Ingolstadt. In Ingolstadt hat sich ein junger Mann selbst angezündet. Ein Video soll zeigen, dass er dies aus Protest gegen Erdogan getan habe.

In Ingolstadt soll sich am Donnerstag ein Mann mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet haben. Kurdische Organisationen erklärten noch am selben Tag, dass es sich bei dem Suizid um eine Protestaktion gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die Kurdenpolitik der Türkei handelte.

Erdogan war am Donnerstag in Berlin zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland gelandet. Ein Abschiedsvideo, das der 26-Jährige vor der Tat aufgenommen hat, soll beweisen, dass es sich um eine politische Protestaktion handelte.

Die genauen Hintergründe des Suizids auf einem Feld bei Kösching sind für die Polizei indes noch unklar. Wie die zuständige Behörde in Oberbayern auf Nachfrage unserer Redaktion am Freitagmorgen bestätigte, hat sich ein 26-jähriger Mann selbst angezündet.

„Ich mache das aus Protest gegen die Freundschaft zwischen Deutschland und der Türkei“

„Von den Gerüchten um eine politisches Motiv haben wir gehört“, sagt Hans-Peter Kammerer, Sprecher der Polizei in Ingolstadt. Belastende Hinweise lägen der Polizei aber bisher nicht vor. Das Abschiedsvideo, das den 26-Jährigen zeigen soll, werde die Polizei nun in ihre Ermittlungen einbeziehen, so der Behördensprecher.

Die Aufnahme zeigt einen Mann, der offensichtlich eine Handykamera auf sich selbst gerichtet hat. In kurdischer Sprache erklärt der Mann: „Ich mache das aus Protest gegen die Freundschaft zwischen Deutschland und der Türkei. Es ist bekannt, dass dieser Hund nach Deutschland kommt. Deswegen mache ich diesen Protest. Zum einen für unseren Präsident (Anm. d. Red.: gemeint ist Abdullah Öcalan), der seit 20 Jahren im türkischen Gefängnis gefangen gehalten wird. Zum anderen – wie bereits gesagt – gegen die Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland. Wie ihr wisst, werden die türkischen Massaker an Kurden durch deutsche Waffen möglich. […] Und heute kommt Erdogan wieder nach Deutschland. Und genau deswegen führe ich diese Aktion aus. Entweder der Tod oder die Freiheit.“ Dann endet das Video.

In den 90er-Jahren häufiger Selbstverbrennungen

Die Selbstverbrennung als endgültiges Mittel des politischen Protests ist unter Unterstützern der in Deutschland und der Türkei als Terrororganisation eingestuften kurdischen Partei „PKK“ nicht unüblich. Nach Recherchen von T-Online hat es in Deutschland allerdings seit den 90er Jahren keine Selbstverbrennungen von PKK-Unterstützern mehr gegeben.

Ausgerechnet der umstrittene türkische Präsident Erdogan war es, der vor rund sieben Jahren große Hoffnungen auf eine Befriedung des Türken-Kurden-Konflikts weckte. Erdogan war damals der Überzeugung, dass sich der Konflikt nicht militärisch lösen lassen würde und setzte auf eine Entspannungspolitik.

Die Kurden in der Türkei ließen sich auf diesen Prozess ein. Sie hielten sich bei den Protesten gegen Erdogan ab dem Sommer 2013 zunächst zurück. Der Höhepunkt kurdischer Hoffnungen kam im Sommer 2015 auf, als es so schien, dass die 2012 gegründete prokurdische Partei HDP zu einer entscheidenden Kraft in der türkischen Demokratie werden könnte.

Bei der Parlamentswahl im Juni erreichte sie mehr als 13 Prozent der Stimmen. Erstmals war eine prokurdische Partei über die Zehnprozenthürde gesprungen. Das Erstarken einer kurdischen Partei in der Türkei, der gleichzeitige Zerfall der Staatsstrukturen in Syrien und im Irak, wo viele Kurden leben und ebenfalls nach Unabhängigkeit streben, schreckte Erdogan auf. Er befürchtete gemeinschaftliche Anstrengungen der Kurden für eine Staatsgründung in Ost-Anatolien und im Norden von Syrien und Irak. Angesichts dessen verkehrte Erdogan seine Kurdenpolitik ins Gegenteil und setzte ganz auf Konfrontation. Seither herrscht wieder buchstäblich Krieg zwischen dem türkischen Staat und Verfechtern der kurdischen Sache.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de.