Harare . Simbabwe wählt einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Mnangagwa werden die größten Chancen auf einen Neustart in dem Land zugetraut.

Die ungewöhnliche Begegnung findet ausgerechnet in Borrowdale statt, dem noch immer luxuriösen Stadtteil der simbabwischen Hauptstadt Harare, in dem Robert Mugabe seinen erzwungenen Ruhestand fristet. Von seiner Villa aus könnte der 94-jährige Ex-Präsident fast verfolgen, was sich auf der Pferderennbahn abspielt. Angesichts der seltsamen Szene würde er seinen greisen Augen allerdings nicht trauen.

Auf der nur leicht verwahrlosten Rennbahn redet Mugabes einstiger Kampfgefährte und Nachfolger Emmerson Mnangagwa einem Häuflein weißer Bürger, die dem zerrütteten Land noch treu geblieben sind, gut zu: „Für uns gibt es keine schwarzen, braunen oder weißen Mitbürger mehr“, sagt der Präsident, „wir sind alle Simbabwer.“ Rund 200 weiße Händepaare klatschen Beifall, doch bei der Nationalhymne bleiben die Münder geschlossen. „Wir kennen den Text nicht so genau“, räumt eine blonde Apothekerin verlegen ein.

Der Präsident wirkte früher an fatalen Landreformen mit

Wahlkampf in Simbabwe: der erste Urnengang in der 38-jährigen Geschichte des heruntergewirtschafteten südafrikanischen Staates, bei dem der Name Robert Mugabe nicht auf dem Wahlzettel steht. Seit der greise Autokrat Ende 2017 mit einem Militärputsch aus dem Amt gejagt wurde, schmollen er und seine fast 40 Jahre jüngere Gattin Grace in ihrer Villa vor sich hin – während Mnangagwa, der Drahtzieher des Putsches, seine Macht zementiert.

Die für Montag angesetzte Präsidentenwahl soll den neuen Chef der Regierungspartei Zanu/PF auch demokratisch legitimieren. Keiner soll mehr sagen, der 75-Jährige übe das höchste Staatsamt widerrechtlich aus. Bei der Veranstaltung auf der Pferderennbahn kommt es dem „Krokodil“ genannten, einstigen Scharfmacher seiner Partei weniger auf die 200 potenziellen Stimmen an als auf den Imagegewinn, den seine noble Geste im westlichen Ausland bringen kann.

Ein Anhänger der Regierungspartei Zanu/PF hält neben einem Soldaten ein Wahlplakat hoch.
Ein Anhänger der Regierungspartei Zanu/PF hält neben einem Soldaten ein Wahlplakat hoch. © REUTERS | SIPHIWE SIBEKO

„Lasst uns die Vergangenheit vergessen und nach vorne blicken“, flötet der Politiker, der als einer der hartnäckigsten Verfechter der verheerenden Landreform galt. Mancher Weiße zeigt sich beeindruckt: „Das hört sich doch alles sehr vernünftig an“, meint ein vor zwölf Jahren von seinem Gut geworfener Farmer.

Bewegung im Oppositionslager

Mnangagwas Putsch hat zweifellos Bewegung in den Krisenstaat gebracht: In den vergangenen 20 Jahren standen sich Mugabe und Morgan Tsvangirai, Chef der oppositionellen Bewegung für demokratischen Wandel (MDC), immer wieder als böser Gewinner und armer Verlierer gegenüber. Inzwischen ist das Bild komplizierter geworden: Selbst im westlichen Ausland wird Mnangagwa als Befreier gesehen, weil er Ehefrau Grace als designierte Nachfolgerin ausschaltete.

Nun will das „Krokodil“ die Lorbeeren in Stimmen und dann in ausländische Investitionen verwandeln: „Simbabwe ist offen für Business“, sagt Mnangagwa. Das sind Töne, die westliche Gesandte in Harare gerne hören.

Auch ins Lager der Opposition ist Bewegung geraten, nachdem MDC-Chef Tsvangirai im Februar starb. Aus dem kurzen aber hart geführten Nachfolgekampf ging Nelson Chimasa – nach einer weiteren Spaltung der Oppositionspartei – als neuer Führer hervor.

Umfrage: Opposition und Regierung fast gleichauf

Außer Vornamen und Beruf teilt der Präsidentschaftskandidat auch Nelson Mandelas Vorliebe für blumige Hemden. Von der Statur der südafrikanischen Ikone ist der 40-Jährige allerdings weit entfernt. Das westliche Ausland wünscht sich deshalb erstmals seit zwanzig Jahren einen Wahlsieg der Zanu/PF. Dem „Krokodil“ wird der Wiederaufbau des ruinierten Landes eher als Chamisa zugetraut.

Sonntagmittag im Stadion der Provinzstadt Gweru: Nachdem das Umfrageinstitut „Afrobarometer“ die Oppositionspartei MDC nur noch drei Punkte hinter der Regierungspartei bei 37 Prozent liegen sieht, könnte die Stimmung auf dem Sportgelände nicht besser sein. „Chisa Chamisa!“, rufen Tausende in Rot gekleidete Oppositionsanhänger: „Feuer, Chamisa!“. Die MDC-Fans sind sich sicher, dass ihre Partei gewinnen wird. Chamisa gibt sich im Gespräch mit dieser Redaktion zuversichtlich: „Wir werden gleich im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit siegen.“

Nach drei prallen Sonnenstunden kommt die Kundgebung in Gweru ohne Zwischenfall zu einem Ende: Anders als in früheren Wahlkämpfen kann die Oppositionspartei diesmal ungehindert für sich werben. Von den mit der Regierungspartei eng verbundenen Sicherheitskräften ist kaum etwas zu sehen. Ähnliche Zurückhaltung übt der staatliche Fernsehsender ZBC nicht: Er berichtet schwärmerisch über die Wahlversprechen der Regierungspartei, während es die MDC nur knapp in die abendlichen Nachrichten schafft und auch dann nur mit einem kritischen Seitenhieb.

Ausländische Wahlbeobachter zugelassen

In der Hauptstadt Harare scheint ohnehin nur eine Partei Wahlkampf zu führen: Riesige Plakate mit dem Konterfei des „Krokodils“ hängen neben den Ausfallstraßen der Stadt oder von vielstöckigen Häusern herab. „Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes“, heißt es darauf.

Diese Wahlen würden vermutlich die „am wenigsten schlimmen“ in der jüngeren Geschichte Simbabwes, sagt ein einheimischer Journalist: Immerhin hat das Land inzwischen auch ein akzeptables Wahlgesetz. Bei der Anwendung der Regeln hapert es aber: Der Vorsitzenden der „Unabhängigen Wahlkommission“ werden engste Beziehungen zur Regierungspartei nachgesagt, rund 15 Prozent der fast 400 Beschäftigten der Behörde sind ehemalige Militärs.

Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten sind diesmal in Simbabwe ausländische Wahlbeobachter zugelassen. Der deutsche Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) steht der 140-köpfigen Beobachtermission der EU vor. Den Schiedsrichtern kommt eine wichtige Rolle zu: Sie sollen der Wahl ihr Gütesiegel verpassen. Broks Stellvertreter Mark Stevens dämpft die Erwartungen. Die Beobachter würden ihre Daumen nicht heben oder senken, sagt der Brite: „Wir werden nur einen Kommentar abgeben.“

Mugabe meldet sich doch noch einmal zu Wort

Am Sonntag hat sich der greise Ex-Machthaber Mugabe dann doch noch zu Wort gemeldet: Während einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in seiner Residenz in Harare deutet er an, dass er für Oppositionsführer Nelson Chamisa stimmen wird. „Seine Wahlkampfveranstaltungen sind gut besucht“, sagt Mugabe. „Falls er gewinnt, würde ich ihn gerne treffen.“ Und mit Blick auf die Regierungspartei Zanu/PF fügt er hinzu: „Ich kann nicht für jene stimmen, die mich schikaniert haben.“

Mugabes Worte kommen schleppend. Einmal sinkt er in seinem Stuhl ein und muss von Mitarbeitern wieder aufgerichtet werden. Er hoffe auf freie Wahlen, sagt er. Alle Parteien sollen den Ausgang akzeptieren: „Lassen wir die Stimme des Volkes entscheiden.“