Berlin. Mehr Zeitaufwand, zu geringe Förderung: Die Grünen kritisieren die Bafög-Reform. Tatsache ist: Die Förderung wird immer unpopulärer.

Sie soll das Studium vereinfachen, die Geldsorgen nehmen, doch die Studierenden-Förderung Bafög wird immer unpopulärer – beziehungsweise immer weniger bekommen sie zugesprochen. Der abnehmende Trend hat sich 2017 fortgesetzt.

Deshalb wurde eine Reform auf den Weg gebracht. Doch diese stößt weiterhin auf Kritik. Die Grünen prophezeien, dass sie keine Trendwende auslösen wird.

„Auch mit der geplanten Novelle wird der Bedeutungsverlust des Bafög nicht gestoppt“, sagte der Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring der dpa unter Berufung auf den aktuellen Gesetzentwurf.

Die Bafög-Zahlen sind rückläufig

  • Laut Daten aus der Regierungsantwort und früheren Regierungsangaben sank die Zahl der Geförderten binnen vier Jahren bis 2017 um knapp 180.000.
  • Nach den aktuellsten Zahlen wurden 2017 noch rund 557.000 Studierende und 225.000 Schülerinnen und Schüler gefördert.

Gehring sprach von einem „fatalen Absturz dieses wichtigen Chancengerechtigkeitsgesetzes“. Eine Trendwende sei nicht in Sicht.

Zwar sollen nach einem Gesetzentwurf von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), der bald vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll, bedürftige Studenten und Schüler ab Mitte 2019 mehr Bafög bekommen.

Eigentlich steige nur der Zeitaufwand für die Betroffenen

Doch Gehring wies darauf hin, dass die Betroffenen laut dem Entwurf durch die Neuregelung lediglich einen Mehraufwand von 172.000 Stunden haben dürften.

So viel Zeit dürften also Studenten, Schüler und Eltern zusätzlich mit dem Ausfüllen von Bafög-Anträgen verbringen. Bei der jüngsten, ab 2016 wirksamen Bafög-Novelle aber rechnete die Regierung mit 580.000 Stunden Mehraufwand – für 110.000 zusätzliche Antragsteller.

Folglich rechne die Regierung selbst dieses Mal mit lediglich weniger als einem Drittel Antragsteller, also rund 35.000 zusätzlich Geförderten, schlussfolgerte Gehring. Inzwischen profitieren andere Menschen von der Komplexität der Anträge.

Keine regelmäßige Erhöhung, keine Hilfe für pflegende Studenten

Für die geplante Reform will der Bund laut dem Gesetzentwurf bis 2022 mehr als 1,8 Milliarden Euro ausgeben. Der Höchstsatz der gesamten Förderung soll ab dem Wintersemester 2019 in zwei Stufen bis 2020 von 735 Euro auf insgesamt rund 850 Euro steigen.

Es sollen auch mehr junge Menschen vom Bafög profitieren. Dafür sollen die Freibeträge für das Einkommen der Eltern in drei Schritten bis 2021 um insgesamt 16 Prozent angehoben werden.

Gehring kritisierte die Pläne als unzureichend. „Freihändig werden Freibeträge und Fördersätze schrittweise ein wenig angehoben.“ Notwendige Strukturveränderungen packe Karliczek nicht an – zum Beispiel eine regelmäßige Erhöhung, eine Unterstützung pflegender Studierende oder eine Förderung eines Orientierungssemesters.

CDU-Bildungsexperte sieht Entlastung der Mittelschicht

Der CDU-Bildungsexperte Stefan Kaufmann verteidigte die Reform. Dass mehr Familien als früher ihren Kindern eine Ausbildung aus eigener Kraft finanzieren können, liege an der guten Wirtschafts- und Einkommensentwicklung. „Andererseits steigen auch die Kosten und belasten gerade jene, die knapp über den Anspruchsgrenzen liegen“, sagte Kaufmann.

Mit der anstehenden Novelle werde nun diese Mittelschicht entlastet. Das Ziel sei, wieder mehr junge Menschen zu fördern. Die dafür entscheidenden Einkommensfreibeträge würden deutlich erhöht. „Die im Koalitionsvertrag verabredete Trendumkehr hin zu mehr Geförderten setzen wir um.“ (dpa/ses)