Berlin. Volker Kauder will auch nach der Wahl am 25. September weiter Fraktionsvorsitzender Union bleiben. Doch es gibt einen Gegenkandidaten.

Volker Kauder und Ralph Brinkhaus, das war lange Zeit eine recht harmonische Zusammenarbeit an der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deren Chef Kauder machte den in den eigenen Reihen geschätzten, bundesweit aber unbekannten Finanzexperten Anfang 2014 zu einem seiner Stellvertreter. Dabei war der talentierte Brinkhaus erst 2009 ins Parlament eingezogen. Doch wie es in vielen Beziehungen so läuft, aus Vertrauen kann Entfremdung werden. So blieb Kauder zuletzt nicht verborgen, dass Brinkhaus an seinem Stuhl sägt und ihn bei der Wahl Ende September um den Fraktionsvorsitz herausfordern will. Darüber wollten die beiden noch einmal persönlich reden. Dieses Gespräch, über das zuerst die „Welt“ berichtete, fand am Montag statt.

Was Kauder irritierte: Brinkhaus wiederholte unter vier Augen seinen Anspruch nicht. Auch in einer Sitzung der mächtigen NRW-Landesgruppe schwieg der 50-jährige Brinkhaus zu seinen Ambitionen. Am Mittwoch meldete dann die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Fraktionskreise, Brinkhaus habe die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gebeten, ihn als Kandidaten für den Vorsitz vorzuschlagen.

Im Umfeld von Kauder löste dies Verwunderung aus. Dort geht man fest davon aus, dass die Kanzlerin am 25. September wie verabredet für Kauder eintreten werde. Er kam wie Merkel 2005 ins Amt, ist seitdem der wichtigste Prätorianer der Kanzlerin, die nach dem Koalitionsgipfel zum Rentenpaket am Mittwoch zu einer Afrikareise aufbrach. Der 68-jährige Kauder mit Wahlkreis im Schwarzwald will es auf eine mögliche Kampfkandidatur ankommen lassen. Der „Welt“ sagte er auf die Frage, ob er einen Gegenkandidaten bekomme: „Das mag sein. Aber ich kandidiere am 25. September in jedem Fall.“

Fast alle in der CDU-Fraktion sind von Brinkhaus’ Vorgehen überrascht

Brinkhaus, seit 2009 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Gütersloh, wird von politischen Weggefährten aus Ostwestfalen als „sehr durchsetzungsstark“ beschrieben. Bei seinen Kandidaturen vor Ort erreichte der verheiratete Steuerberater annähernd 100-prozentige Zustimmung. „Er gehört weder zum Merkel-Lager noch zu den parteiinternen Rebellen um Jens Spahn“, sagte ein Parteifreund aus Gütersloh.

Im Bundestag machte sich Brinkhaus als besonnener Finanzpolitiker einen guten Namen, zuletzt brachte er in der Fraktion die Skepsis vieler Kollegen gegenüber der Europa-Agenda von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf den Punkt. Dass Brinkhaus nun in die Offensive wolle, davon seien „bis auf ein oder zwei Abgeordnete“ alle in der Fraktion überrascht worden, hieß es. Mit dem Vorsitzenden der Gruppe, dem NRW-Abgeordneten Günter Krings, habe Brinkhaus ebenfalls nicht gesprochen.

„Die Leute wollen Ruhe“, sagte ein wichtiger CDU-Politiker. Der Zeitpunkt, um einen Aufstand gegen Merkels Vertrauten Kauder anzuzetteln, sei so kurz nach dem unionsinternen Streit um die Asylpolitik und vor den wichtigen Landtagswahlen in Hessen und Bayern schlecht gewählt.

Merkel und Laschet haben kein Interesse an Machtkampf

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der als einer der engsten Vertrauten von Merkel gilt, soll in der CDU-Landesgruppe „Ruhe und Geschlossenheit“ bei den anstehenden Fraktionswahlen angemahnt haben. Ein harter Streit um den Spitzenposten dürfte weder im Interesse der Kanzlerin noch des Ministerpräsidenten liegen. Brinkhaus aber, der auch stellvertretender CDU-Landesvorsitzender in NRW ist, könnte durch seine Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz auch seine Position in Nordrhein-Westfalen stärken. „Man muss ihn jetzt auf der Rechnung haben“, hieß es in Parteikreisen.

Sollte Brinkhaus wirklich gegen Kauder antreten, werden ihm in CDU-Kreisen durchaus Chancen eingeräumt. Kritik an Kauder gibt es reichlich. Er hake nur noch die Tagesordnung ab, verhindere Diskussionen. „Er hat sich verbraucht“, sagt ein Unionsmann. Die Kauder-Gegner suchen schon länger nach einer Alternative. Der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe, ebenfalls aus NRW, winkt ab, will keine Kampfkandidatur. Müsste Kauder seinen Platz räumen, wäre dies auch ein Signal, das den Beginn der Nach-Merkel-Ära einläuten würde. Ist es schon soweit? SPD-Chefin Andrea Nahles, die mit mageren 66 Prozent ins Amt kam, prophezeite Kauder kürzlich in einem Gespräch ein ähnliches Resultat in der Unionsfraktion.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatte es geheißen, dass Ralph Brinkhaus mit dem NRW-Abgeordneten Gunther Krichbaum gesprochen habe. Tatsächlich hat es sich um Günther Krings gehandelt. Gunther Krichbaum ist Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg.