Berlin. Im Alltag lassen sich viele Erscheinungen von Altersdiskriminierung beobachten. Besser als jedes Gesetz hilft dagegen Altersweisheit.

„Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“ lautet das biblische vierte Gebot. Mit der Achtung vor dem Alter, der Wertschätzung von Lebenserfahrung scheint es in einer Gesellschaft, die ihre gesamte Weisheit jederzeit abrufbar in Bytes versammelt glaubt, allerdings bergab zu gehen. Selbst so simple Übungen wie das Platzanbieten in einem vollen Bus geraten aus der Mode.

Diese Erscheinungen lassen sich noch unter den Rubriken Jugendwahn und schlechtes Benehmen verbuchen. Brisanter wird es an den Stellen, an denen Menschen aufgrund ihres Alters handfeste Benachteiligungen erfahren. Dann wird von Altersdiskriminierung gesprochen – und die ist in Deutschland wie die Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft, Religion und Weltanschauung, sexuellen Identität, des Geschlechts oder einer Behinderung per Gesetz verboten.

So weit die Theorie: In der Praxis lassen sich viele Erscheinungen beobachten, die Gesetzesverstöße nahelegen, als solche aber schwer nachweisbar sind. Wer kennt nicht in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis eine Person, die im Alter von 50 plus den Job verloren hat und nun Dutzende, wenn nicht Hunderte erfolglose Bewerbungen geschrieben hat.

„Goldener Handschlag“ ist neuer Methode gewichen

Natürlich wird keine Firma antworten, dass er oder sie zu alt und zu teuer sei. Und obwohl das gesetzliche Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben wird, werden Menschen kaum so lange beschäftigt. Der „goldene Handschlag“ ist mehr oder weniger subtilen Methoden gewichen, Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand zu verabschieden – mit Einbußen bei der Rente.

Auch sonst spielen vor allem materielle Gründe für Nachteile im Alter eine entscheidende Rolle. Versicherungsprämien steigen, Kredite oder auch nur Kreditkarten zu bekommen, wird schwieriger, periodisch wird darüber sinniert, ab einem bestimmten Alter Führerscheine einzuziehen, medizinische Leistungen zu verweigern (aus dem Blickwinkel der Versicherungen) oder entsprechende Möglichkeiten selbst an Sterbenden bis zum Exzess anzuwenden (aus Sicht der Kliniken). Die Beispiele ließen sich fortführen.

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“ lautet eine Erkenntnis der Neuzeit. Dahinter verbirgt sich nicht nur, dass irgendwann auch der fitteste Senior registrieren muss, dass es mit den physischen Kräften bergab geht, das Gedächtnis nachlässt und sich dafür die Zipperlein und ernstere Gebrechen mehren. Man muss auch akzeptieren, dass man nicht mehr alles kann, Banken und Versicherungen Angst um ihr Geld haben und Firmen Kosten senken müssen – und dafür auf unbezahlbare Erfahrungen verzichten.

Über vermeintliche Nachteile hinweglächeln

Zum Glück kommt mit dem Alter aber auch ein gewisses Maß an Gelassenheit – bei den meisten zumindest. Und vielleicht die Erkenntnis, dass eine völlige Gleichbehandlung aller Menschen zwar ein schönes, aber kaum zu verwirklichendes Ziel ist. Weil eben nicht alle Menschen gleich sind. Denn diskriminiert fühlen sich nicht nur Alte, sondern auch Jüngere, weil sie sich in ihrem Fortkommen behindert sehen, oder die mittlere Generation, weil sie für alle aufkommen muss. Den Rentnern sind die Renten zu niedrig, den Jungen die Beiträge zu hoch und so weiter und so fort. Kurz: Man kann auch diskriminiert sein wollen.

Etwas Altersmilde hilft, über tatsächliche oder vermeintliche Nachteile lächelnd hinwegzusehen und in Würde zu altern. Das schützt vermutlich mehr vor Diskriminierung als jedes noch so gut gemeinte Gesetz. Und es bleibt die Gewissheit, dass die heute Jungen auch einmal die Alten sein werden. Sie glauben es nur heute noch nicht.