Berlin. Drei Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge von Angela Merkel. Für SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD ist die Wahl strategisch wichtig.
Am 7. Dezember tritt Angela Merkel als CDU-Vorsitzende ab – und der Parteitag wählt eine Nachfolge. Derzeit sieht es nach einem Duell zwischen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) und Ex-Fraktionschef Friedrich Merz aus – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist in den Umfragen weit abgeschlagen. Öffentlich sagen die anderen Parteien nicht, wem sie die Daumen drücken. Doch es gibt Favoriten. Wer setzt auf wen?
SPD: Hang zu Kramp-Karrenbauer
Die SPD sieht die Zeit nach Merkel als große Chance, um sich wieder von der CDU abgrenzen zu können. Am stärksten könnte sich die SPD gegenüber einem CDU-Chef Merz profilieren. Er gilt für viele Genossen als das ideale Feindbild des neoliberalen Politikers mit besten Drähten in die Hochfinanz.
Da SPD-Chefin Andrea Nahles die Partei gerade nach links rückt und etwa Hartz IV abschaffen will, wäre maximale Reibung zu Merz programmiert. Bei Kramp-Karrenbauer wären die Schnittmengen größer, da sie in weiten Teilen Politik auf dem Merkel-Fundament macht.
Das sind die CDU-Vorsitzenden seit 1946
Kramp-Karrenbauers kritische Aussagen zur Ehe für alle wurden von der SPD aber harsch kritisiert. Einfach wird die Zusammenarbeit in der Koalition zwischen der SPD und der künftigen CDU-Spitze auf keinen Fall. Die Gegner der GroKo in der SPD lauern nur auf einen Anlass, um das ungeliebte Bündnis aufzukündigen.
Am 14. Dezember, kurz nach dem CDU-Parteitag, trifft sich der SPD-Vorstand, um rote Linien zu ziehen, was die Koalition bis wann erreichen muss. Spannend wird es, falls Merkel vorzeitig als Kanzlerin abtreten sollte: Wählt die SPD dann AKK oder Merz im Bundestag mit? Oder riskieren die Sozialdemokraten Neuwahlen? (Die wichtigsten Informationen zum CDU-Parteitag)
AfD: Am besten wäre, wenn Merkel bliebe
Es ist paradox, aber am liebsten müsste es der „Merkel muss weg“-Partei AfD sein, wenn die Kanzlerin auch CDU-Chefin bliebe. Annegret Kramp-Karrenbauer steht zwar für eine weitgehende Fortsetzung der Merkel’schen Linien, mobilisiert aber nicht annähernd so gut die AfD-Basis wie das Original. Trotzdem ist AKK aus taktischer Sicht die Wunschkandidatin der größten Oppositionsfraktion: Denn mit einem CDU-Chef Merz könnte der AfD ein Teil jener Wähler abhandenkommen, die aus Frust über den Mitte-Kurs der Union zur AfD gegangen war. Die Partei baut deswegen schon einmal vor und sucht nach Angriffspunkten bei Merz.
FDP: Merz hätte für die Liberalen viele Vorteile
CDU-Chef Merz – das hätte für die FDP viele Vorteile. Erstens: Seine marktwirtschaftliche Prägung passt gut zur liberalen DNA, mit ihm keimt wieder die Hoffnung auf eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition auf. Zweitens: Sollte Merz auch Kanzlerkandidat der Union werden, dürfte – so die Hoffnung der FDP – die Konfrontation zwischen dem marktwirtschaftlichen und dem sozialstaatlichen Lager in Deutschland wieder schärfer werden.
Ein Feld, das die FDP deutlich glaubwürdiger bespielen kann als Debatten um Asyl oder Klimaschutz. Entsprechend ärgerlich reagieren die Liberalen, wenn Merz diesem Wunsch nicht entspricht: „Von Friedrich Merz hatte ich mir erhofft, dass er klarmacht, wie er die hart arbeitende Mitte in Deutschland endlich entlasten will. Stattdessen zettelt er eine Debatte über das Grundrecht auf Asyl an, die kein einziges Problem löst“, sagt Fraktionsvize Christian Dürr.
AKK dagegen ist mit ihrer Ablehnung der Ehe für alle den Liberalen übel aufgestoßen. Und Spahn? Der sei in der Einwanderungspolitik „durch mutige und realistische Äußerungen aufgefallen“, lobt Parteichef Christian Lindner. Öffentlich festlegen will auch er sich nicht.
Linke: Im Grunde mit anderem beschäftigt
Bernd Riexinger hat eine eindeutige Meinung zu Merz. „Dieser Mann ist völlig verrückt“, sagt der Linke-Chef über die jüngsten Vorschläge des früheren CDU-Fraktionschefs zum Asylrecht. Merz würde mehr polarisieren – und sich für die Linke auch mehr als Feindbild eignen als die eher moderate Kramp-Karrenbauer. Doch die Linke hat aktuell viele interne Probleme. Vor allem die Bewegung „Aufstehen“ der Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sorgt massiv für Unruhe. Zentral ist es aus Sicht vieler Linker daher nicht, wer CDU-Chef wird, sondern vielmehr, den eigenen Laden zu konsolidieren.
Grüne: Klare Tendenz zu Kramp-Karrenbauer
Die Grünen könnten mit Kramp-Karrenbauer leben. Und das nicht nur aus feministischen Gesichtspunkten. Die Saarländerin würde die Linie von Merkel in vielen Politikfeldern fortführen, auch wenn sie hier und da versucht, sich von der Kanzlerin abzugrenzen. AKK gilt bei den Grünen als eine, mit der man reden kann – und mit der man sich eine Koalition vorstellen kann. Hinzu kommt: Sie hat als Ministerpräsidentin schon mit den Grünen regiert, hat hier also keine Berührungsängste.
Und: Ihr ist Sozialpolitik wichtig – ebenso wie den Grünen, die gerade die Abschaffung von Hartz IV debattieren. Friedrich Merz als Parteichef oder als Kanzler würde, so denken viele Grüne, mit seinem neoliberalen Profil eine Jamaika-Koalition erschweren. Ein Bündnis mit Union und FDP wäre dann eine Fortführung des alten schwarz-gelben Modells plus Grün – und kein neues Projekt wie in Schleswig-Holstein. Der einzige Vorteil mit Merz an der CDU-Spitze wäre: Die Auseinandersetzung würde härter werden – und Grünen-Chef Robert Habeck könnte sich als Gegenspieler zum Sauerländer positionieren.
(tb,tma,jule,ak)