Berlin. Der Paragraf 291a zum Werbeverbot für Abtreibung sorgt für starke Konflikte innerhalb der großen Koalition. Nun soll er ergänzt werden.

Sie treffen sich seit Monaten, meistens mittwochs nach der Kabinettssitzung im Kanzleramt: Fünf Minister aus drei Parteien ringen um eine Lösung im Streit um den Paragrafen 219a, um das Werbeverbot für Abtreibungen. Auch am Mittwoch. Dieselbe Zeit, derselbe Ort.

Die Erwartungen für einen Durchbruch sind seit Tagen groß – doch die Reform des Abtreibungsparagrafen hat inzwischen eine solche Wucht entfaltet, dass jede vorschnelle Lösung die Kraft hat, die ganze Koalition in die Krise zu stürzen.

Die Zusammenkünfte der Fünfergruppe aus Justizministerin Katarina Barley (SPD), Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer umweht Verschwörergeist: „Sie haben sich getroffen“, antwortet Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittag auf die Frage nach Ergebnissen. „Sie haben Stillschweigen vereinbart“, heißt es zunächst im Anschluss an das gut dreistündige Treffen.

Ob die Fraktionen den Kompromiss tragen, bleibt unklar

Gleichzeitig laufen die Drähte zwischen den Ministerien heiß. Am Abend kommt dann der Durchbruch: Der Paragraf 219a soll bestehen bleiben, aber ergänzt werden, um die Rechtsicherheit und Entkriminalisierung der Ärzte zu sichern. Für betroffene Frauen soll es künftig Listen mit Adressen von Abtreibungsärzten geben.

Zudem solle rechtlich ausformuliert werden, dass und wie Ärzte und Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Abtreibungen durchführen, erklärten die zuständigen Minister am Mittwochabend in Berlin. „Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch darf es jedoch auch in Zukunft nicht geben“, betonte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU).

Ungewiss bleibt, ob die Fraktionen von SPD und Union diesen Kompromiss mittragen. Denn: Es geht beim Streit um Paragraf 219a längst nicht mehr nur um Rechtssicherheit für Ärzte und Informationen für Frauen. Um die Reform wird deshalb so erbittert gerungen, weil Union und SPD damit ein Thema gefunden haben, mit dem sie ihr Profil schärfen können – die CDU/CSU als Lebensschützer, die SPD als Anwalt einer liberalen Abtreibungspraxis.

Seit dem letzten Wochenende hat sich die Lage noch einmal zugespitzt: Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will den Kurs der Partei wieder stärker am „C“ ausrichten, an den christlichen Werten. War die Unionsfraktion vorher schon skeptisch, so sind Änderungen am Abtreibungsrecht seit dem Personalwechsel an der Parteispitze noch wesentlich schwerer geworden. Vor dem Treffen am Mittwoch erhöhte die Katholische Kirche noch einmal den Druck auf die Regierung, den Paragrafen nicht anzutasten – und appellierte ausdrücklich an „die beiden C-Parteien“.

Für die SPD ihrerseits bleibt die Versuchung, mit den Stimmen von FDP, Grünen und Linke den Paragrafen einfach zu streichen. Doch das wäre ein Bruch mit dem Koalitionspartner.