Helge Braun: Der stille Strippenzieher im Kanzleramt
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Von Kerstin Münstermann
Berlin. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) koordiniert die Arbeit der Koalition – und bleibt gern im Hintergrund. Das gefällt nicht allen.
„Neun Tage“, antwortet Helge Braun lachend auf die Frage, ob die Sommerzeit erholsam gewesen sei. Neun Tage Urlaub habe er gehabt. Aber die hätten gereicht, um aufzutanken und seine gute Laune wiederherzustellen.
Gute Laune, Gelassenheit, Durchsetzungsvermögen – das sind die Eigenschaften, die dem Kanzleramtsminister Unterstützer und Kritiker gleichermaßen attestieren. Braun ist die Anlaufstelle für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Koordinator für die beiden Regierungsparteien Union und SPD. Bei Braun laufen die Fäden zusammen, auch in der jüngsten Koalitionsdiskussion um die Rente. Gleichzeitig ist er der Leiter der Berliner Zentrale der Macht, des Kanzleramts mit seinen rund 600 Mitarbeitern.
Helge Braun sieht sich als „ehrlicher Makler“ der Regierungsarbeit
Der CDU-Politiker versteht seine Rolle als „ehrlicher Makler“ der großen Koalition, als „Erklärer der gemeinsamen Politik“. „Wenn es sich in der Regierung verhakt, muss es irgendwo einen Vermittler geben, manchmal auch einen Schiedsrichter“, so beschreibt er es im Gespräch mit unserer Redaktion. Vom Kanzleramtsminister müssten sich die Minister aller Parteien gut behandelt fühlen, „auch die der SPD“.
Das ist das Bundeskabinett
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Dafür verzichtet Braun ganz bewusst auf die große öffentliche Show, etwa durch häufige Auftritte in Talkshows. Sein Vorgänger im Amt, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), hatte sich öfter für den Gang an die Öffentlichkeit entschieden. Die Bevölkerung wolle zwar wissen, wo sich die Parteien unterscheiden. „Aber sie will auch sehen, dass eine Regierung sauber und gut zusammenarbeitet.“ Es ist seine feste Überzeugung.
Unumstrittenes Rentenpaket ging nicht durch das Kabinett
Ärgert er sich da nicht über manche Interviewaussagen der Koalitionäre? „Ja, wenn unglückliche Äußerungen, also etwa harsche Festlegungen zu Projekten kommen, die sich in frühen Stadien befinden – da zuckt man schon zusammen und denkt sich: Oh, das wird jetzt nicht einfacher. Aber wir können darauf auch keine Rücksicht nehmen. Es gewinnt nicht immer derjenige, der sich als Erster weit hinauswagt.“ Am Ende ist dann manchmal ein klärendes Gespräch der Koalitionsspitzen vonnöten – wie etwa am Dienstagabend.
Die Koalition hat sich für den Herbst vorgenommen, Vorhaben der ein oder anderen Seite im Paket oder als „Cluster“ zu beschließen. Im Klartext: Weder Union noch SPD wollen übervorteilt werden, also pochen beide Seiten darauf, Lieblingsanliegen beider Seiten zu bündeln. Dies führt dazu, dass das eigentlich unumstrittene Rentenpaket von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nicht durch das Kabinett ging. Denn gleichzeitig soll nun noch die Senkung der Arbeitslosenversicherung kommen – und hier streiten beide Seiten noch um das Volumen der Entlastung.
Braun hat als Notfallmediziner eine Null-Fehler-Strategie
Genau an diesen Punkten muss der 45-jährige Arzt und Notfallmediziner vermitteln. Braun, in Gießen geboren, trat bereits mit 17 Jahren der Jungen Union bei. Er war parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium, danach Staatssekretär im Kanzleramt. Er koordinierte die Bund-Länder-Beziehung, wurde 2015 zum Koordinator für Flüchtlingsfragen. Seine Arbeitsweise? „Ich komme aus der Anästhesie und der Intensivmedizin. Da gibt es eine Null-Fehler-Strategie und knappe Zeitrahmen. Diese Grundarbeitsmethode legt man nicht mehr ab.“
100 Tage GroKo – Die Bilanz der Minister
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So gelte im Kanzleramt auch: Alles, was an einem Tag an Entscheidungsbedarf reinkomme, werde auch an diesem Tag bearbeitet, erklärt er die augenscheinliche Ordnung in seinem Büro im siebten Stock des Kanzleramts. „Man kann bei mir damit rechnen, dass es in 48 Stunden eine Rückmeldung gibt. In dieser Zeit braucht man sich nicht zu kümmern, aber diese Zeit muss man mir auch geben.“
Digitalisierung ist Brauns „Herzensanliegen“
Mancher stört sich an der bodenständigen Art des Hessen. Nicht jeder Fachpolitiker findet, dass Braun sein spezielles Thema genug würdigt. In einem Bereich kennt Braun sich allerdings besser aus als die meisten in der Politik: Sein „Herzensanliegen“ ist die Digitalisierung. Braun ist überzeugt, dass die digitale Umstellung der Gesellschaft über die Zukunft Deutschlands mehr entscheide als vieles andere.
Braun fordert die Auseinandersetzen mit der Digitalisierung auch von Ministern ein. Alle seien Behördenleiter, die wissen müssten, wie weit die IT-Konsolidierung in ihrem Haus ist. „Da bohrt man dicke Bretter, aber es lohnt sich“. Eine der Hauptaufgaben von Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) sei daher auch „antreiben, antreiben, antreiben“. Es ist ihm damit ernst, Leidenschaft und eine gewisse Strenge sprechen aus seinen Sätzen. Und was ist ihm persönlich wichtig in seiner Amtszeit? „Dass ich mir selbst treu bleibe.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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