Berlin. Muslime treffen sich ab Mittwoch zur Deutschen Islamkonferenz in Berlin. Umstritten ist dabei, wer in Zukunft in Moscheen predigen darf.

Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzungen: Jeden Tag werden in Deutschland Muslime Opfer von Gewalt. Allein für das zweite Quartal 2018 gab es acht Angriffe gegen Moscheen, die von Sachbeschädigung bis zur Volksverhetzung reichten. Auf Pegida-Demonstrationen ist der Islam eines der liebsten Feindbilder.

Zugleich radikalisieren sich immer wieder junge Männer und Frauen vor allem aus muslimischen Familien. Mehr als 1000 sind aus deutschen Städten in Richtung „Dschihad“ nach Syrien und Irak ausgereist. Der Islam in Deutschland – kaum ein Thema polarisiert stärker.

Seehofer: „Die hier lebenden Muslime gehören zu Deutschland“

Als Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der „Bild“-Zeitung im März sagte, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, erntete er Kritik – aber auch Zustimmung. Nun schrieb der CSU-Politiker in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die hier lebenden Muslime gehören zu Deutschland. Und sie haben aufgrund ihres zahlenmäßigen Gewichts und der Vielfalt innerhalb des Islams eine besondere Verantwortung.“

 Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, lädt zur Islamkonferenz.
Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, lädt zur Islamkonferenz. © dpa | Michael Kappeler

Zugleich betonte Seehofer: „Ein friedvolles Zusammenleben in Deutschland erfordert aber auch die Anerkennung unverrückbarer Werte, die sich aus jahrhundertealten christlich-jüdischen Prägung ergeben. Hierzu zählt auch die Achtung der hier tradierten Lebensweise.“

Erstmals lädt Seehofer am Mittwoch und Donnerstag zur Deutschen Islamkonferenz (DIK) nach Berlin ein – eine Premiere für die vierte Auflage der Konferenz. Zwei Tage lang diskutieren Muslime, Wissenschaftler, Juristen und Politiker, wie die Integration von Muslimen weiter voranschreiten kann – und welche Rolle Muslime in Deutschland spielen sollen. Wir klären die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Gipfeltreffen:

Was ist die Islamkonferenz?

Rund 240 Teilnehmer kommen nach Berlin, diskutieren in mehreren Foren zwei Tage lang. Die Konferenz findet zum vierten Mal statt. Gegründet wurde sie 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Seitdem hat sie in jeder Legislaturperiode einmal stattgefunden.

Seyran Ates, Frauenrechtlerin und Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin.
Seyran Ates, Frauenrechtlerin und Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Eingeladen sind neben Politikern von Bund und Ländern vor allem Vertreter der Dachverbände von Moscheegemeinden sowie der Zentralrat der Muslime. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland kommt zu dem Gipfel in Berlin. Viele Glaubensrichtungen des Islam sind dabei – Sunniten, Schiiten und Alawiten. Aber auch Kritiker eines konservativen Islam, wie etwa der Buchautor Ahmad Mansour und die Frauenrechtlerin Seyran Ates.

Wer zur Konferenz eingeladen ist, ist bis heute ein Politikum – das zeigt, wie zersplittert die Muslime in Deutschland in verschiedene Gruppen sind: Liberale und Fundamentalisten, Konservative und Gemäßigte. Neu ist: Diesmal hat die Bundesregierung deutlich mehr Vertreterinnen und Vertreter von liberalen islamischen Organisationen eingeladen. Und nicht nur Muslime kommen nach Berlin, sondern auch die Kirchen und der Zentralrat der Juden.

Wie leben Muslime in Deutschland?

Rund 4,5 Millionen Muslime leben in Deutschland, etwa die Hälfte von ihnen kommt aus der Türkei. Im Vergleich zum Anteil der Konfessionslosen, Katholiken und Protestanten ist der Anteil der Muslime in Deutschland mit knapp fünf Prozent gering. Die meisten Muslime leben in Nordrhein-Westfalen und Berlin, jeder elfte Einwohner ist in diesen Bundesländern muslimisch. In Brandenburg dagegen liegt der Anteil der Muslime nur bei 0,2 Prozent.

 Das Logo des Islam-Dachverbandes Ditib (Türkisch-Islamische Union).
Das Logo des Islam-Dachverbandes Ditib (Türkisch-Islamische Union). © dpa | Marijan Murat

Es gibt verschiedene Verbände, in denen sich Muslime organisieren. Der größte Verband ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib. Die Moscheegemeinde ist in Deutschland umstritten, da sie als verlängerter Arm des türkischen Staatschefs Allerdings organisieren die Verbände jeweils nur einen Teil der Muslime, selbst im Zentralrat sind nur rund 20.000 Muslime vertreten. Einen übergeordneten Dachverband, der sich als Sprachrohr aller Muslime in Deutschland versteht, gibt es nicht.

Anders als die Kirchen sind die Moscheegemeinden als Vereine organisiert. Eine Steuer für Moscheen gibt es bisher nicht – bleibt das so? Wenn die Bundesregierung die Finanzierung von Gemeinden aus Ländern wie Türkei und Saudi-Arabien zurückdrängen will, muss sie alternative Geldquellen für die Verbände schaffen. Auch die Moschee-Steuer dürfte auf der Konferenz zur Sprache kommen.

Was haben die Islamkonferenzen bisher erreicht?

Ein Erfolg der Gipfeltreffen in der Vergangenheit: Heute lernen viele Schüler schon im Klassenzimmer über die Religion Islam. Mehr als 800 Schulen bieten islamischen Religionsunterricht an, knapp 55.000 junge Menschen nehmen laut einer Umfrage des Mediendienstes Integration vom Frühjahr 2018 daran teil. So wie junge Menschen in der Schule zwischen christlicher Theologie oder Ethik als Fach wählen können, haben auch Muslime an einigen deutschen Schulen Wahlfreiheit – und können das Fach Islam aussuchen.

Das machen derzeit etwa fünf Prozent aller muslimischen Schüler in Deutschland. Seit sieben Jahren haben junge Menschen zudem die Möglichkeit, islamische Theologie zu studieren. Rund 2.000 Studierende sind derzeit an fünf Hochschulen mit einem Schwerpunkt islamische Theologie eingeschrieben. Sie können mit ihrem Abschluss am Ende beispielsweise Religionslehrer werden – oder Imam. Eine Ausbildung nach dem Vorbild etwa des Priesterseminars oder Vikariats bei den Kirchen gibt es in Deutschland nicht.

Was sind die Ziele der Islamkonferenz?

Einerseits geht es um den Dialog zwischen Christen und Muslimen. Andererseits geht es aber auch darum, dass die verschiedenen muslimischen Glaubensrichtungen in Deutschland stärker miteinander reden – und klarer sagen, wofür sie stehen. Die Bundesregierung würde gerne ein Mittler für die verschiedenen muslimischen Strömungen sein. Am liebsten wäre es der Regierung, wenn sich die Verbände ihre Interessen bündeln und in Zukunft mit einer Stimme sprechen.

Auch einige Verbände haben erkannt, dass sie sich wandeln müssen, um einer Spaltung der Gesellschaft in Muslime und Nicht-Muslime entgegenzutreten. So fordert die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD), dass Initiativen von jungen Gläubigen und auch Frauen im deutschen Alltag sichtbarer werden – und auch kritisch mit den eigenen Positionen ins Gericht gehen sollen.

Wie ist der Umgang mit Imamen aus der Türkei?

Besonders umstritten ist die Rolle der Ditib – nicht erst seit Beginn der Islamkonferenz polarisiert der türkische Moscheeverband. Die türkische Regierung schickt die Imame direkt aus Ankara nach Deutschland in die rund 900 Gotteshäuser. Den Sicherheitsbehörden gelten einzelne Prediger als verlängerter Arm von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

DITIB-Zentralmoschee in Köln.
DITIB-Zentralmoschee in Köln. © dpa | Henning Kaiser

Der Vorwurf: Sie spalten die deutsche Gesellschaft. Sogar Spionage wurde einzelnen Imamen vorgeworfen. Die Ermittlungen ergaben allerdings nicht ausreichend Beweise. Am Sonntag war der Vorstand der Ditib in Niedersachsen aus Protest gegen die Einflussnahme aus Ankara zurückgetreten.

Das Innenministerium erhöht derzeit den Druck auf die türkische Religionsbehörde. Bei Treffen zwischen den Behörden geht es vor allem darum, die Imame nicht in Ankara, sondern schrittweise mehr Prediger an Ditib-Moscheen zu schicken, die auch in der Bundesrepublik ausgebildet wurden.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, will jedoch auf längere Sicht ausländische Imame in deutschen Moscheen vermeiden. Mazyek schlug laut Evangelischem Pressedienst ein duales Modell vor, wonach Religionslehrer zu 50 Prozent in einer Schule, zu den anderen 50 Prozent in der Gemeinde arbeiten.

Die Kosten für den Stellenanteil an der Schule trägt demnach der Staat, den anderen die Moscheen. „Das würde Übergänge schaffen und gleichzeitig die Neutralität des Staates gewährleisten“, sagte Mazyek.