Berlin. In der Affäre um Rechtsradikale in ihrer Jugendorganisation zieht die AfD die Notbremse. Die JA soll sich von Mitgliedern trennen.

Sie gilt als Kaderschmiede der Partei und gut vernetzt in der neurechten Szene: die Junge Alternative (JA), die Jugendorganisation der AfD. Doch nach erbitterten Richtungskämpfen und unter Druck durch den Verfassungsschutz steht die AfD-Jugend möglicherweise vor der Spaltung – wenn sie nicht vorher durch die Mutterpartei AfD aufgelöst wird.

Deren Vorstand erklärte am Montag nach einer Telefonkonferenz: „Mit Abscheu nimmt der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland menschenverachtende Einzeläußerungen von Mitgliedern der Jungen Alternative zur Kenntnis. Er erwartet von der JA, dass sie sich unverzüglich von diesen Mitgliedern trennt.“

AfD-Bundesvorstand plant Sondersitzung zur JA

Die vom Vorstand eingesetzte parteiinterne „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ werde demnächst ein „aktuelles Lagebild“ vorlegen. Auf dieser Grundlage werde der Bundesvorstand eine Sondersitzung zur Situation in der JA einberufen.

Der Parteikonvent solle außerdem einen Antrag auf Änderung der Parteisatzung prüfen, um eine mögliche Trennung von der Jugendorganisation vorzubereiten. Entscheiden müsste über diesen Schritt aber ein Bundesparteitag.

JA erkennt bei sich selbst „sektenartige Strukturen“

Eine besonders dramatische Lagebeschreibung kam bereits in der vergangenen Woche aus der AfD-Jugend selbst: Der Landesverband Baden-Württemberg sei durchzogen von „sektenartigen Strukturen“ und engen Verbindungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung, hieß es in einer Erklärung, in der mehr als 30 Mitglieder des Landesverbands ihren Austritt erklärten.

Es waren nicht nur die hinteren Reihen, die da aus Protest ihren Hut nahmen: Fünf der Unterzeichner waren im Landesvorstand der AfD-Jugend gewesen, einer von ihnen, Moritz Brodbeck, sogar in der Spitze des Bundesverbands.

Doch selbst aus dieser Position heraus, so der Tenor, sahen sie keine Möglichkeit mehr, die Richtung der Organisation zu ändern – zu verderbt sei die Junge Alternative. Man werde sich deshalb dem Aufbau einer neuen, der AfD verbundenen Jugendorganisation widmen.

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Verfassungsschutz hat ein Auge auf die JA

Wenige Tage später hatte Alexander Leschik, Mitglied des Bundesvorstands der Jugendorganisation, gegenüber dem Magazin „Vice“ angekündigt, dass er und zwei weitere Mitglieder des Gremiums zurücktreten wollen – und ihren Landesverband NRW wollen sie dem Bericht zufolge auch zum Austritt aus der Bundesvereinigung bewegen.

Nicolai Boudaghi, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, wenn die AfD-Jugend der AfD schade, „dann muss sie weg“. Der Landesverband dementierte umgehend auf Facebook, es gebe „keine endgültige Entscheidung der JA NRW“. Vertreter aus den östlichen Landesverbänden wiesen den Vorschlag einer Neugründung zurück. Offiziell hält sich der Bundesvorstand nach außen hin bedeckt.

Teilnehmer einer Demonstration der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Ellwangen (Baden-Württemberg) im September.
Teilnehmer einer Demonstration der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Ellwangen (Baden-Württemberg) im September. © picture alliance/dpa | dpa Picture-Alliance / Daniel Maurer

Der Zeitpunkt der Zerfallserscheinungen ist kein Zufall: Der Eklat in Baden-Württemberg kam, kurz nachdem der dortige Landesverfassungsschutz erklärt hatte, die AfD-Jugend wegen Anhaltspunkten für „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ beobachten zu wollen. Es war – nach Bremen und Niedersachsen – bereits der dritte Landesverband der Nachwuchsorganisation, der ins Visier des Geheimdienstes geriet.

JA in Niedersachsen wurde aufgelöst

Zumindest der niedersächsische Verband, dessen Landeschef besonders enge Verbindungen zur Identitären Bewegung hatte, wurde daraufhin aufgelöst. Doch ob das der Mutterpartei reicht, ist offen. Denn auch die AfD steht möglicherweise vor einer Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst.

In den vergangenen Monaten haben die Verfassungsschützer der Länder zusammengetragen, was sie an Informationen zur neuesten Partei im Bundestag haben. Bis zum Jahreswechsel soll auf dieser Grundlage entschieden werden, ob die Partei, in der immer wieder Mitglieder und Funktionsträger mit geschichtsrevisionistischen und rassistischen Aussagen aufgefallen sind, beobachtet werden soll.

AfD könnte finanzielle Unterstützung der JA infrage stellen

Eine Jugendorganisation, deren Gliederungen nach und nach vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist da nicht hilfreich. Nach Angaben aus Vorstandskreisen herrschte in der Parteispitze große Einigkeit darüber, dass gehandelt werden müsse. Über die beste Vorgehensweise gab es demnach aber unterschiedliche Auffassungen.

Georg Pazderski, Chef der Berliner AfD und Mitglied im Bundesvorstand der Partei, warnte am Sonntag vor vorschnellen Urteilen über die gesamte Jugendorganisation. „Wir müssen uns zunächst ein klares Bild der Lage verschaffen“, sagte Pazderski über die Überlegungen der Parteispitze. Man habe deshalb um zusätzliche Informationen aus einzelnen Landesverbänden gebeten. „Die werden eine maßgebliche Grundlage für unsere Entscheidung und unser weiteres Vorgehen sein“, sagte Pazderski unserer Redaktion.

Für eine tatsächliche Ablösung der AfD-Jugend von der AfD müsse auf einem Parteitag eine Entscheidung mit Zwei-Drittel-Mehrheit fallen, erklärte er. „Es gibt allerdings noch andere Maßnahmen, die der Bundesvorstand ergreifen könnte, zum Beispiel in der Frage der finanziellen Unterstützung.“

NPD-Nachwuchs signalisiert Offenheit für junge AfDler

Dass eine Auflösung der AfD-Jugend auch mit einer Kurskorrektur der zunehmend radikaleren Mutterpartei einhergeht, daran zweifeln Beobachter. Hajo Funke, Experte für Rechtsextremismus an der Freien Universität Berlin, sieht in einer möglichen Auflösung der Nachwuchsorganisation eine „Panikreaktion“ – aus Angst vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Bislang habe es einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Flügeln der AfD gegeben, sagte Funke unserer Redaktion. „Man hat die Radikalen solange laufen lassen, wie es geht, sich aber gleichzeitig bürgerlich gegeben.“

Dieses Konzept gehe durch den zunehmenden Druck von außen nun nicht mehr auf. Der Politikwissenschaftler hält eine taktische Distanzierung der AfD vom Nachwuchs für möglich. „Aber das sind reine Showmaßnahmen, alles für die Öffentlichkeit.“

Sollte die AfD-Jugend tatsächlich von der AfD gelöst werden, haben die Mitglieder bereits ein Angebot für eine neue politische Heimat: von den Jungen Nationalisten, der Nachwuchsorganisation der NPD. „Meldet euch!“, hieß es auf deren Twitter-Account.