Washington. Die Serie von Briefbombensendungen sollte zum Innehalten zwingen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Trump vergiftet das Land weiter.

Der koordinierte Versuch, höchste Repräsentanten des Staates mit Briefbomben mundtot zu machen, ist ein Anschlag auf die Demokratie, wie ihn Amerika seit Jahrzehnten nicht erlebt hat.

Dass ausschließlich Demokraten und ihnen nahestehende Akteure wie der Philantrop George Soros Zielscheiben der von den Behörden vereitelten Anschläge waren, macht den Fall zu einem Akt von politisch motiviertem Inlands-Terrorismus, der alle Akteure – losgelöst von der noch ungeklärten Täterschaft – zum Innenhalten zwingen müsste.

Allen voran den Mann, der seit Amtsantritt im Januar 2017 den nationalen Diskurs vergiftet, das Land mit Lügen flutet, die Gesellschaft spaltet, Andersdenkende dämonisiert, die Medien als „Feinde des Volkes“ abstempelt, die Institutionen schwächt, demokratische Normen schleift und das Freund-Feind-Denken zur Staatsräson erklärt hat: Donald Trump.

Donald Trump bedient sich der Instrumente von Brandstiftern

Das Gegenteil aber ist der Fall. Nach pflichtschuldig klingender Verurteilung der Tat, die nichts anderes war als versuchter Massenmord, ging der Präsident der Vereinigten Staaten zur Tagesordnung über.

Ohne sich auch nur mit einer Silbe in Mithaftung zu nehmen, verkündete er wenige Stunden später vor seinen Anhängern ohne rot zu werden: „Diejenigen, die sich in der politischen Arena befinden, müssen damit aufhören, politische Gegner als moralisch fehlerbehaftet zu behandeln.“ Wie bitte?

Trump ist es, der im Aufgalopp der Kongresswahlen in zwei Wochen auch die Restbestände von Anstand und Verantwortung für das Gemeinwesen verbraucht hat. Wer den politischen Gegner penetrant als „verrückt“, „zu gefährlich, um ihn regieren zu lassen“, „Verbrecher“ und „radikalen Mob“ klassifiziert, wer ernsthaft behauptet, Amerika sei dem Sozialismus à la Venezuela geweiht und stehe kriminellen Horden aus dem lateinamerikanischen Hinterhof offen, falls die Demokraten die Wahl gewinnen, wer die Medien des Massenbetrugs durch Verbreitung von Falschnachrichten beschuldigt, dabei selber nachweisbar tausendfach die Wahrheit beugt, bedient sich der Instrumente von Demagogen und Brandstiftern.

Amerika muss Autokrat Einhalt gebieten

Dass diese asoziale Haltung des ersten Mannes im Staate nicht ohne Wirkung bleibt, kann niemanden verwundern. Es ist offenkundig, dass sich vergrätzte Zeitgenossen von seiner Brachial-Rhetorik ermutigt und autorisiert fühlen, gegen die de facto von ihm zu Staatsfeinden erklärten Demokraten (und alles, was irgendwie „links“ ist) vorzugehen.

Mord-Drohungen gegen Politiker, die Trump regelmäßig bei Kundgebungen ehrabschneidend vorführt, haben darum zugenommen. Und die extreme Feindseligkeit gegenüber den Medien (Trumps Haus- und Hofsender wie Fox News oder Breitbart ausgenommen) wird von Woche zu Woche schlimmer. Weil Trump sie nährt.

So schlimm, dass der auch in konservativen Kreisen geschätzte Star-Kommentator Brett Stephens schreibt: „Wir nähern uns dem Tag, an dem Blut auf dem Fußboden einer Redaktion sein wird, das an den Händen des Präsidenten klebt.“ Trump ficht das nicht an. Er kann, er will seine dunklen Impulse nicht kontrollieren.

Mit hohl klingenden Worten von „Frieden und Harmonie“ rief er, der Spalter vom Dienst, wenige Stunden nach den Rohrbombensendungen zur nationalen Einheit auf und identifizierte den Hauptschuldigen: die Medien.

Sie müssten endlich einen „zivilisierten Ton“ anschlagen und die „falsche Berichterstattung“ gegen ihn einstellen. Die unterschwellige Botschaft war nicht zu überhören: Wenn die Medien mich endlich flächendeckend loben, dann sind meine Leute auch nicht mehr so wütend. Autokraten kann man Einhalt gebieten. Amerika hat am 6. November dazu alle Möglichkeiten.