Berlin. Was Angela Merkel nutzte, war lange gut für die CDU – doch der Preis dafür ist hoch. Der Markenkern der Partei ist abgeschliffen.

Als Angela Dorothea Merkel am 10. April 2000 auf dem Parteitag in Essen die CDU-Spitze übernahm, da raunten mächtige konservative Männer, sie werde nur eine Übergangsvorsitzende sein. Frau, Ossi, spröde, keine Hausmacht.

Angela Merkel ist 18 Jahre geblieben. Zwei Jahre länger als Konrad Adenauer. Das Vierteljahrhundert von Helmut Kohl hat sie nicht erreicht. Er machte sie nach dem Fall der Mauer zur Umweltministerin, später zur Generalsekretärin. Ihren Ziehvater ließ Merkel im richtigen Moment im Morast der Parteispendenaffäre untergehen. Wie sie die CDU aufrichtete, hatte Klasse. Aus Kohls Mädchen wurde die mächtigste Frau der Welt.

Die Liste der Männer, die Merkel stürzen wollten, ist lang

In der Elefantenrunde nach der Wahl 2005 höhnte der hauchdünn geschlagene Gerhard Schröder, diese Frau werde niemals eine Koalition mit seiner SPD anführen. Man müsse die „Kirche doch mal im Dorf lassen“. Nicht nur Schröder irrte gewaltig.

Merkel - bin dankbar für 18 Jahre CDU-Parteivorsitz

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    Die Liste der Männer, die Merkel in der CDU kaltzustellen suchten, ist lang. Die „schwarze Witwe“, die männermordende Machtstrategin. Mit diesen Plattitüden pflegten düpierte Alphamänner ihre Kränkungen. Erstmals war da eine Frau kälter und klüger als sie selbst. Auf dem Parteitag wollen Wolfgang Schäuble und Friedrich Merz es ihr nun heimzahlen. Das sind die wichtigsten Informationen zum CDU-Parteitag.

    Merkel garantierte Macht, Mandate und Posten

    In der CDU war Merkel bis zum Flüchtlingssommer 2015 – als die protestantische Pfarrerstochter sich aus tiefster humanistischer Seele für die Aufnahme Hunderttausender Geflüchteter entschied – lange unangefochten. Sie garantierte Macht, Mandate und Posten. Vier Mal in Folge sicherte sie der Union den Wahlsieg.

    Als großer Widerspruch ihrer Ära bleibt, dass die Partei dafür einen hohen Preis zahlt. Der Markenkern ist abgeschliffen, von 41,5 Prozent (2013) ist die Union auf unter 30 Prozent abgestürzt (unter tatkräftiger Mithilfe von Horst Seehofer).

    Das Profil der CDU franste aus wie der Saum eines Teppichs

    Merkel war es gleich, ob sie mit stockkonservativen, grünen oder sozialdemokratischen Inhalten erfolgreich war. Das Profil der Volkspartei passte sie an den Zeitgeist an. Nur franste es dabei wie der Saum eines Teppichs aus. Atomausstieg à la Hobbyköchin Merkel?

    Darum ist der CDU-Parteitag so wichtig

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      Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Abschaffung der Wehrpflicht à la Möchtegern-Doktor zu Guttenberg? Juckte Merkel nicht. Erlaubt war, was ihr nutzte. Macchiavelli hätte an der Frau aus der Uckermark seine Freude gehabt.

      Anders als Kohl ließ sie ihre Koalitionspartner vor die Hunde gehen. Den Liberalen verwehrte sie Steuersenkungen. Die FDP flog aus dem Bundestag. Auch am Niedergang der SPD und dem Aufstieg der AfD trägt sie eine Mitschuld.

      18 Jahre Parteivorsitz – und nicht der Hauch eines Skandals

      Gemeinsam mit dem konservativen Umfragen-Guru Matthias Jung perfektionierte Merkel die sogenannte asymmetrische Demobilisierung. Sie mied jede inhaltliche Konfrontation, schläferte politische Konkurrenz und Wahlvolk ein. Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf Merkel einen „Anschlag auf die Demokratie“ vor. Lange ging das für die CDU gut.

      Das sind die CDU-Vorsitzenden seit 1946

      Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU. Der aus Köln stammende Jurist war von 1950 bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender. Seit 1946 war er bereits Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone. Von 1949 bis 1963 war Adenauer der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel: Seit 1946 standen sechs Männer und eine Frau an der Spitze der CDU. Hier stellen wir sie vor.
      Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU. Der aus Köln stammende Jurist war von 1950 bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender. Seit 1946 war er bereits Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone. Von 1949 bis 1963 war Adenauer der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel: Seit 1946 standen sechs Männer und eine Frau an der Spitze der CDU. Hier stellen wir sie vor. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
      Ludwig Erhard, Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und zweiter Bundeskanzler (1963 bis 1966), hatte den CDU-Vorsitz von 1966 bis 1967 inne.
      Ludwig Erhard, Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und zweiter Bundeskanzler (1963 bis 1966), hatte den CDU-Vorsitz von 1966 bis 1967 inne. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
      Kurt Georg Kiesinger, dritter Bundeskanzler (1966 bis 1969), war von 1967 bis 1971 CDU-Chef. Schon 1933, im Jahr von Hitlers Machtübernahme, war Kiesinger in die NSDAP eingetreten. Das wurde ihm in den 1960er-Jahren vor allem von der „Außerparlamentarischen Opposition“ immer wieder vorgehalten.
      Kurt Georg Kiesinger, dritter Bundeskanzler (1966 bis 1969), war von 1967 bis 1971 CDU-Chef. Schon 1933, im Jahr von Hitlers Machtübernahme, war Kiesinger in die NSDAP eingetreten. Das wurde ihm in den 1960er-Jahren vor allem von der „Außerparlamentarischen Opposition“ immer wieder vorgehalten. © imago/United Archives International | Personalities
      Rainer Candidus Barzel war von 1971 bis 1973 CDU-Parteivorsitzender.
      Rainer Candidus Barzel war von 1971 bis 1973 CDU-Parteivorsitzender. © imago | SVEN SIMON
      Helmut Kohl war von 1973 bis 1998 CDU-Parteivorsitzender.
      Helmut Kohl war von 1973 bis 1998 CDU-Parteivorsitzender. © imago/WEREK | imago stock&people
      Kohl führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der BRD eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Kanzler mit der längsten Amtszeit.
      Kohl führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der BRD eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Kanzler mit der längsten Amtszeit. © imago/imagebroker | imago stock&people
      Wolfgang Schäuble, aktueller Bundestagspräsident, war von 1998 bis 2000 CDU-Parteivorsitzender.
      Wolfgang Schäuble, aktueller Bundestagspräsident, war von 1998 bis 2000 CDU-Parteivorsitzender. © imago/ZUMA Press | Emmanuele Contini
      Angela Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende. Seit 22. November 2005 ist die studierte Physikerin Bundeskanzlerin.
      Angela Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende. Seit 22. November 2005 ist die studierte Physikerin Bundeskanzlerin. © Getty Images | Carsten Koall
      Annegret Kramp-Karrenbauer war vom 7. Dezember 2018 bis Januar 2021 die Bundesvorsitzende der Partei.
      Annegret Kramp-Karrenbauer war vom 7. Dezember 2018 bis Januar 2021 die Bundesvorsitzende der Partei. © dpa | Sebastian Gollnow
      Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich Anfang 2021 gegen seine Konkurrenten Norbert Röttgen und Friedrich Merz durch. Er wurde CDU-Vorsitzender und trat als Spitzenkandidat im Bundestagwahlkampf 2021 an. Die Union verlor die Wahl. Laschet zog als einfacher Abgeordneter in den Bundestag ein und machte den Weg frei für eine neue CDU-Spitze.
      Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich Anfang 2021 gegen seine Konkurrenten Norbert Röttgen und Friedrich Merz durch. Er wurde CDU-Vorsitzender und trat als Spitzenkandidat im Bundestagwahlkampf 2021 an. Die Union verlor die Wahl. Laschet zog als einfacher Abgeordneter in den Bundestag ein und machte den Weg frei für eine neue CDU-Spitze. © dpa | Bernd Weißbrod
      Friedrich Merz folgt auf Armin Laschet. Der Sauerländer (*11. November 1955 in Brilon) ist seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU. Seit 2021 sitzt Merz auch für die Partei im Bundestag.
      Friedrich Merz folgt auf Armin Laschet. Der Sauerländer (*11. November 1955 in Brilon) ist seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU. Seit 2021 sitzt Merz auch für die Partei im Bundestag. © dpa
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      Doch es gibt Kollateralschäden. Merz hat Recht, dass Merkel das Erstarken der AfD mit einem „Achselzucken“ hingenommen hat. Mehr noch: Das war aus Merkels Sicht ein machtpolitisches Geschenk. Mit dem Einzug der Rechtspopulisten sind rot-grüne oder rot-rot-grüne Mehrheiten im Bundestag perdu.

      In Regierungsführung und persönlich allerdings setzte Merkel Maßstäbe. In 18 Jahren gab es nicht den Hauch eines Skandals. Wirtschaftlich war es eine goldene Ära. Nicht nur die CDU, Deutschland hat Angela Merkel viel zu verdanken.