Berlin. Das Bildungspaket der Regierung sollte eigentlich Geld sparen und viel vereinfachen. Doch es ist zu einem „Bürokratiemonster“ geworden.

Schon der Name ist sperrig: Der Begriff „Bildungs- und Teilhabepaket“ geht niemandem leicht über die Lippen. Damit gemeint sind staatliche Leistungen für Kinder in Hartz-IV-Familien. Seit acht Jahren bekommen sie beispielsweise Zuschüsse zum Schulmittagessen oder für Klassenfahrten, aber auch zusätzliches Geld für Schulhefte oder den Mitgliedsbeitrag im Sportverein. Das Ziel ist: Kinder aus besonders bedürftigen Familien sollen besser am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Experten kritisieren das Paket seit längerer Zeit schon als viel zu bürokratisch. Weil viele Eltern nicht wissen, wie man die Leistungen beantragt – wenn sie überhaupt davon wissen – profitieren nur vergleichsweise wenige Kinder davon. Nach einer Auswertung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und des Kinderschutzbundes haben nur 15 Prozent der Kinder zwischen sechs und 15 Jahren, die ein Recht darauf hätten, die Leistungen auch in Anspruch genommen. Das wäre etwa jedes siebte der berechtigten Kinder.

Regierung kann nicht sagen, was es kostet

Den dringenden Reformbedarf gesteht nun auch die Bundesregierung ein. Sie kann noch nicht einmal exakt beziffern, was das Bildungspaket jedes Jahr kostet. Dies zeigt eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, die unserer Redaktion vorliegt.

Vor allem die Verwaltungskosten, die auf allen staatlichen Ebenen durch das Paket entstehen, sind unbekannt: „Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor“, antwortete das Haus von Minister Hubertus Heil. Der SPD-Politiker hat bereits angekündigt, das Paket in den nächsten Monaten zusammen mit Familienministerin Franziska Giffey (SPD) reformieren zu wollen.

Dabei sollen die Leistungen vereinzelt aufgestockt und ausgeweitet werden. Beispielsweise sollen Kinder pro Schuljahr 150 Euro statt bisher 100 Euro für Schulhefte, Taschenrechner und anderen „Schulbedarf“ erhalten.

Eigentlich sollte das Paket sogar Geld sparen

„Die Bundesregierung hat keinen Überblick zu Kosten und Nutzen ihres Bildungs- und Teilhabepakets“, kritisiert Grünen-Sozialexperte Sven Lehmann die Auskünfte des Ministeriums, die er angefordert hat. Seinen Schätzungen zufolge „verpufft jeder dritte Euro in der Verwaltung“.

Lehmann bezeichnet das Bildungspaket als „Bürokratiemonster“ und fordert deshalb seine Abschaffung: „Das Geld sollte besser in höhere Kinderregelsätze und kostenfreie Angebote für alle Kinder in den Städten und Gemeinden investiert werden.“ Leistungen zur Bildung und Teilhabe müssten direkt bei den Kindern ankommen, fordert Lehmann.

Bei Inkrafttreten des Bildungs- und Teilhabepakets im Jahr 2011 hatte die Bundesregierung Verwaltungskosten in Höhe von 110 Millionen Euro pro Jahr angegeben. Sie hatte sogar „Einsparungen durch zahlreiche Verwaltungsvereinfachungen“ in Höhe von 50 Millionen Euro vorausgesagt. Eine zwischenzeitliche Überprüfung der Ausgaben ergab 2015 Verwaltungskosten von mehr als 180 Millionen Euro pro Jahr. Gemessen an den damals von den Bundesländern gemeldeten Gesamtausausgaben von 570 Millionen Euro wäre das tatsächlich ein Drittel der Ausgaben.

SPD will nachbessern

Sozialminister Heil hat das Bildungspaket, das 2011 von seiner Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeführt wurde, kürzlich in einem Interview als „noch sehr bürokratisch organisiert“ bezeichnet. Heil kündigte ein „Familienstärkungsgesetz“ an, das er zusammen mit seiner Kollegin Giffey vorlegen werde. Darin sollen unter anderem einzelne Leistungen für Hartz-IV-Kinder ausgeweitet werden. Den Kreis der Kinder, die davon profitieren, beziffert Heil auf rund eine Million.

Grünen-Sozialexperte Lehmann dagegen geht von drei Millionen anspruchsberechtigten Kindern aus – insgesamt gibt es etwa zwölf Millionen Schüler in Deutschland. Die Bundesregierung nehme in Kauf, dass vielen Kindern Leistungen vorenthalten würden, die ihnen zustünden, bemängelt er.

Auch Wohlfahrtsverbände kritisieren das Bildungspaket aufgrund der geringen Inanspruchnahme als gescheitert und fordern seit Jahren eine „Totalreform“.