Berlin/Köln. Erstmals dürfen in einem Computerspiel verfassungswidrige Symbole gezeigt werden. Die Familienministerin kritisiert die Altersfreigabe.

Im Untergeschoss der Halle 10.1 steht die Luft. Dicht an dicht schieben sich die Menschen durch die Reihen. In dieser Halle auf der Computerspielmesse Gamescom in Köln können eher unbekannte Entwickler ihre Spiele vorstellen. Der Platz ist begrenzt.

Alle wollen hier einen Blick auf das umstrittene Spiel „Through the Darkest of Times“ erhaschen, es ausprobieren. Von dem Spiel des Berliner Entwicklers Paint Bucket Games hätte vermutlich niemand je etwas gehört – wäre es nicht das erste Spiel in Deutschland, das Hakenkreuz und Hitlergruß zeigt.

Der Botschafter des Staates Israel in Deutschland ist empört, auf Twitter schreibt er: „Ich bin geschockt, dass es einer Berliner Firma erlaubt wurde, das abscheuliche und beleidigende Hakenkreuz in einem neuen Computerspiel zu benutzen. Dieses entsetzliche Symbol darf keinen Platz in Deutschland haben, besonders nicht in den Spielen der Jugend.“

Verfassungsfeindliche Symbole bisher verboten

Verfassungsfeindliche Symbole waren in Deutschland bislang nur der Kunst oder dem Film vorbehalten. Die zuständige Stelle für die Prüfung von Computerspielen in Deutschland, die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), ist verantwortlich für die Altersfreigabe des Spiels, das erstmals explizit Symbole verfassungswidriger Organisationen darstellt, was eigentlich in Deutschland nach Paragraf 86a STGB verboten ist.

Für die Spielefirmen ist die Altersfreigabe entscheidend – denn nur mit ihr, egal ob ab zwölf, 16 oder 18 Jahren, dürfen sie ein Produkt auch bewerben. In ihrer Entscheidung bezieht sich die USK auf eine neue Rechtsauffassung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde: Künftig dürfe die Ausnahmeregel für Paragraf 86, die sogenannte Sozialadäquanz, auch für Computerspiele angewendet werden.

Und das Spiel sei sozialadäquat „aufgrund der klaren Gegnerschaft zum NS-Regime“, sagte Elisabeth Secker, Geschäftsführerin der USK. Das Spiel ist ab zwölf Jahren freigegeben. Dieser neue Umgang sei ein wichtiger Schritt für die Gleichbehandlung von Computerspielen mit Medien wie Film und Kunst. Jedes Spiel mit verfassungswidrigen Symbolen unterliege einer Einzelfallprüfung.

Gewerkschaftsbund bemängelt Eilverfahren der USK

Doch inzwischen hat sich die oberste Jugendschützerin zu Wort gemeldet. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) mahnt: „Mit Hakenkreuzen spielt man nicht. Gerade in Deutschland müssen wir uns auch heute unserer besonderen historischen Verantwortung immer bewusst sein.“

Ähnlich sieht es die rechtspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Sie halte Computerspiele für ungeeignet, sich „angemessen mit dem historischen Unrecht des Nationalsozialismus“ auseinanderzusetzen. „Hier sollten wir auf diejenigen hören, die als Angehörige und Nachfahren der Opfer Kritik an der Entscheidung der USK üben.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund bemängelt das Eilverfahren der USK: „Die klammheimlich herbeigeführte Änderung während der parlamentarischen Sommerpause, ohne Befassung der Parlamente und gesellschaftlichen Gruppen, darf nicht hingenommen werden. Wir fordern die Rücknahme der USK-Entscheidung“, schreibt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Einige Jugendliche lernen Geschichtsbild aus Computerspielen

In dem Spiel geht es um die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den 1930er-Jahren in Deutschland. Eine Szene spielt auf dem Berliner Alexanderplatz, dabei ist der Spieler in der Rolle eines Beobachters, der sieht, wie ein alter Mann von einer Gruppe von Nationalsozialisten festgehalten wird.

Der Spieler muss sich entscheiden: Schreitet er ein – und wenn ja, wie? Die Nazis tragen Hakenkreuzbinden, an anderer Stelle sieht man bei einer Bücherverbrennung den Hitlergruß.

Der Gründer und Spieledesigner von Paint Bucket, Jörg Friedrich, wehrt die Kritik ab. „Das zeigt für mich ein antiquiertes Verständnis des Mediums Computerspiele.“ Friedrich führt aus, dass es Jugendliche gebe, die keine Filme mehr schauten. „Diese Jugendlichen lernen ihr Geschichtsbild nur aus Computerspielen – und in diesem Geschichtsbild soll es keine Nazis geben? Keinen Zweiten Weltkrieg, keinen Holocaust, keinen Antisemitismus? Das halte ich für viel gefährlicher.“