Berlin. Svenja Schulze will grüne Flächen in deutschen Ballungsräumen ausweiten. Ihr Ministerium nimmt dafür jetzt mehrere Millionen in Hand.

Es ist eng in Deutschlands Städten. Autofahrer und Radfahrer, Investoren und Alteingesessene, Geschäfte, Familien und Touristen kämpfen um jeden freien Zentimeter. Verlierer sind am Ende oft Pflanzen und Tiere – Freiflächen, auf denen sich die Natur ein Stück Stadt erobert hat, müssen häufig weichen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will das jetzt ändern. Mit dem „Masterplan Stadtnatur“, der unserer Redaktion vorliegt, sollen Städte in Deutschland grüner, lebendiger und lebenswerter werden. Nach den Vorschlägen des Ministeriums soll in den Ballungsräumen in den kommenden Jahren die Zahl von Grünflächen, Stadtparks, urbanen Wäldern oder Sportstätten erhöht werden, insbesondere in sozial benachteiligten Stadtteilen.

15 Millionen will das Ministerium für den Masterplan ausgeben

Derzeit ist das Papier im Abstimmungsprozess mit den anderen Bundesministerien. Schulze setzt mit dem Plan ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Grundlage des Entwurfs ist das Weißbuch „Grün in der Stadt“, das noch unter Schulzes Vorgängerin Barbara Hendricks ( SPD) entstanden ist.

Konkret schlägt das Umweltministerium knapp 20 Maßnahmen vor. Es geht um Änderungen im Baurecht, mehr Naturschutz bei Bauprojekten, die durch den Bund gefördert werden, und mehr gesellschaftliches Bewusstsein für das Thema. 15 Millionen will das Ministerium dafür ausgeben – mit dem Geld soll das Bundesprogramm Biologische Vielfalt aufgestockt werden und ein neuer „Förderschwerpunkt Stadtnatur“ entstehen. Unterstützt werden könnten damit nach Schulzes Vorschlägen neben den Kommunen auch Verbände, Vereine, Schulen oder Kindergärten. Das Geld soll für die Einrichtung von Naturerfahrungsräumen, grünen Klassenzimmern, Schulgärten oder Kindergartenaußengeländen verwendet werden.

Innenstädte sollen mit intelligenter Lichtsteuerung ausgeleuchtet werden

Bundesumweltministerin Svenja Schulze.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze. © dpa | Fabian Sommer

Aber auch dort, wo kein neues Geld dazukommt, soll nach dem Entwurf des Ministeriums Naturschutz in Zukunft eine größere Rolle spielen. Geplant ist unter anderem eine Regelung für sogenannte Ausgleichsflächen: Wenn an einer Stelle der Stadt Boden versiegelt wird, also zum Beispiel bebaut oder asphaltiert, soll anderswo in derselben Größenordnung eine Grünfläche entstehen. Gebäude sollen ebenfalls grüner werden: Fassadenbegrünung will das Ministerium stärker fördern, bei Neubauten und Sanierung von Gebäuden soll in Zukunft mehr auf Nistmöglichkeiten für Vögel geachtet werden. Um der zunehmenden Lichtverschmutzung und dem Rückgang von Tier- und Insektenarten zu begegnen, sollen Innenstädte mit moderner und intelligenter Lichtsteuerung künftig nur noch dort ausgeleuchtet werden, wo es erforderlich ist.

Wo es möglich ist, will der Bund dabei als gutes Beispiel vorangehen: „Systematisch“ soll auch Naturschutz mitgedacht werden, wenn Grundstücke und Gebäude in Bundeshand bebaut oder saniert werden. Unter anderem sollen auf bundeseigenen Grundstücken Pflanzen wachsen, die in der jeweiligen Region heimisch sind. Auf Pflanzenschutzmittel und chemisch-synthetische Dünger soll grundsätzlich verzichtet werden.

NABU begrüßt den Masterplan von Schulze

Stadtnatur sei „unverzichtbar“ für den Erhalt biologischer Vielfalt, heißt es im Plan des Ministeriums. Allein in Berlin leben demnach 20.000 Tier- und Pflanzenarten. Von 234 Arten, die in Deutschland gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind, kommen zwei Drittel auch in der Hauptstadt vor. Und auch Menschen profitieren von mehr Grün in Ballungsräumen. Selbst kleinere Grünanlagen könnten die Temperaturen im Vergleich zur bebauten Umgebung bereits um drei bis vier Grad senken, sagte Umweltministerin Schulze unserer Redaktion. „Bäume und Grünflächen machen unsere Städte lebens- und liebenswert. Der heiße Sommer 2018 hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig Grün für unsere Städte ist“, erklärte die SPD-Politikerin.

Auch Jutta Sandkühler, Sprecherin des Naturschutzbunds Berlin (Nabu) hebt die Bedeutung von Grünflächen in der Stadt im Kampf gegen den Klimawandel hervor. Grün in der Stadt sei „entscheidend“ dafür, den Folgen des Klimawandels begegnen zu können. „Grünflächen tragen zur Kühlung und zur Sauerstoffproduktion bei.“ Aber die bloße Existenz von Parks und Grünstreifen reiche nicht. Vorhandene Flächen müssten nicht nur erhalten, sondern auch naturnah gepflegt werden. Laubhaufen, Totholz und ungemähte Streifen Wiese seien Lebensräume. „Wer Artenvielfalt fördern will, darf in Parks nicht so viel aufräumen“, sagt Sandkühler.