Berlin. Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ wirkt weit über Bayern hinaus. Es steht für das Gefühl, dass dringend etwas besser werden muss.

Die Bayern. Hunderttausende von ihnen standen in den vergangenen Tagen vor den Rathäusern Schlange, um mehr Schutz für bedrohte Tiere und Pflanzen einzufordern.

Am Ende hatte das „Volksbegehren Artenvielfalt“ über eine Million Stimmen gesammelt und war damit erfolgreich. Nun kann des Volkes Wille die Politik dazu zwingen, das bayerische Naturschutzgesetz zu ändern oder einen neuen Gesetzentwurf zur Abstimmung zu stellen.

Wie während der Umweltbewegung in den 70er- und 80er-Jahren

Ein historischer Vorgang und Zündstoff für die CSU, die es sich nicht mit ihren treuesten Wählern verderben will – den Landwirten. Eine Nachricht, die weit über die Grenzen des Freistaats hinaus wirkt.

Denn mehr noch steht der Slogan „Rettet die Bienen“ für etwas, was in Deutschland brodelt und mehr Menschen auf die Straße bringt: Das Gefühl, dass die Welt um uns herum dringend besser werden muss.

Es gab einige Momente im vergangenen Jahr, als man sich zwicken musste. Jene etwa, als es die Baumhausbesetzer im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen bis in die ehrwürdige „New York Times“ schafften.

Oder als die Kohlegegner im Braunkohletagebau im Rheinischen Revier über die Gleisanlagen des Stromkonzerns RWE liefen.

Es war wie Déjà-vu-Erlebnis, erinnerten die Bilder doch an die Zeiten, als die Umweltbewegung in den 70er- und 80er-Jahren in Wackersdorf oder Gorleben ihre Schlachten schlug.

Greta Thunberg und ihr „Schulstreik für das Klima“

Kohleausstieg, Klimawandel und Klimaschutz brachten Hunderttausende auf die Straße, in diesem Sommer, der einfach kein Ende nehmen wollte. Greta Thunberg, die 16-jährige Schwedin, die jeden Freitag die Schule schwänzt, um auf das Klimaproblem aufmerksam zu machen, ist inzwischen zum Gesicht einer globalen Jugendbewegung geworden.

Die schwedische Aktivistin war sogar zum Weltwirtschaftsforum nach Davos gereist – mit dem Zug.

Sie spricht für eine Generation, die sich von der Politik betrogen fühlt. Nun sind es Schüler weltweit, die immer freitags in den „Schulstreik für das Klima“ treten.

Die CSU ist im Grunde ur-grün

Umwelt, Natur – in Bayern zählten das die Christdemokraten schon immer zu den konservativen Kernthemen. Schöpfungsbewahrung, der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen: die CSU ist im Grunde ur-grün.

Bayern hatte 1970 den ersten Umweltminister Europas – lange, bevor es die Grünen überhaupt gab. Selbst die Anti-Atom-Kraft-Bewegung war in wesentlichen Bereichen: konservativ.

In den vergangenen zwölf Monaten wurde sichtbar, wie wenig Antworten die Parteien auf Themen haben, die Bürger als drängendes Problem bezeichnen – von Plastikmüll über die Dieselkrise bis hin zu den verfehlten Klimazielen.

Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern war erfolgreich.
Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern war erfolgreich. © dpa | Lino Mirgeler

Kaum ein anderes Umweltthema aber hat die Menschen so umgetrieben wie die Kunde vom Insektensterben. Symbolisch dafür steht die Wildbiene, die durch Monokulturen, Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft sowie in großem Maße auch durch die zunehmende Flächenversieglung ihre Lebensräume verliert.

Bewegung kommt aus einem Lebensgefühl

Es gibt diese neue Umweltbewegung, die Schritt für Schritt an der Art zweifelt und in Frage stellt, wie wir leben und konsumieren. In Bayern etwa trifft Landwirte nun die Diskussion, ob die Verbraucher die industrialisierte Landwirtschaft mit Pestizid-Einsatz und Ferkelkastration ohne Betäubung noch länger wollen.

Diese Bewegung kommt von unten, geleitet nicht durch Politik, sondern von einem neuen Lebensgefühl.

Auch das ist Lebenswirklichkeit: Es gibt jene, die den Klimawandel fürchten und den Billigflieger schätzen. Die Massentierhaltung für bedenklich und das Öko-Steak für zu teuer halten. Ein neues Lebensgefühl, ja. Doch bis zu einem anderen Lebensstil ist es weit.