Berlin. Momentan wird wieder aufgeheizt über Stickoxide und Feinstaub diskutiert. Debatten um die Umwelt sollte nicht zu emotional verlaufen.

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei“, wusste schon vor 500 Jahren Paracelsus. Welche Dosis aber ist noch harmlos, ab welcher Menge fangen Gefahren für die Gesundheit an und was kann dagegen getan werden? Grenzwerte sollen Politik und Behörden dabei helfen, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

So weit die Theorie. In der Praxis ist es etwas komplizierter. In vielen Punkten ist sich die Wissenschaft nicht einig, gibt es veraltete und neuere Methoden und entsprechend unterschiedliche Schlussfolgerungen.

Die derzeitige Debatte um Stickoxide und Feinstaub ist geradezu ein Paradebeispiel. Auf Grundlage vergleichender Studien, nicht auf der klinischer Erkenntnisse, hat die EU festgelegt, dass der Jahresmittelwert an Stickoxiden auf Straßen nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft steigen darf.

Feinstaub-Streit: Diese drei Dinge muss man jetzt wissen

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    Durch Umwege noch mehr Abgase ausgestoßen

    Europaweit standardisierte Messverfahren wurden aber nicht festgelegt. Speziell in Deutschland sind Messstationen an besonders exponierten Plätzen aufgestellt. Und merkwürdigerweise gelten in geschlossenen Räumen und an Arbeitsplätzen – also an Orten, an denen sich der Normalbürger länger aufhält als an viel befahrenen Kreuzungen – höhere Grenzwerte. Wer einen Kamin hat, mit Gas kocht oder auch nur zwei Kerzen im Raum anzündet, reißt ohnehin alle Grenzen.

    Um den Unsinn auf die Spitze zu treiben, werden Fahrverbote und Tempolimits ausgesprochen. Mit der Folge, dass bei der Umfahrung gesperrter Straßen und im Betrieb in niedrigeren Gängen noch mehr Abgase ausgestoßen werden.

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    Die „Deutsche Umwelthilfe“ rechnet auf der Basis anderer Studien vor, dass jährlich 12.000 Menschen in Deutschland aufgrund von Stickoxidemissionen vorzeitig sterben. Das ist so seriös als würde man die mithilfe dieselgetriebener Fahrzeuge von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei geretteten Menschenleben gegenrechnen.

    Belastung der Luft in 20 Jahren halbiert

    Einer großen Gruppe von Lungenfachärzten ist das Treiben nun zu bunt geworden, und sie ziehen das bisherige Vorgehen in Sachen Stickoxide und Feinstaub in Zweifel. Daneben sei noch bemerkt, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Belastung der Luft mit Schadstoffen um etwa die Hälfte abgenommen hat – und nicht etwa alles immer schlimmer wurde. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben aber in den vergangenen Jahrzehnten gegenüber emotionaler Berichterstattung und öffentlichkeitswirksamen Protesten deutlich an Bedeutung und Wirkung verloren.

    Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Industrie und Politik ohne aufwühlende und überspitzende Berichte und teils hysterische Massenproteste nicht freiwillig dafür gesorgt hätten, dass die Luft wenigstens so sauber ist, wie sie heute ist. Die emotionale Methode sollte aber nicht allein die Überhand gewinnen und valide wissenschaftliche Erkenntnisse verdrängen oder verzerren.

    Sonst droht die ganze Debatte in eine zeitgenössische Variante von Apokalypse auszuarten: In der Rolle der Erbsünde das Auto. Man kann umkehren und Buße tun – sprich Fahrrad fahren und höhere Steuern zahlen – und wird erlöst, wenn man das Kreuz bei der richtigen Partei macht. Einmal völlig überspitzt gesagt.

    Der Grundsatz „Macht euch die Erde untertan“ ist so falsch wie die Verteufelung ganzer Industriezweige oder Produktionsmethoden. Eine mutwillig in die Krise gestürzte Volkswirtschaft wird jedenfalls auch nicht zu einer besseren Umweltpolitik beitragen können. Aber vielleicht gelingt es uns wenigstens, das Gleichgewicht zwischen Emotionalität, Wissenschaft und Wirtschaft wiederherzustellen.