Berlin. Die Lage am Tschadsee in Afrika spitzt sich zu. Immer mehr Menschen flüchten. Jetzt will die EU mit einem Millionenprogramm helfen.

Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, hat anlässlich einer internationalen Geberkonferenz zur Bekämpfung der Flüchtlingskrise in der Tschadsee-Region heute in Berlin EU-Hilfen in Höhe von 232 Millionen Euro angekündigt.

88,9 Millionen Euro davon seien für humanitäre Projekte und 143 Millionen Euro für mehr Stabilität und nachhaltige Entwicklung in der Region zwischen Kamerun, Nigeria, Tschad und Niger, sagte Stylianides unserer Redaktion. „Ich bin sehr besorgt über die humanitäre Lage in der Region des Tschadsees.“ Die Krise dort sei „eine der schwersten auf dem afrikanischen Kontinent“, sagte Stylianides.

Tschadsee-Region braucht Nahrungsmittelnothilfe

Mehr als 2,4 Millionen Menschen sind nach Angaben der EU in der Region aufgrund von Terrorismus, Armut und Klimawandel vertrieben, die Hälfte davon Kinder. „Ungefähr 3,6 Million Menschen in der Tschadsee-Region brauchen Nahrungsmittelnothilfe“, sagte Stylianides. Mehr als 500.000 Kinder seien auf Hilfe angewiesen, „um schlicht zu überleben“.

Die Bundesregierung ist am Montag und Dienstag Gastgeber für eine Konferenz zur humanitären Notlage in der Tschadsee-Region. Neben Vertretern der Anrainer-Staaten Tschad, Niger, Nigeria und Kamerun werden auch Vertreter von regionalen und UN-Organisationen erwartet.

Laut eines bisher unveröffentlichten Berichts der Kinderhilfsorganisation Plan International, der unserer Redaktion vorliegt, gab in der Region am Tschadsee jedes fünfte befragte Mädchen zwischen zehn und 19 Jahren an, im vergangenen Monat geschlagen worden zu sein. Nahezu alle jungen Frauen würden demnach berichten, keinerlei Einfluss auf ihr Leben zu haben.

Tschadsee Tummelplatz für Terrorgruppen

„Angst vor Überfällen und Entführungen durch Aufständische, sexueller und physischer Gewalt in den Straßen, aber auch im häuslichen Umfeld bestimmen ihren Alltag“, schreibt Plan International. Hinzu komme die Angst, keinen Zugang zu Bildung an Schulen zu bekommen. Viele Mädchen würden die Schule abbrechen, weil sie „verheiratet, schwanger oder vergewaltigt werden“.

Dies berichtet demnach ein 18 Jahre altes Mädchen aus Kamerun in dem Report „Heranwachsende Mädchen in der Krise: Stimmen aus der Tschadsee-Region“. Die Kinderhilfsorganisation hat für den Bericht mehrere Hundert junge Mädchen in Nigeria, Niger und Kamerun befragt.

Außenminister Heiko Maas (SPD) ist Gastgeber der Konferenz zur Notlage am Tschadsee, die am heutigen Montag im Auswärtigen Amt beginnt. Auf Nachfrage dunserer Redaktion sagte Maas: „Rund um den Tschadsee spielt sich seit Jahren nicht nur eines der größten humanitären Dramen unserer Zeit ab.“

Die Region sei auch zum Tummelplatz für terroristischen Gruppen wie Boko Haram und „Islamischer Staat“ geworden, „die auch für unsere Sicherheit in Europa eine Bedrohung sind“. (FMG)