Berlin. Verschiedene Zuständigkeiten zur Abwehr von Drohnen: Wenn sich ein Flugobjekt Flughäfen nähert, offenbart sich ein bürokratische Chaos.

Wie einfach es ist, zeigte der 19. Dezember des vergangenen Jahres. Am Londoner Flughafen Gatwick saßen rund 140.000 Passagiere fest, etwa 1000 Flüge wurden gestrichen. Fast der gesamte Betrieb stand still. Der Grund: Drohnenalarm. Die Sicherheitsbehörden registrierten Drohnen, die gefährlich nahe an den Landebahnen des Flughafens in die Luft stiegen. Sogar das britische Militär eilte zu Hilfe. Das Chaos hielt an dann noch fast zwei Tage an.

In Deutschland gab es einen solchen Ausnahmezustand bisher nicht. Doch die Gefahr in der Luft durch ferngesteuerte Drohnen wächst. 2018 meldeten Piloten insgesamt 158-mal an die Deutsche Flugsicherung (DFS), dass eine Drohne in Sichtweite ist oder sogar Start oder Landung der Maschine stört – vor allem die großen Flughäfen wie Frankfurt, Berlin-Tegel, München, Hamburg und Köln/Bonn sind betroffen. 2015 waren es nur 14 Fälle, 2017 bereits 88.

Politiker, Sicherheitsexperten und Verbände sind alarmiert

Im April sorgte ein Hobbypilot am Flughafen Köln/Bonn dafür, dass ein Flieger aus München nach Düsseldorf umgeleitet werden musste. Mit seiner Drohne war der Mann so nah an das Gelände geflogen, dass die Landebahn mehrfach gesperrt wurde.

Auch andere Flughäfen meldeten Vorfälle. In Zürich kollidierte eine Drohne fast mit einem Airbus – es fehlten 20 Meter. Politiker, Sicherheitsexperten und Verbände sind alarmiert – seit Jahren. Der Markt für Drohnen wächst. Doch die Regierungen halten nur nach und nach mit neuen Gesetzen Schritt, um die Sicherheit zu gewährleisten. Gesetze sind das eine, Abwehrmaßnahmen das andere: Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor „Ausspähungen bis hin zu möglichen terroristischen Anschlägen“ durch Drohnen.

Fluggesellschaften machen Druck auf die Politik

Vor allem Fluggesellschaften und das Management von Flughäfen machen Druck auf die Politik. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft fordert „höhere Standards“ bei der Sicherheit und „geordnete Verfahren“ bei der Abwehr von Drohnen etwa an Einflugschneisen.

Die Flugsicherung will eine Registrierung für Halter von Drohnen durchsetzen, vergleichbar etwa mit der Zulassung von Autos. Zugleich sind Flughafenbetreiber verantwortlich und unter Druck, Gefahren durch Drohnenmissbrauch zu verhindern.

2017 gab es laut Schätzungen der Deutschen Flugsicherung bereits 600.000 Drohnen in Deutschland. Bis 2020 soll sich die Zahl verdoppeln. Firmen nutzen die Modelle für Luftaufnahmen oder Vermessungen. Jeder kann Bausätze für Drohnen kaufen – nicht selten einfach in der Spielzeugabteilung. Auch Kriminelle und Terroristen.

Abwehr ist kompliziert geregelt

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das unserer Redaktion vorliegt, zeigt, wie kompliziert die Abwehr dieser Gefahr ist. Für die Sicherheit der Start- und Landebahnen sind die Betreiber der Flughäfen zuständig. Für den Luftraum über dem Gelände die Deutsche Flugsicherung.

Das Tochterunternehmen des Bundes sollte Drohnen in der Luft erkennen, wenn sie zur Gefahr werden. Bisher aber funktioniert das nur, wenn aufmerksame oder alarmierte Piloten die Positionen von Drohnen durchgeben. Das Bundesinnenministerium schreibt auf Nachfrage dieser Redaktion, dass deutsche Flughäfen derzeit über keine „Detektionssysteme für Drohnen“ verfügen würden.

CDU möchte die Bundespolizei stärker einbinden

Muss eine Drohne im Ernstfall ausgeschaltet werden, ist das laut Gutachten wiederum Aufgabe der Polizei – sobald sie davon von der Luftsicherheit erfährt. Für den Flughafen ist die Bundespolizei zuständig, für das Umland und die Einflugschneise grundsätzlich die Landespolizei. Doch ein Angreifer mit einer Drohne müsste in kürzester Zeit aufgespürt und ausgeschaltet werden. „Deutschland ist auf dieses Gefährdungspotenzial nicht vorbereitet“, bilanziert Christoph de Vries, Experte für Luftsicherheit bei der Unionsfraktion.

Der CDU-Politiker will mit einem Vorstoß in seiner Fraktion die Bundespolizei allein für die Abwehr von Drohnen verantwortlich machen – auf dem Gelände und bis zu anderthalb Kilometer außerhalb der Flughäfen. Er sieht seine Aussagen im Gutachten gestützt.

Nationale Drohnenverordnung gilt seit 2017

Dort heißt es, dass sich „Sinn und Zweck“ des Bundespolizeigesetzes auch auf die Abwehr von Gefahren außerhalb des Flughafengeländes erstrecken würden, sofern diese Gefahren sich „unmittelbar“ auf das zu schützende Gelände auswirken würden. „Entsprechend sollte auch die Beschaffung der Technologie in den Händen der Bundespolizei liegen“, sagt Experte de Vries. Damit die Sicherheitsbehörden die Drohnen entdecken können, fordert der CDU-Abgeordnete verpflichtend für alle Geräte einen Transponder oder Chip.

Seit 2017 gilt in Deutschland die nationale Drohnenverordnung. Die Geräte müssen gekennzeichnet sein, jeder Hobbypilot braucht eine Art „Führerschein“, für Flüge nahe Flughäfen braucht man eine Genehmigung. Im Frühjahr will die EU den Staaten klare Vorgaben für eine Registrierung der Käufer von Drohnen machen. Auch das soll die Sicherheit erhöhen.

In der Drohnenabwehr-Entwicklung arbeitet Deutschland mit den USA zusammen

Doch bei der Abwehr testen Bundeskriminalamt und Bundespolizei seit Jahren, auch mit Sicherheitsbehörden in den USA arbeiten deutsche Stellen seit Ende 2018 offiziell zusammen, um eine Drohnenabwehr zu entwickeln. Ebenso erprobt die Bundeswehr Drohnen-Abwehr-Systeme. Im Einsatz ist an deutschen Flughäfen noch nichts.

Störsender können Drohnen zum Absturz bringen. Auch Netze und Laserwaffen sind im Test. In den Niederlanden kamen schon Greifvögel an Flughäfen zum Einsatz. Die Betreiber in Gatwick haben jetzt mehrere Millionen Pfund in ein Abwehrsystem investiert. Wie es funktioniert, ist geheim. Klar ist nur: Es bedurfte eines gravierenden Zwischenfalls, bis die Verantwortlichen das Geld dafür in die Hand nahmen.