Berlin. Die Zeitumstellung soll nach dem Willen der EU-Kommission abgeschafft werden. Doch unter den Mitgliedsstaten ist der Weg umstritten.

Wenn in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Uhren eine Stunde zurückgestellt werden, könnte das die vorletzte Zeitumstellung in Europa sein: Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, am 31. März 2019 die Uhren um eine Stunde auf Sommerzeit vorzustellen – und dann dabei zu bleiben. Wir erklären, was hinter dem Plan steht und welche Folgen die Änderung hätte.

Warum wird darüber jetzt diskutiert? Die Idee kommt aus dem EU-Parlament: Das hatte der Kommission Anfang des Jahres aufgetragen, das umstrittene Uhren-Umstellen auf den Prüfstand zu stellen. Die fragte daraufhin die Bürger: 4,6 Millionen Menschen stimmten online über die Abschaffung der Zeitumstellung ab. Allerdings: Gemessen an 500 Millionen EU-Bürgern ist das ein sehr kleiner Teil. Und ganze drei Millionen der Teilnehmer kamen aus Deutschland. Trotzdem war das Grund genug für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, aktiv zu werden: „Die Leute wollen das, also machen wir das.“

Das sind die umstrittensten EU-Regeln

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    Also wird die Zeitumstellung jetzt abgeschafft? Ganz so einfach ist es nicht. In manchen Hauptstädten herrscht erhebliche Verärgerung über die EU-Kommission: Die habe es sich mit ihrem Vorstoß viel zu einfach gemacht – viel zu spät habe Juncker die Initiative den nationalen Regierungen „vor die Füße gekippt“, schimpft ein Brüsseler Diplomat. Die notwendige Folgeabschätzung überlasse er jetzt den Mitgliedsstaaten.

    „Das muss intern diskutiert werden – und dann ist natürlich die Abstimmung mit den Nachbarländern notwendig. Ein Flickenteppich an Zeitregelungen muss unbedingt vermieden werden“, erklärt ein anderer ranghoher Repräsentant eines Mitgliedsstaates in Brüssel. Die Mitgliedsstaaten müssen jetzt erst einmal ein Verfahren festlegen, wie sie sich untereinander bei der Frage „Sommer- oder Winterzeit?“ abstimmen.

    Auch in Ländern, die sich bereits positioniert haben, heißt es: „Der Zeitplan ist sehr ambitioniert.“ Schon kursiert im EU-Ministerrat nach Informationen unserer Redaktion ein Kompromissvorschlag, die Zeitumstellung auf das Jahr 2021 zu verschieben.

    Was ist die deutsche Position? In der Bundesregierung ist man vor dem Treffen der EU-Verkehrsminister in der kommenden Woche noch damit beschäftigt, eine gemeinsame Haltung zu finden. „Die Abstimmung ist noch nicht abgeschlossen“, erklärte das Wirtschaftsministerium, das in der Frage federführend ist, unserer Redaktion. Wichtig sei vor allem, dass es weiter bei einer harmonisierten Zeit in Europa bleibt, heißt es aus dem Ministerium.

    Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) selbst hat sich für eine dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen. Auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) ist für die Abschaffung des Wechsels, würde die Uhren aber lieber nach Sonntag gar nicht mehr umstellen: Sie sei „kein Fan der Sommerzeit“, hatte Barley schon im April gesagt. „Jetzt ist es wichtig, dass wir zu einer europäisch einheitlichen Lösung kommen“, betont Barley, die bei der Europawahl 2019 als Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten antreten will.

    Was würde eine Abschaffung für die Wirtschaft bedeuten? Die Arbeitgeber würden eine Abschaffung der Zeitumstellung begrüßen. Der Wechsel habe „Jahr für Jahr in viele Arbeitszeitkonzepte und Logistikabläufe Unruhe gebracht“, heißt es von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Auch die Deutsche Bahn sieht in dem halbjährlichen Wechsel keinen Vorteil – allerdings auch keine Probleme, wie eine Sprecherin sagt. Die Zeitumstellung sei seit vielen Jahren Routine. Die insgesamt 120.000 Bahn-Uhren würden zentral gesteuert – und das Umstellen funktioniere problemlos. Sollte die Umstellung abgeschafft werden und somit dauerhaft verschiedene Zeitzonen entstehen, könne man damit aber auch umgehen: Fahrpläne müssten dann bei Stopps im Ausland um die Angabe „Ortszeit“ ergänzt werden, wie es jetzt schon zum Beispiel bei Zügen nach Russland der Fall ist, heißt es vom Unternehmen.

    Problematischer wäre diese Situation im Flugverkehr. Die deutsche Luftverkehrswirtschaft fordert eine einheitliche Regelung für ganz Europa. „Der drohende Flickenteppich von einzelnen nationalstaatlichen Regelungen würde die Flugplanung der Fluggesellschaften und Flughäfen erheblich durcheinanderbringen“, erklärte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Denn jeder Flug braucht einen Start- und einen Lande-Slot, die der Fluglänge entsprechend zusammenpassen müssen. Bei Flughäfen, die stark ausgelastet sind, sei es aber nicht ohne Weiteres möglich, die Slots zu verschieben, so der Verband.

    Wie geht es jetzt weiter? Wenn Anfang der nächsten Woche die EU-Verkehrsminister zu einer informellen Konferenz in Graz zusammenkommen, droht die große Ernüchterung: Dass der Vorschlag der EU-Kommission, die Uhren in der EU am 31.März 2019 zum letzten Mal um eine Stunde auf Sommerzeit umzustellen, umgesetzt wird, ist fünf Monate vorher eher unwahrscheinlich. „Viele Mitgliedsstaaten sagen, sie hätten eine Reihe von offenen Fragen und bräuchten mehr Zeit“, berichtet ein EU-Diplomat.

    Das Ende der Zeitumstellung zu beschließen, sei eines. Doch parallel müsse jeder einzelne Mitgliedsstaat die heikle Frage klären, ob auf seinem Territorium künftig Sommer- oder Winterzeit gelten soll – was bei näherer Prüfung ausgesprochen schwierig ist. Kommt es zur ewigen Sommerzeit, ginge etwa in Spanien im Winter die Sonne erst gegen zehn Uhr auf. Allerdings: Ausgeschlossen ist es nicht, dass sich die nationalen Regierungen einen Ruck geben und schnell entscheiden. Die Zustimmung des EU-Parlaments, das das Ende der Zeitumstellung ebenfalls absegnen müsste, gilt immerhin als sicher.