Kerpen. Die Räumung im Hambacher Forst kommt nur langsam voran. Einsatzkräfte suchten in unterirdischen Gängen nach Aktivisten.

Die Suche nach unterirdischen Gängen und dort möglicherweise verschanzten Braunkohlegegnern hat die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst erschwert. Mit Teleskopkameras suchte die Feuerwehr am Samstag in der Baumhaus-Siedlung „Oaktown“ unter der Erde nach dort versteckten Aktivisten. Experten der Grubenwehr einstiger Zechen unterstützten die Einsatzkräfte.

Seit Beginn der Räumung am Donnerstag wurden bis Samstagnachmittag nach Angaben der Polizei zehn von rund 50 Baumhäusern geräumt und beseitigt. Die Behörden begründen die Räumung unter anderem mit fehlendem Brandschutz und fehlenden Baugenehmigungen. Die Polizei beendete nach mehreren Stunden auch die Blockade von Baggern und einem Förderband im Braunkohlekraftwerk Niederaußem in der Nähe des Hambacher Forstes.

Polizei will neue Bauten verhindern

Rund 500 Menschen folgten am Samstag einem Demonstrationsaufruf der Aktion Unterholz und wollten mit Sitzblockaden gegen die Rodung protestieren. Am Sonntag wollten die Umweltschützer hunderte junge Bäume anpflanzen.

Die Einsatzkräfte wollten bis zum Einbruch der Dunkelheit weiter räumen, sagte ein Polizeisprecher am Samstag auf Anfrage. Der Wald werde auch in der Nacht so weit wie möglich gesichert und beleuchtet. „Wir werden mit allen Mitteln verhindern, dass neue Bauten errichtet werden.“ Die Räumung werde auch am Sonntag „ohne Pause“ weitergehen.

Worum es im Streit um den Hambacher Forst geht, lesen Sie hier.

Nach Angaben der Aktivisten der Organisation „Hambi bleibt“ hatten sich zwei Personen in einem Gang unter einem Baumhaus in „Oaktown“ verschanzt. Solange unklar sei, ob dort Aktivisten versteckt seien, könne auch kein schweres Räumgerät eingesetzt werden, sagte der Sprecher der für die Räumung zuständigen Stadt Kerpen, Erhard Nimtz. Die Experten hätten die „Stollen“ geprüft und für einsturzgefährdet erklärt, sagte ein Feuerwehrsprecher.

Seit dem Morgen wurde laut Polizei auch die Räumung einer weiteren Siedlung mit dem Namen „Gallien“ vorbereitet. Mitarbeiter des Bauordnungsamtes hätten die Aktivisten mit Lautsprechern aufgefordert, die Baumhäuser binnen 30 Minuten zu verlassen. Unklar war, ob es auch im Bereich „Gallien“ unterirdische Gänge gibt.

Aktivisten hängen an einer Anlage auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem.
Aktivisten hängen an einer Anlage auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem. © dpa | Henning Kaiser

Die Räumung des Forstes belastet auch die Arbeit der sogenannten Kohlekommission in Berlin, obwohl sie offiziell kein Mandat für den Wald hat. Die Kommission, die den Ausstieg aus der Kohleverstromung beschließen soll, komme mit konkreten Ausstiegsvorschlägen gerade in Fahrt, teilte die Umweltorganisation Germanwatch mit. NRW und RWE dürften die Arbeit des Gremiums „nicht weiter gefährden, indem sie versuchen, im Hambacher Wald Fakten zu schaffen“.

Nach einem Bericht des „Spiegel“ könnte sich in der Kommission ein Kompromiss beim Ausstieg aus der Kohleverstromung abzeichnen. Demnach könnten die letzten Kohlekraftwerke zwischen 2035 und 2038 geschlossen werden.

Eine entsprechende Kompromisslinie habe Bahn-Vorstand Ronald Pofalla nach einer Reihe von Gesprächen mit den anderen Mitgliedern der Kommission erarbeitet und diese im Bundesumweltministerium sowie im Kanzleramt vorgestellt, heißt es. Das Umweltministerium bestätigte am Samstag, dass es Gespräche gegeben habe. Zu den Inhalten wollte sich eine Sprecherin aber nicht äußern.

Hambacher Forst: Kampf um die Rodung

Nordrhein-Westfalen, Kerpen: Ein Journalist war am 19. September im Hambacher Forst abgestürzt und gestorben. Seither ruhte die Räumung, jetzt soll sie weitergehen. Auch die Gegendemonstranten sind trotz Regen und Sturm wieder oder noch da.
Nordrhein-Westfalen, Kerpen: Ein Journalist war am 19. September im Hambacher Forst abgestürzt und gestorben. Seither ruhte die Räumung, jetzt soll sie weitergehen. Auch die Gegendemonstranten sind trotz Regen und Sturm wieder oder noch da. © dpa | Christophe Gateau
Sturmtief „Fabienne“ setzt auch den Demonstranten zu, sie versuchen Barrikaden gegen Räumungsfahrzeuge zu errichten.
Sturmtief „Fabienne“ setzt auch den Demonstranten zu, sie versuchen Barrikaden gegen Räumungsfahrzeuge zu errichten. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
Seit Montag, 24. September steht fest: Die Räumung geht weiter. Sie war zuvor aufgrund des tödlichen Unfalles ausgesetzt worden.
Seit Montag, 24. September steht fest: Die Räumung geht weiter. Sie war zuvor aufgrund des tödlichen Unfalles ausgesetzt worden. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
„Fabienne“ setzt den Demonstranten zu.
„Fabienne“ setzt den Demonstranten zu. © dpa | Christophe Gateau
Ein Teilnehmer spielt im Regen Klavier und protestiert friedlich sowohl gegen Rodung als auch Räumung des Forstes.
Ein Teilnehmer spielt im Regen Klavier und protestiert friedlich sowohl gegen Rodung als auch Räumung des Forstes. © dpa | Christophe Gateau
Blumen am Gedenkort für den abgestürzten und verstorbenen Journalisten. Er war am Mittwoch, 19. September von einer Baumbrücke mehrere Meter tief gestürzt und kurze Zeit später gestorben. Der Unfall war nicht während einer Räumung passiert.
Blumen am Gedenkort für den abgestürzten und verstorbenen Journalisten. Er war am Mittwoch, 19. September von einer Baumbrücke mehrere Meter tief gestürzt und kurze Zeit später gestorben. Der Unfall war nicht während einer Räumung passiert. © dpa | Henning Kaiser
Zwei Wochen zuvor: Mehrere tausend Demonstranten hatten gegen die geplante Rodung demonstriert, nachdem angekündigt worden war, dass die Baumhäuser geräumt werden sollen.
Zwei Wochen zuvor: Mehrere tausend Demonstranten hatten gegen die geplante Rodung demonstriert, nachdem angekündigt worden war, dass die Baumhäuser geräumt werden sollen. © dpa | Christophe Gateau
Bei sommerlichen Temperaturen blockierten Teilnehmer eine Landstraße.
Bei sommerlichen Temperaturen blockierten Teilnehmer eine Landstraße. © dpa | Henning Kaiser
Begleitet wurde der Demonstrationszug von Blasmusik. Die Demonstranten konnten nur über Äcker und Wege am Rande des Waldes laufen.
Begleitet wurde der Demonstrationszug von Blasmusik. Die Demonstranten konnten nur über Äcker und Wege am Rande des Waldes laufen. © dpa | Henning Kaiser
Auf einem gerodeten Teil des Forstes wollten sie neue Baumsetzlinge anpflanzen.
Auf einem gerodeten Teil des Forstes wollten sie neue Baumsetzlinge anpflanzen. © dpa | Henning Kaiser
Der Wald selbst, in dem Baumhäuser geräumt werden sollten, wurde von der Polizei abgesperrt. Einsatzkräfte seilen sich ab.
Der Wald selbst, in dem Baumhäuser geräumt werden sollten, wurde von der Polizei abgesperrt. Einsatzkräfte seilen sich ab. © dpa | Henning Kaiser
39 von den rund 50 Baumhäuser wurden inzwischen geräumt.
39 von den rund 50 Baumhäuser wurden inzwischen geräumt. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
In der Nacht zu Sonntag war es der Feuerwehr gelungen, zwei Aktivisten aus einem Tunnelsystem zu holen. Sie verließen die unterirdischen Gänge schließlich freiwillig.
In der Nacht zu Sonntag war es der Feuerwehr gelungen, zwei Aktivisten aus einem Tunnelsystem zu holen. Sie verließen die unterirdischen Gänge schließlich freiwillig. © dpa | Christophe Gateau
Die Polizei bewachte den Einsatzort.
Die Polizei bewachte den Einsatzort. © dpa | Christophe Gateau
Andere Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen.
Andere Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen. © dpa | Christophe Gateau
Am Samstag verhinderten Polizisten auf Pferden das Eindringen von Demonstranten in das „Gefahrengebiet Hambacher Forst“.
Am Samstag verhinderten Polizisten auf Pferden das Eindringen von Demonstranten in das „Gefahrengebiet Hambacher Forst“. © dpa | Henning Kaiser
Die Demonstranten versuchten immer wieder auf das Gelände zu kommen.
Die Demonstranten versuchten immer wieder auf das Gelände zu kommen. © dpa | Henning Kaiser
Rund 500 Menschen folgten am Samstag einem Demonstrationsaufruf der Aktion Unterholz und wollten gegen die Rodung protestieren.
Rund 500 Menschen folgten am Samstag einem Demonstrationsaufruf der Aktion Unterholz und wollten gegen die Rodung protestieren. © dpa | Henning Kaiser
Aktivisten hingen aus Protest an einer Anlage auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem.
Aktivisten hingen aus Protest an einer Anlage auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem. © dpa | Henning Kaiser
Zwei Spezialeinsatzkräfte der Polizei versuchen das Dach eines Baumhauses zu entfernen.
Zwei Spezialeinsatzkräfte der Polizei versuchen das Dach eines Baumhauses zu entfernen. © dpa | Christophe Gateau
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Der Konzernbetriebsrat des Lausitzer Energieunternehmens Leag reagierte auf die Nachricht und fordert Ronald Pofalla als Co-Vorsitzenden der Kohlekommission auf, das Gremium zu verlassen. In einem Statement hieß es am Samstag: „Herr Pofalla, verlassen Sie die Kommission!“

Weiter teilte der Betriebsrat mit: „Während die Kommission noch intensiv über Versorgungssicherheit, Strompreise und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strukturentwicklung diskutiert, redet er bereits über Jahreszahlen.“ Damit gebe Pofalla all denen Recht, „die von Anfang an die Sorge hatten, dass die Kommission nur eine Alibiveranstaltung für einen in Hinterzimmern ausgehandelten politischen Deal ist.“

Haseloff will keine Diskussion über Daten

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lehnt eine Diskussion über konkrete Daten für den Kohleausstieg derzeit strikt ab. „Wir sind überhaupt nicht bereit, über Ausstiegsdaten zu reden, solange nicht klar ist, wie das Gesamtkonzept aussieht“, sagte Haseloff der Deutschen Presse-Agentur.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ soll bis Jahresende eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten.

Der Energiekonzern Leag betreibt in Brandenburg und Sachsen vier Tagebaue und mehrere Braunkohlekraftwerke. Rund 8000 Mitarbeiter sind bei Leag beschäftigt. In der Lausitz liegt das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands. (dpa/sdo/jb)