Mexiko-Stadt. Schon vor Amtsantritt schürt Brasiliens neuer Präsident Bolsonaro Ängste. Seine Regierung sympathisiert mit Trump und verachtet Linke.

Es fehlen nur noch ein paar Tage, bis Jair Bolsonaro das Amt des Präsidenten in Brasilien antritt. Millionen Menschen in dem südamerikanischen Riesenstaat sehnen diesen Moment herbei wie die Ankunft des Retters, der mit Gewalt und Korruption aufräumen und die Wirtschaftskrise beenden wird.

Millionen andere in Brasilien und dem Ausland fürchten hingegen, der Aufstieg des Rechtsradikalen zum Staatschef der wichtigsten und größten Nation Lateinamerikas bedeute das Ende der Demokratie, der Liberalität und des traditionellen Multilateralismus Brasiliens.

Klar ist jedenfalls, dass Bolsonaro und seine Machtübernahme am 1. Januar eine Zeitenwende für das Land und die Region bedeuten.

Umweltschützer fürchten um Amazonas-Region

Aber die Politik des 63-Jährigen kann auch Auswirkungen für den ganzen Planeten haben. Umweltschützer halten Bolsonaro und seine Regierung für die Totengräber der Amazonas-Region und damit für eine globale Gefahr.

Denn der künftige Präsident will Umweltauflagen zugunsten der Landwirtschaft lockern, Kontrollen und Strafen für illegalen Holzschlag reduzieren und die Genehmigung von Infrastruktur- und Bergbauprojekten vereinfachen.

Während die Holzfällerlobby, Großgrundbesitzer und Anhänger einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Lunge der Welt beinahe freie Hand haben werden, stehen dann Umweltschützer, Ureinwohner und soziale Bewegungen unter Terrorismusverdacht.

Auch beim Migrationspakt macht Brasilien nicht mit

Schon im Wahlkampf versprach Bolsonaro, das Pariser Klimaabkommen zu kündigen und das Umwelt- im Landwirtschaftsministerium aufzulösen. Beide Vorhaben liegen vorerst zwar auf Eis, aber auf Druck der künftigen Adminis­tration zog Brasiliens scheidende Regierung jüngst die Bewerbung um die Ausrichtung der UN-Klimakonferenz COP 25 kommendes Jahr zurück.

Brasiliens künftiger Außenminister Ernesto Araújo.
Brasiliens künftiger Außenminister Ernesto Araújo. © REUTERS | Adriano Machado

Überhaupt haben es die neuen Machthaber nicht so mit multilateralen Abkommen. Auch beim Migrationspakt von Marrakesch wird Brasilien nicht mitmachen. Dies erklärte Ernesto Araújo am Tag der Unterzeichnung am 10. Dezember über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Der Pakt sei ein ungeeignetes Instrument, um mit dem „Problem der Migration“ umzugehen. Der 51-Jährige künftige Außenminister teilt mit seinem großen Vorbild Donald Trump nicht nur die Vorliebe für Statements über Twitter, sondern verabscheut genauso die Globalisierung.

Bolsonaro will der große Verbündete der USA werden

Araújo und sein Chef wollen sich zudem als der große Verbündete der USA in Lateinamerika anbieten, eine Rolle die Brasilien historisch fremd ist und bisher eher Kolumbien und Mexiko zufiel.

Aber die aktuelle Regierung in Washington und die künftige in Brasilia teilen zwei grundlegende außenpolitische Vorhaben: die Zurückdrängung des wirtschaftlichen Einflusses Chinas in ihrer jeweiligen Region und die stärkere Annäherung an Israel. Auch Bolsonaro will Brasiliens Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen und die palästinensische Vertretung in der Hauptstadt Brasilia schließen.

Außenminister und Präsident haben sich auf die Fahnen geschrieben, in ihrer Regierung das auszumerzen, was sie als „kulturellen Marxismus“ bezeichnen. Dahinter versteckt sich die nahezu hasserfüllte Ablehnung all dessen, was nur den Anschein von links und alternativ hat.

Bolsonaros Außenminister hält Klimawandel für „Erfindung der Linken“

So droht Araújo der Arbeiterpartei PT von Ex-Präsident Lula da Silva und der Regierung von Venezuela ebenso wie er Gender-Aktivisten, Ureinwohner und Afro Brasilianer verachtet und aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen will.

Der Klimawandel, so behauptet der vollbärtige künftige Chefdiplomat Brasiliens, sei ohnehin „die Erfindung der Linken“. Und der PT, die Brasilien rund 13 Jahre regierte, wirft Araújo in seinem Blog „Metapolítica 17“ zudem vor, „den sexuellen Wunsch des Mannes nach einer Frau, Disney-Filme, Fleisch und Klimaanlagen kriminalisieren“ zu wollen.

Von diesem Kaliber sind viele der 22 Minister, die Bolsonaro für sein Kabinett benannt hat. Bildungsminister Ricardo Vélez Rodríguez etwa zieht gegen die Gender-Aufklärung, Sexualkunde und alles Linke in den Schulen zu Felde. Die Lehrpläne sollen umgearbeitet werden und die Militärherrschaft als fortschrittliche Zeit beschrieben werden.

Künftige Familienministerin ist strikte Abtreibungsgegnerin

Ricardo Salles ist bald Umweltminister Brasiliens.
Ricardo Salles ist bald Umweltminister Brasiliens. © REUTERS | ADRIANO MACHADO

Umweltminister Ricardo Salles ist nach Einschätzung von Greenpeace „Sympathisant der mächtigen Agrarlobby“. Die künftige Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte, Damares Alves, ist eine evangelikale Predigerin, die schon mal laut darüber nachdenkt, Frauen für eine Abtreibung bis zu 15 Jahre ins Gefängnis zu schicken.

Alves ist übrigens eine von nur zwei Frauen im neuen Kabinett. Dafür sind gleich acht Militärs mit Ministerposten versehen. Ehemalige Uniformträger stehen unter anderem den Ministerien für Verteidigung, Bergbau, Wissenschaft und Infrastruktur vor. Auch Vize-Präsident Hamilton Mourão ist General der Reserve.

Wirtschaftlich hält nach Jahren des starken Staates unter den PT-Regierungen nun der Neoliberalismus in Brasilien Einzug. Superminister für Wirtschaft und Finanzen wird der ehemalige Investmentbanker Paulo Guedes, Anhänger der „Chicago-Schule“, die in den 1970er-Jahren vom Ökonom Milton Friedman entwickelt wurde.

Brasilien steht wohl vor Privatisierungswelle

Verantwortlich für Wirtschaft und Finanzen im Kabinett von Jair Bolsonaro ist Paulo Guedes.
Verantwortlich für Wirtschaft und Finanzen im Kabinett von Jair Bolsonaro ist Paulo Guedes. © REUTERS | ADRIANO MACHADO

Guedes hat Schlüsselposten an Gleichgesinnte vergeben, die in der Presse Brasiliens als „Chicago Oldies“ belächelt werden. Guedes will alles privatisieren, was geht. Selbst der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras könnte unter den Hammer kommen.

Die neue brasilianische Regierung werde wirtschaftlich neoliberal und moralisch konservativ sein und sich stark auf die Militärs stützen, sagt Oliver Stünkel vom Thinktank „Stiftung Getúlio Vargas“. „Die nationalistischen Globalisierungsgegner, die sich an Donald Trump orientieren, die Neoliberalen um Paulo Guedes, die Wirtschaft und Finanzen kontrollieren, und die Militärs sind die drei Machtgruppen“, sagt der Experte. Man müsse sehen, wie diese Kräfte zusammenspielen.