Essen. Lungenarzt Dieter Köhler kritisiert im Interview die Diesel-Fahrverbote. Keiner werde wegen des Stickoxids an den Hauptstraßen sterben.

Dieter Köhler ist Lungenarzt und bekennender Kritiker der Diesel-Fahrverbote. Im Interview spricht der Professor über Stickoxid als überschätzte Gefahr, ideologische Wissenschaft, lebensferne Messungen und schweigende Experten.

Herr Prof. Köhler, Gerichte haben entschieden, dass sehr viele Diesel-Fahrzeuge und ältere Benziner bald nicht mehr auf einigen Straßen fahren dürfen, sogar auf Teilen der Autobahn A 40. Leben wir gefährlich?

Nein, da kann ich Sie und Ihre Leser beruhigen. Sie leben nicht gefährlich, jedenfalls nicht wegen des Stickoxids und auch nicht wegen der Feinstaubwerte in der Luft.

Das erstaunt etwas, denn das Gerichtsurteil suggeriert ja etwas anderes.

Die Gerichte orientieren sich an den geltenden Grenzwerten. Und kaum jemand fragt mehr, ob diese im Sinne des Gesundheitsschutzes überhaupt relevant sind. Ich bin natürlich nicht gegen Grenzwerte an sich, aber dieser ist schlicht abstrus. Es stirbt kein einziger Mensch wegen des Stickoxids an den Hauptstraßen. Dazu ist die Dosis viel zu gering.

Wie ist der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft denn entstanden?

Auf sehr zufällige Art und Weise. Da haben sich vor gut zwei Jahrzehnten einige Wissenschaftler zusammengesetzt und sich gefragt, was nehmen wir denn mal, ab wann sind wir ganz auf der sicheren Seite. Dann entstand dieser 40 Mikrogramm-Grenzwert. Die Amerikaner, die bei den Gesetzen zur Luftverschmutzung oftmals sogar strenger sind als wir, haben für sich 100 Mikrogramm festgelegt, das ist absolut ausreichend.

Mit dem US-Grenzwert gäbe es in keiner einzigen deutschen Stadt Fahrverbote.

Und das wäre auch sachgerecht, zumindest bei der Stickoxid-Belastung. Überall, wo es eine offene Flamme gibt, entstehen Werte, die sind ganz legal mitunter um den Faktor hundert höher als 40 Mikrogramm, und trotzdem sind Menschen in der Nähe, etwa an vielen Arbeitsplätzen.

Wenn 40 Mikrogramm wirklich gefährlich wären, müsste man beispielsweise sofort alle Küchen mit Gasherd schließen, weil da schnell 4000 Mikrogramm beim aufwendigeren Kochen zusammenkommen. Auch in Kirchen wäre es wegen der Kerzen gefährlich, und allein der Adventskranz im Wohnzimmer mit vier Kerzen produziert über 200 Mikrogramm. Viele Arbeitsplätze dürfte es überhaupt nicht geben. Besonders absurd wird es, wenn man den Vergleich mit Rauchern sieht.

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    Ist dieser Vergleich nicht auf den ersten Blick angreifbar? Denn Rauchen ist nun zweifellos schädlich.

    Und wie! Aber nicht wegen des Stickoxids. Der nichtrauchende Mensch inhaliert pro Tag ca. 400 Mikrogramm, wenn er viele Stunden an der Verkehrsecke mit höchster Belastung stehen würde. Im Zigarettenrauch aber ist eine Konzentration von Stickoxiden bis zu einer Millionen Mikrogramm pro Kubikmeter Luft!

    Das wird natürlich verdünnt beim Inhalieren. Dennoch nimmt ein Raucher, der eine Packung Zigaretten täglich konsumiert, dabei 10.000 bis 20.000 Mikrogramm in sich auf. Der fällt trotzdem nicht tot um. Natürlich sterben Raucher früher, aber nicht etwa wegen des Stickoxids oder des Feinstaubs, sondern wegen anderer, wirklich giftiger Stoffe, die er dabei inhaliert. Ich habe als Lungenfacharzt 28 Jahre eine große Klinik geleitet. Ich habe tausende tote Raucher gesehen, aber nie einen Toten wegen des Stickoxids.

    Aber es wird doch mit der Zahl 6000 Tote, die es allein in Deutschland gäbe, politisch operiert.

    Ja, und das ist völlig abstrus. In der zugrundeliegenden Studie des Umweltbundesamtes hat man geschaut, wer lebt länger, die Stadtbewohner oder die Menschen auf dem Land. Ergebnis: Die auf dem Land leben ein bisschen länger. Und dann hat man gefolgert, dass dies so sein müsse, weil die Stickoxid-Belastung dort geringer ist. Es kann aber viele Dutzend Gründe geben, weshalb Menschen auf dem Land älter werden.

    Sie haben weniger Stress, rauchen weniger, laufen vielleicht mehr, bevorzugen generell einen gesünderen Lebensstil. Zudem ist die Sozialstruktur stabiler, so dass gerade Kranke eher durch die Nachbarschaft versorgt werden.

    All das ist viel wichtiger für die Frage, wann jemand stirbt. Minimale Unterschiede genügen, und das Stickoxid ist kompensiert; die biologische Wirkung in derart geringen Mengen ist überhaupt nicht messbar. Trotzdem werden Feinstaub und Stickoxid als Ursache für steile Thesen angenommen. Wissenschaftsmethodisch halte ich das für einen Skandal.

    Weil die Folgen so gravierend sind?

    Es ist einfach Unsinn, daraus eine solche Kausalität abzuleiten und solche schwerwiegenden Konsequenzen für das städtische Leben zu beschließen. Statistisch soll jeder Deutsche wegen des Stickoxids im Durchschnitt ca. 14 Stunden weniger leben, was ich wie gesagt schon für nicht sachgerecht halte. Aber nehmen wir einmal an, es stimmt.

    Man nimmt dann die Zahl der Deutschen – 84 Millionen – berechnet ihre Lebenserwartung und kommt so statistisch auf einige tausend Tote, die es real aber gar nicht gibt und nie gab.

    In diesen Städten gibt es Fahrverbote für Diesel-Autos.

    Warum korrigiert sich die Wissenschaft nicht? Tatsächlich passiert ja das Gegenteil: Der Fachärzteverband Deutsche Gesellschaft für Pneumologie, der Sie auch einmal vorstanden, hat vor einigen Tagen die Politik aufgefordert „umgehend Regularien und Anreize zur Vermeidung von Luftschadstoffen zu schaffen“, wie es in einer Mitteilung hieß.

    So pauschal ist das ja auch nicht falsch. Das Papier ist nur leider komplett von der Gruppe herausgegeben worden, von der auch die Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes stammt. Die Mitglieder der Fachgesellschaft wurden nicht gefragt.

    Viele stimmen dem Papier nicht zu. Wogegen ich mich wende, ist die Panikmache beim Thema Stickoxid und Feinstaub, sind unsachgemäße und teils sogar kontraproduktive Maßnahmen wie Fahrverbote und das Spiel mit Todeszahlen. Dagegen werde ich mit anderen, die wirklich etwas von der Sache verstehen, demnächst ein Positionspapier veröffentlichen.

    Wie laufen nach Ihrer Erfahrung solche wissenschaftlichen Diskussionen?

    Die Wissenschaft falsifiziert sich, aber sie macht das sehr zäh. Es gibt viele Beispiele, bei denen letztlich aus politischen Gründen lange an einer These festgehalten wurde, bis eine andere, plausiblere dann doch hochgekommen ist. Oft sind die Unterschiede nicht groß: Methode B ist etwas besser, aber Methode A wurde halt lange gelehrt.

    Bei Stickoxid und Feinstaub klafft allerdings tatsächlich eine Riesenlücke zwischen den Thesen und der offensichtlichen Wahrheit. Die wissenschaftliche Methode wird hier vernachlässigt. Wir befinden uns in der Sphäre des Ideologischen, man ist in einer Denkrichtung gefangen, irgendwann ähnelt die Wissenschaftlergemeinde einer Sekte. Wer ausbrechen will, hat viel zu verlieren, Ansehen und Forschungsmittel.

    Wie kam es zu solchen Engführungen im konkreten Fall?

    Eine kleine Forschergruppe versuchte statistisch nachzuweisen, dass Stickoxid gefährlich ist. Sie waren sehr aktiv in der Weltgesundheitsorganisation WHO, dann haben sie riesige Forschungsmittel bekommen, rund 200 Millionen Euro, etwa im Jahr 2000 ging das los.

    Dann haben die sich sehr aufgebläht und viel geforscht, finden immer kleinste Unterschiede bei allen möglichen Krankheiten, von Hirntumor über Brustkarzinome bis Unfruchtbarkeit – und immer soll es um Stickoxid gehen.

    Das kann aber gar nicht sein, wo soll so ein Supergift denn herkommen. Es gibt nicht im Entferntesten eine plausible biologische Hypothese, wie denn die vielen Krankheiten überhaupt durch den vergleichsweise harmlosen Feinstaub oder den Stickoxiden entstehen sollen.

    E-Autos im Preisvergleich mit Benzinern

    Den 115 PS starken Volkswagen e-Golf gibt es ab 34.900 Euro Grundpreis. Laut ADAC schafft er eine Reichweite von 145 Kilometern.
    Den 115 PS starken Volkswagen e-Golf gibt es ab 34.900 Euro Grundpreis. Laut ADAC schafft er eine Reichweite von 145 Kilometern. © Volkswagen AG | Volkswagen AG
    Die Benzin-Variante 1.4 TSI mit 110 PS hingegen gibt es schon ab 23.800 Euro, auch der vergleichbar starke Dieselmotor ist im Grundpreis noch mehr als 8000 Euro günstiger als der e-Golf.
    Die Benzin-Variante 1.4 TSI mit 110 PS hingegen gibt es schon ab 23.800 Euro, auch der vergleichbar starke Dieselmotor ist im Grundpreis noch mehr als 8000 Euro günstiger als der e-Golf. © Volkswagen AG | Volkswagen AG
    2014 war der BMW i3 Deutschlands meistverkauftes E-Fahrzeug. Für das 170-PS-Auto muss man mindestens 34.950 Euro in die Hand nehmen. Laut Hersteller kann der Fahrer mit einer Ladung bis zu 300 Kilometer fahren.
    2014 war der BMW i3 Deutschlands meistverkauftes E-Fahrzeug. Für das 170-PS-Auto muss man mindestens 34.950 Euro in die Hand nehmen. Laut Hersteller kann der Fahrer mit einer Ladung bis zu 300 Kilometer fahren. © BMW Group | BMW Group
    Einen „normalen“ BMW 1er mit 177 PS bekommt man schon ab 30.650 Euro. Eine vergleichbare Diesel-Variante (190 PS) kostet 33.250 Euro.
    Einen „normalen“ BMW 1er mit 177 PS bekommt man schon ab 30.650 Euro. Eine vergleichbare Diesel-Variante (190 PS) kostet 33.250 Euro. © Tom Kirkpatrick / BMW | Tom Kirkpatrick
    Noch krasser ist das Preisgefälle zu einem weiteren Mitglied der BMW-Familie: Den Mini Cooper S mit 192 PS gibt es ab 26.600 Euro.
    Noch krasser ist das Preisgefälle zu einem weiteren Mitglied der BMW-Familie: Den Mini Cooper S mit 192 PS gibt es ab 26.600 Euro. © BMW Group | BMW Group
    Die B-Klasse 250 Electric Drive mit 180 PS (Reichweite laut Hersteller rund 200 Kilometer) kostet im Grundpreis 39.151 Euro. Laut ADAC ist sie damit eines der wenigen Autos am Markt, die sich mit der staatlichen Kaufprämie im Vergleich zu den vergleichbaren Mercedes-Benzinern rentieren können. Eingerechnet sind dabei Steuern, eine Haltedauer von vier Jahren und eine Fahrleistung von 15.000 Kilometern im Jahr.
    Die B-Klasse 250 Electric Drive mit 180 PS (Reichweite laut Hersteller rund 200 Kilometer) kostet im Grundpreis 39.151 Euro. Laut ADAC ist sie damit eines der wenigen Autos am Markt, die sich mit der staatlichen Kaufprämie im Vergleich zu den vergleichbaren Mercedes-Benzinern rentieren können. Eingerechnet sind dabei Steuern, eine Haltedauer von vier Jahren und eine Fahrleistung von 15.000 Kilometern im Jahr. © Daimler AG - Global Communicatio | Daimler AG - Global Communicatio
    Der Mercedes B 220 CDI 4MATIC bringt 184 PS mit und ist ab 33.772 Euro zu haben.  Die Diesel-Variante der B-Klasse mit 177 PS kostet ab 36.158 Euro.
    Der Mercedes B 220 CDI 4MATIC bringt 184 PS mit und ist ab 33.772 Euro zu haben. Die Diesel-Variante der B-Klasse mit 177 PS kostet ab 36.158 Euro. © Daimler AG - Global Communicatio | Daimler AG - Global Communicatio
    Der Grundpreis des Citroën C-Zero (Reichweite laut Hersteller 150 Kilometer) ist seit seiner Markteinführung schon fast um die Hälfte gesunken, für den 67 PS starken Wagen muss man aber immer noch 17.850 Euro aufbringen.
    Der Grundpreis des Citroën C-Zero (Reichweite laut Hersteller 150 Kilometer) ist seit seiner Markteinführung schon fast um die Hälfte gesunken, für den 67 PS starken Wagen muss man aber immer noch 17.850 Euro aufbringen. © imago stock&people | imago stock&people
    15.380 Euro hingegen kostet der Citroën C3 mit 68 PS. Der Grundpreis der ähnlichsten Diesel-Variante kostet 19.380 Euro – sie hat dann aber auch 99 PS.
    15.380 Euro hingegen kostet der Citroën C3 mit 68 PS. Der Grundpreis der ähnlichsten Diesel-Variante kostet 19.380 Euro – sie hat dann aber auch 99 PS. © imago/Sebastian Geisler | imago stock&people
    Das Mitsubishi Electric Vehicle – eine 23.790 Euro teure und 67 PS starke Knutschkugel, die mehr als 10.000 Euro teurer ist als vergleichbare Benziner des japanischen Autobauers. Er soll laut Hersteller rund 160 Kilometer mit Batterieladung fahren können.
    Das Mitsubishi Electric Vehicle – eine 23.790 Euro teure und 67 PS starke Knutschkugel, die mehr als 10.000 Euro teurer ist als vergleichbare Benziner des japanischen Autobauers. Er soll laut Hersteller rund 160 Kilometer mit Batterieladung fahren können. © Mitsubishi Motors | Mitsubishi Motors
    Den Mitsubishi Space Star mit 71 PS gibt es im Grundpreis für 8990 Euro, selbst die 80-PS-Variante ist mit 13.890 Euro noch fast 10.000 Euro günstiger als das Electric Vehicle.
    Den Mitsubishi Space Star mit 71 PS gibt es im Grundpreis für 8990 Euro, selbst die 80-PS-Variante ist mit 13.890 Euro noch fast 10.000 Euro günstiger als das Electric Vehicle. © Mitsubishi Motors | Mitsubishi Motors
    34.900 Euro bezahlt man für den Ford Focus Electric mit 145 PS. Laut Hersteller reicht eine Ladung für gut 160 Kilometer.
    34.900 Euro bezahlt man für den Ford Focus Electric mit 145 PS. Laut Hersteller reicht eine Ladung für gut 160 Kilometer. © Ford | Ford
    Fast 10.000 Euro weniger kostet der Focus als Benziner in der 150-PS Variante – Grundpreis: 25.310. Der gleich starke Focus-Diesel ist ab 27.910 Euro zu haben.
    Fast 10.000 Euro weniger kostet der Focus als Benziner in der 150-PS Variante – Grundpreis: 25.310. Der gleich starke Focus-Diesel ist ab 27.910 Euro zu haben. © Ford | Ford
    Auch Volkswagen hat ein kleines E-Auto in der Palette: Der „e-up!“ bringt 82 PS mit und kostet 26.900 Euro. Laut ADAC liegt die Reichweite bei 165 Kilometer.
    Auch Volkswagen hat ein kleines E-Auto in der Palette: Der „e-up!“ bringt 82 PS mit und kostet 26.900 Euro. Laut ADAC liegt die Reichweite bei 165 Kilometer. © Volkswagen AG | Volkswagen AG
    Für 12.980 Euro ist der „up!“ als Benziner mit 75 PS zu haben – also für fast 14.000 Euro weniger, als sein Bruder mit Elektromotor kostet.
    Für 12.980 Euro ist der „up!“ als Benziner mit 75 PS zu haben – also für fast 14.000 Euro weniger, als sein Bruder mit Elektromotor kostet. © Volkswagen AG | Volkswagen AG
    Auch der etwas größere Volkswagen Polo bleibt in der Anschaffung deutlich günstiger als der „e-up!“: Sogar der Benziner mit 90 PS kostet mit 18.400 Euro im Grundpreis noch 8500 Euro weniger.
    Auch der etwas größere Volkswagen Polo bleibt in der Anschaffung deutlich günstiger als der „e-up!“: Sogar der Benziner mit 90 PS kostet mit 18.400 Euro im Grundpreis noch 8500 Euro weniger. © Volkswagen AG | Volkswagen AG
    Der Nissan Leaf kostet 23.300 Euro und verfügt über 109 PS. Das Fahrzeug bietet laut Hersteller eine Reichweite von 250 km.
    Der Nissan Leaf kostet 23.300 Euro und verfügt über 109 PS. Das Fahrzeug bietet laut Hersteller eine Reichweite von 250 km. © REUTERS | © Noah Berger / Reuters
    Der Mercedes C 350 e als Plug-in-Hybrid mit 82 PS kostet als Limousine rund 50.900 Euro. Mit dem rein elektrischen Fahren macht der Mercedes rund 30 Kilometer.
    Der Mercedes C 350 e als Plug-in-Hybrid mit 82 PS kostet als Limousine rund 50.900 Euro. Mit dem rein elektrischen Fahren macht der Mercedes rund 30 Kilometer. © imago/Rüdiger Wölk | imago stock&people
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    Das erklärt aber noch nicht die politische Stoßkraft, die das Thema inzwischen besitzt.

    Zunächst hat sich für diese Forschungen keiner besonders interessiert, aber dann kommt der politische Druck ins Spiel. Medien berichteten drüber, Politiker wurden aufmerksam und meinten, man müsse jetzt aber mal was tun.

    Und dann kam eine Rechtsverordnung – das ist das größte Problem. Aus der Nummer kommt man dann nicht raus, weil das juristisch einklagbar ist. Und da stehen wir heute.

    So etwas wie gesunder Menschenverstand blieb dann aus Ihrer Sicht auf der Strecke?

    Genau. Das ist wie beim Hexenhammer im Mittelalter. Es wird darin versucht nachzuweisen, mit welchen Experimenten man eine Hexe erkennt. Die Frage, ob es Hexen überhaupt gibt, stellte man nicht.

    Was kann man machen?

    Klassische Aufklärung muss her, raus aus der Denkfalle! Kommissionen sollten nicht nur mit Wissenschaftlern aus der Community besetzt werden, sondern auch mit Leuten, die vermeintliche Wahrheiten hinterfragen.

    Immerhin findet die Gegenposition langsam Gehör. Ich bin diese Woche in Berlin als Experte bei der FDP-Bundestagsfraktion eingeladen, es geht darum, zumindest die Messstationen nicht direkt an die Straße zu stellen, sondern dorthin, wo die Menschen leben.

    Ist das nicht Manipulation?

    Nein, die Messstationen sollten doch die Lebenswirklichkeit widerspiegeln, das ist auch der Sinn der EU-Verordnung. Niemand steht ja an viel befahrenen Straßen stundenlang vor seiner Haustür. Also müssten die Messstationen 20, 30 Meter weiter weg. Die Belastung der Bevölkerung spiegelt das besser wider, und so machen es die anderen EU-Länder auch. Nur wir in Deutschland wollen da immer die eifrigen Musterschüler sein. Wenn wir es lebensnah machen, wie Messungen ja sein sollten, dürften die meisten Sperrungen schon obsolet sein, kontraproduktiv sind sie sowieso. Denn durch Staus und Umwegfahrten entsteht mehr Stickoxid und auch mehr CO2, was übrigens die entscheidende Belastung ist, was die verkehrsbedingten Schadstoffe anbelangt.

    Sie waren in den letzten Wochen stark präsent in den Medien: Welche Reaktionen gab es?

    Zu 98 Prozent waren es positive, manche schon fast zu positiv. Ich will nicht als Held gefeiert werden, sondern einfach nur der Vernunft zum Recht verhelfen. Ich bin übrigens vollkommen unabhängig, halte keine Reden vor Interessenverbänden oder politischen Parteien. Gut, bei den Grünen würde ich eine Ausnahme machen, aber die laden mich nicht ein. Ich verteidige auch nicht die Autoindustrie mit Ihren Schummeleien.

    Was sagen die ärztlichen Kollegen? Die meisten scheinen nicht Ihrer Meinung zu sein.

    Tatsächlich scheuen viele nur die Öffentlichkeit, weil sie Angst haben, in etwas Politisches reingezogen und dann angefeindet zu werden. Viele melden sich und sagen: Endlich mal einer, der es ausspricht.

    Können Sie die Vorsicht verstehen?

    Nein. Was soll passieren? Wenn sie ein bisschen Zivilcourage haben, ihre Auffassung gut begründen und dabei freundlich bleiben, erhalten sie oft mehr Beifall, als ihnen lieb ist.

    Fahrververbote haben den Druck auf die Politik deutlich erhöht. Angela Merkel hatte zuletzt eine automatische Kennzeichenerfassung angekündigt. Die Bundesregierung hatte im November die Hürden für Diesel-Fahrverbote erhöht. In diesen Städten gibt es Fahrverbote für Diesel-Autos.

    Das Interview erschien zuerst auf waz.de.