Berlin. Für die Probleme in Syrien gibt es keine einfache Lösungen. Deutschland wird nun von den USA und von Russland in die Zange genommen.

Dies sind schwierige Tage für die deutsche Außenpolitik. Die Bundesregierung wird von zwei Seiten in die Zange genommen. Die USA fordern einen deutschen Militärbeitrag für den Fall eines Chemiewaffeneinsatzes durch das syrische Regime. Russland verlangt hingegen Milliarden Euro an Wiederaufbauhilfe, sollte der Bürgerkrieg eines Tages vorbei sein.

Zurzeit spitzt sich die Lage in der letzten Rebellenhochburg Idlib zu. Die von Syrien und Russland angekündigte Bodenoffensive kann jeden Moment beginnen. Damit steigt die Gefahr von Bomben-Attacken auf Städte und Dörfer sowie von Giftgasangriffen – mit unermesslichem Leid für die Zivilbevölkerung. Das Problem besteht darin, dass es keine Schwarz-Weiß-Lösungen gibt. Deutschland steckt in einem moralischen Dilemma.

Beim Vorstoß aus Washington stellt sich die Frage, ob man sich der Militäraktion eines US-Präsidenten anschließen soll, der bislang einen eher irrlichternden Kurs eingeschlagen hat. Donald Trump steht innenpolitisch extrem unter Beschuss und hat sich durch seinen permanenten Angriffsmodus isoliert.

Kein Automatismus für eine deutsche Beteiligung

Eine eventuelle Militärintervention in Syrien wäre dem heimischen Publikum besser zu verkaufen, wenn Trump eine breite Unterstützer-Front vorweisen könnte. Knapp acht Wochen vor den wichtigen Zwischenwahlen zum Kongress käme ein internationaler Schulterschluss wie gerufen.

Vor diesem Hintergrund müsste sich die Bundesregierung einen Einsatz genau überlegen. Es gibt eine weitere Schwierigkeit. Sollte es zu einem Chemiewaffenangriff kommen: Welcher Beweis läge vor, ob die Urheber syrische Regierungstruppen oder islamistische Terroristen sind? Einen Automatismus für eine deutsche Beteiligung an einer US-Militärmission darf es jedenfalls nicht geben.

Aber auch die Anfrage aus Moskau kann nicht einfach durchgewunken werden. Russland versteht sich als Schutzmacht eines Regimes, das seine Herrschaft mit einem brutalen Bombenkrieg abgesichert hat. Erst ein Land flächendeckend zerstören, um es danach durch milliardenschwere Hilfe aus dem Ausland wieder aufbauen zu lassen: Diese Formel ist zynisch. Die Bundesregierung hat zu Recht betont, dass sie finanzielle Hilfe nicht zur Stabilisierung von Assad leisten werde.

Auch Türkei will Blutbad verhindern

Der deutsche Beitrag ist an einen politischen Prozess gebunden, an dessen Ende die Syrer in freien Wahlen über ihre Zukunft entscheiden. Die Bundesregierung sollte dennoch eine militärische Beteiligung an einem internationalen Einsatz nicht von vornherein ausschließen. Allerdings nicht als Ad-hoc-Aktion, sondern im Rahmen des Grundgesetzes, des Völkerrechts und des Parlamentsbeteiligungsgesetzes.

Die Stärken der deutschen Außenpolitik liegen jedoch im diplomatischen und humanitären Bereich. Die Bundesregierung muss Druck auf Russland ausüben – und sie hat hier Hebel. Die Botschaft: Präsident Wladimir Putin kann nur mit massiver deutscher Wiederaufbauhilfe rechnen, wenn eine vernichtende Bodenoffensive in Idlib vermieden wird. Deutschland hat hier die Türkei als Bundesgenossen, die ein Blutbad ebenfalls verhindern will. Putin wiederum braucht Ankara als strategischen Partner.

Auch bei einer humanitären Notlage steht Deutschland bereit. Sollte es in Idlib zur großen Schlacht kommen, wird die Bundesregierung auf die Versorgung der Zivilbevölkerung dringen. Es ginge um die Schaffung von Korridoren, um Nahrung und Medikamente zu liefern. Der politische und humanitäre Faktor geben der deutschen Außenpolitik das stärkste Gewicht.