Brüssel. Ein internes Papier aus Finanzministerium warnt vor „Dämonisierung“ von Internetriesen wie Google und Facebook. Was folgt daraus?

Es ist eine populäre Forderung in Brüssel wie in Berlin: Weil große Internetkonzerne vor allem aus den USA wie Amazon, Google & Co. ihre Geschäfte mit fragwürdigen Tricks kleinrechnen und so in Europa kaum Steuern zahlen, sollen sie in der EU mit einer Digitalsteuer zur Kasse gebeten werden. Die EU-Kommission hat bereits einen Plan für diese Steuer vorgelegt. Doch jetzt droht sich das Vorhaben ausgerechnet wegen Bedenken der Bundesregierung zu verzögern, am Ende könnte es sogar scheitern.

In einem vertraulichen Sachstandsbericht warnt das Finanzministerium in Berlin mit Blick auf die EU-Pläne vor einer „Dämonisierung der großen Digitalunternehmen“. Bei einer stärkeren Besteuerung seien negative Folgen für deutsche Unternehmen in den USA zu befürchten, heißt es in dem Papier aus dem Leitungsstab des Ministeriums, aus dem zuerst die „Bild“-Zeitung zitierte.

Die Fachleute von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) rieten, die Gewinne sollten auch künftig dort besteuert werden, wo die Firma ihren Sitz hat – die EU-Pläne sehen dagegen vor, der Fiskus solle eine Ertragssteuer auf den Umsatz von Digitalunternehmen verhängen, auch wenn die in Europa physisch gar nicht präsent seien. Das Finanzministerium wies am Mittwoch die Darstellung zurück, die Pläne für eine Digitalsteuer würden von der Bundesregierung fallen gelassen. Das Ziel einer fairen Besteuerung von Internetkonzernen werde weiter verfolgt, es werde aber noch über das richtige Instrument beraten.

BDI: „Vorschnelle Aktion der EU“

Tatsächlich könnten sich Finanzminister Scholz und die Bundesregierung eine komplette Ablehnung einer Digitalsteuer politisch kaum leisten. Das Vorhaben hatte noch Scholz-Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) auf EU-Ebene angestoßen, die SPD hatte im Wahlkampf dafür geworben, es fand Eingang in den Koalitionsvertrag, Kanzlerin Angela Merkel steht bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Wort.

Andererseits stehen die Ministeriumsexperten mit ihren Bedenken nicht allein. In der EU ist der Vorschlag einer Digitalsteuer hoch umstritten. Während vor allem Frankreich die Pläne forciert, sperren sich bisherige Steueroasen wie Luxemburg, Malta und Irland. Die notwendige Einstimmigkeit der 28 EU-Finanzminister ist nicht in Sicht. Die Kritik aus Berlin kurz vor einem Treffen der Finanzminister in Wien stärkt nun das Lager der Skeptiker.

Die USA haben wegen der Pläne, die sich vor allem gegen amerikanische Unternehmen richten, mit Konsequenzen gedroht. Die deutsche Wirtschaft befürchtet, wenn Unternehmen nicht mehr in ihrem Heimatland, sondern nach dem Ort der Wertschöpfung besteuert würden, könne das auch deutsche Firmen schwer treffen.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) forderte Scholz auf, das Vorhaben in der EU nicht weiter zu unterstützen. Es handele sich um eine „vorschnelle Aktion der EU“, die zu einer Doppelbesteuerung der Unternehmen führe und der deutschen Industrie eher schade als nutze. Grüne und Linke kritisierten aber die neuen Töne aus dem Finanzministerium. Scholz sei der „Sensor für Gerechtigkeit“ abhanden gekommen, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Nach Berechnungen des Finanzministeriums wären die zusätzlichen Steuereinnahmen für Deutschland mit rund 600 Millionen Euro jährlich überschaubar.