Nazi-Vorwürfe

Auch AfD-Funktionärin auf Hitler-Wallfahrt mit Parteirichter

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Frank Schauka und Martin Debes
Die Thüringer AfD sieht sich mit neuen Nazi-Vorwürfen konfrontiert.

Die Thüringer AfD sieht sich mit neuen Nazi-Vorwürfen konfrontiert.

Foto: Christophe Gateau / dpa

An der Reise zu Lebensstationen Hitlers soll auch eine AfD-Funktionärin teilgenommen haben. Der Landesvorstand gibt sich unwissend.

Erfurt.  An einer Reise mehrerer Thüringer AfD-Parteimitglieder zu den Lebensstationen Adolf Hitlers soll eine aktive Parteifunktionärin teilgenommen haben. Nach Informationen der „Thüringer Allgemeinen“ ist sie Mitglied des Vorstandes im Kreisverband Ilmkreis-Gotha.

Vorsitzender des Kreisverbandes ist der Bundestagsabgeordnete Marcus Bühl. Auch eine seiner persönlichen Mitarbeiterinnen nahm laut Fotoaufnahmen an der Reise teil. Sie ist die Frau des ehemaligen Mitglieds des Landesschiedsgerichts, das an der Einstellung des Parteiausschlussverfahrens gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke beteiligt war und inzwischen aus der AfD ausgetreten ist.

AfD-Richter posierte mit Hakenkreuz

Höcke und sein Parteirichter kennen sich offenbar gut. Aufnahmen vom AfD-Bundesparteitag in Hannover aus dem vergangenen Jahr, die der Zeitung vorliegen, zeigen die beiden nebeneinander in den Reihen der Delegierten.

Der Parteirichter, seine Frau und die AfD-Funktionärin sollen als Teilnehmer einer etwa zehnköpfigen Gruppe im Oktober 2015 eine Reise nach Österreich und Bayern unternommen haben. In einem Fenster vor dem Geburtshaus im österreichischen Braunau am Inn zündete der Richter nach übereinstimmenden Angaben eine Kerze an. Zudem ließ er sich mit einem Buch mit Hitler-Bildnis sowie mit einer Decke mit Hakenkreuz und SS-Zeichen fotografieren. Die Fotos liegen der Zeitung vor.

War Höckes Freispruch eine Gefälligkeit?

„Die Zweifel an der Unabhängigkeit des Landesschiedsrichters werden durch das Beschäftigungsverhältnis seiner Ehefrau nicht geringer“, sagte die Landessprecherin der AfD-Gruppierung „Alternative Mitte“, (AM), Steffi Brönner. Höckes Freispruch sei nichts weiter als ein „Persilschein mit Geschmack“.

Ähnlich äußerte sich der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt, der als einer der Bundessprecher der AM amtiert. Es handele sich bei dem ehemaligen Parteirichter um einen „Gefälligkeitsgutachter“, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“.

Landesvorstand will Vorgang „intensiv prüfen“

Bühl wollte sich am Donnerstag nicht gegenüber der Zeitung äußern. Die Thüringer AfD erklärte auf Anfrage gegenüber der Zeitung, dass der Landesvorstand bisher über keine „belastbaren Informationen zum Teilnehmerkreis“ verfüge. „Wir wissen derzeit nicht, ob es tatsächlich eine Reise mit diesem Hintergrund gegeben hat und wer daran beteiligt war“, sagte Parteisprecher Torben Braga.

Der Landesvorstand will laut seinen Angaben „den Vorgang weiterhin intensiv prüfen und erforderlichenfalls die notwendigen Konsequenzen ziehen“. Mit den genannten Personen werde „unverzüglich das persönliche Gespräch“ gesucht.

„Klar ist, dass nationalsozialistisches Gedankengut oder die Verehrung Adolf Hitlers unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in der Alternative für Deutschland sind“, sagte Braga. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, werde der Landesvorstand die Personen auffordern, die Partei zu verlassen.

Regionalverband wegen angeblicher Renitenz aufgelöst

Parteiinterne Gegner von Höcke fühlen sich indes durch die neu bekannt gewordenen Informationen bestätigt. „Personen, die sich um eine Mitgliedschaft in der AfD Thüringen bemühen, werden nicht aufgenommen, sobald man befürchtet, dass sie nicht auf Höcke-Linie sind“, sagte Matthias Wohlfarth der Zeitung. Er hatte die Landespartei mitbegründet und zeitweise gemeinsam mit Höcke geführt. So sei der Kreisverband Gotha aufgelöst worden, um Kritiker zu entmachten.

Der frühere Kreisvorsitzende Carsten Günther bestätigte diesen Vorwurf. „Unser Regionalverband wurde wegen behaupteter Renitenz aufgelöst“, sagte er. „Aber wir hatten nur unsere eigene Meinung und wollten keine Partei mit starren und straffen Strukturen.“

Laut Wohlfarth hat die Fixierung auf den umstrittenen Landesvorsitzenden der Partei Schaden zugefügt. Fähiges Personal meide die Partei oder verlasse sie. „Der Höcke-Kult führt zu einem Kompetenzschwund in der Partei mit katastrophalen Folgen.“

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