das Justizministerium beteuerte, dass die Gespräche über Seehofers Entwurf bald abgeschlossen werden sollen.

    Warum nur bei Mehrstaatlern?

    Weil das Grundgesetz, Artikel 16, verbietet, dass jemand gegen seinen Willen ausgebürgert und staatenlos wird.

    Wie ist die Praxis in Europa?

    In vielen Staaten ist es erlaubt, Eingebürgerten den Pass zu entziehen – ausdrücklich nach Verurteilungen wegen Terrorismus, so etwa in Belgien, Dänemark, Frankreich. Gebürtige Belgier, Dänen oder Franzosen dürfen nicht ausgebürgert werden – das ist die rote Linie.

    In den meisten Staaten entscheiden Gerichte, in Großbritannien hat der Innenminister das letzte Wort. Er darf jeden ausbürgern, wenn dies dem Gemeinwohl dient. In Deutschland, Österreich und Italien verliert jeder die Staatsbürgerschaft, der sich der Armee eines anderen Staates anschließt.

    Wie kann man die Rückkehr von IS-Kämpfern verhindern?

    Patrick Sensburg (CDU).
    Patrick Sensburg (CDU). © imago/CommonLens | imago stock&people

    Der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg vertritt eine strenge Linie. Er will Kämpfer des IS so behandeln, als stünden sie im Dienst einer staatlichen Armee. Nach seiner Rechtsauslegung haben sie längst die deutsche Staatsbürgerschaft verloren.

    Zudem hebt er auf das Recht des Tatortes ab: „In der ganzen Welt werden Deutsche in den Tatortländern angeklagt und sind dort in Gefängnissen.“ Also soll auch den Terroristen in Syrien oder im Irak der Prozess gemacht werden.

    Kommt Seehofers Gesetzesinitiative zur Ausbürgerung zu spät?

    Eine Regelung greift nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft. Seehofer will ein In­strument „für künftige vergleichbare Szenarien“ haben. Vor allem soll eine klare Botschaft an die salafistische Szene“ gesendet werden, dass die Teilnahme an Kämpfen einer Terrormiliz auch „erhebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Konsequenzen“ hat.