Brüssel. Auch der Hackerangriff auf den Bundestag 2015 soll aus Moskau gekommen sein. Die Spannungen zwischen dem Westen und dem Kreml wachsen.

Neue Erkenntnisse über groß angelegte russische Cyberattacken in Europa verschärfen die Spannungen im Verhältnis zwischen dem Westen und Russland. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Russland am Donnerstag vor, „unverhohlen zu versuchen, internationale Gesetze und Organisationen zu untergraben“.

Stoltenberg kündigte bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister als Antwort eine Verstärkung der Cyberabwehr an. US-Verteidigungsminister James Mattis sagte, die USA würden den Bündnispartnern Cyberkrieg-Fähigkeiten zur Verfügung stellen, damit das Bündnis in diesem Bereich „gefechtsbereit“ sei.

Bei dem Nato-Treffen hatten die Niederlande über einen vereitelten russischen Hackerangriff auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag informiert. Vier schon im April festgenommene und später ausgewiesene Russen hätten versucht, sich ins Computernetz der Organisation einzuschalten, die damals auch die Giftattacke auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien untersuchte.

Beweise auf Laptops und Handys

Auf Laptops und Handys der Spione seien Beweise gefunden worden, dass weitere Cyberangriffe unter anderem auf die Untersuchung zum Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ukraine geplant gewesen sein.

Parallel berichtete die britische Regierung von neuen Erkenntnissen, nach denen der russische Militärgeheimdienst GRU „so gut wie sicher“ hinter groß angelegten Cyber­attacken auf politische Einrichtungen, Unternehmen, Medien und Sportinstitutionen stehe – und auch hinter dem Hackerangriff auf den Bundestag 2015.

Die russische Regierung wies die Vorwürfe zurück. Stoltenberg forderte dagegen, Moskau müsse „sein rücksichtsloses Verhalten sofort einstellen“.

Baut Russland ein neues Raketensystem auf?

Der Konflikt belastet die ohnehin angespannte Atmosphäre zwischen dem Westen und Russland. Die Nato-Minister stellten sich entschieden hinter Vorwürfe der USA, Russland verletze mit dem Aufbau eines neuen Raketensystems den INF-Abrüstungsvertrag. Stoltenberg sagte, nach US-Geheimdiensterkenntnissen habe Russland bereits mit der Stationierung des Mittelstrecken-Raketensystems 9M729 begonnen, dass auch mit Atomwaffen bestückt werden kann.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (M, 1. Reihe) und die Verteidigungsminister der Nato posieren für ein Gruppenfoto
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (M, 1. Reihe) und die Verteidigungsminister der Nato posieren für ein Gruppenfoto © dpa | Francisco Seco

Der INF-Vertrag von 1987 verbietet nukleare Mittelstreckenraketen. Die amerikanische Nato-Botschafterin Kay Bailey Hutchinson hatte in Brüssel gedroht, falls das Raketensystem einsatzfähig werde, würden die USA Möglichkeiten prüfen, es „auszuschalten“. Zwar dementierte Hutchinson später, sie habe einen US-Präventivschlag angedroht, doch die russische Regierung reagierte mit Protest.

Zusätzlichen Konfliktstoff bietet das Nato-Großmanöver Ende Oktober in Norwegen, dem größten seit Ende des Kalten Krieges. 45.000 Soldaten, darunter 10.000 aus Deutschland, sollen die gemeinsame Verteidigung bei einem Angriff auf Nato-Territorium üben.

Das Szenario sei „realistisch“ und „rein defensiv“ versicherte Generalsekretär Stoltenberg. Doch das Außenministerin in Moskau reagiert gereizt: Die Übung sei unverantwortlich und destabilisiere die Region, Russland werde Gegenmaßnahmen ergreifen.