Berlin. Der Bundesgerichtshof entscheidet zugunsten der Lebensversicherer: Die Branche muss stabil durch die Nachwehen der Finanzkrise.

Es gibt in Deutschland sprichwörtlich 80 Millionen Bundestrainer. Fast jeder redet gerne mit, wenn es um König Fußball geht. Weniger bekannt ist eine andere Zahl, 90 Millionen. So viele Lebensversicherungsverträge haben die Bundesbürger abgeschlossen. Nur ist diese Geschäftsbeziehung weitaus komplizierter. Mitreden fällt deshalb schwer, aufpassen ist aber wichtig. Denn kaum eine andere Geldanlage trägt so viel zur privaten Vorsorge bei wie Kapitallebensversicherungen oder private Rentenversicherungen. Wegweisende Gerichtsurteile dazu betreffen weite Teile der Gesellschaft.

Solch eine Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun getroffen. Es geht um die mit dem sperrigen Begriff Bewertungsreserve bedachten Ausschüttungen am Ende der Laufzeit der Policen. Hier hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren eine Änderung vorgenommen, die einige Versicherte viel Geld gekostet hat. Die Unternehmen dürfen diese Ausschüttung kürzen, sofern dies nötig ist, um die garantierten Leistungen aller Verträge zu sichern.

Materie ist für Laine schwer zu verstehen

Die Materie ist für den Laien kaum verständlich. Das Prinzip, nach dem die Bundesregierung 2014 vorgegangen ist, dagegen schon. Vereinfacht gesagt: Ein paar Jahrgänge von Versicherten müssen Einbußen hinnehmen, damit alle anderen auch noch sicher für ihr Alter vorsorgen können. Diese Entscheidung hat der BGH nun gebilligt und die Rechte der Mannschaft über die Interessen der Einzelspieler gestellt.

Individuell mag dies ärgerlich sein. Aber wäre etwa die Gefahr hinnehmbar, dass Lebensversicherungen die Garantien, die sie dem Versicherten gegeben haben, nicht mehr einhalten können oder sogar pleite gehen? Wohl kaum.

Niedrigzinsphase trifft Unternehmen und Kunden enorm

Die Niedrigzinsphase trifft die Unternehmen und natürlich auch die Kunden enorm. Wer vor zwanzig oder mehr Jahren eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, dem versprach die Versicherung eine hohe Überschussbeteiligung. Davon kann keine Rede mehr sein, weil die Kapitalanlagen der Versicherungen weniger abwerfen als erwartet. Schon die hohen Garantiezinsen von Altverträgen können die Anbieter nur schwer erwirtschaften. Nicht umsonst lohnt sich der Abschluss neuer Verträge kaum noch. Die Garantieleistungen derzeit gleichen nicht einmal die Teuerung aus.

Gleichwohl steckt so viel Geld der Sparer im System, dass eine Destabilisierung fatale Folgen haben könnte – für Sparer und Unternehmen. Politische Hilfe ist daher vernünftig, wenn es sein muss.

Branche stabil durch die Nachwehen der Finanzkrise bringen

Wer die Schuld an den Risiken trägt, steht auf einem anderen Blatt. Jahrzehntelang haben die Unternehmen mit großartigen Ertragsversprechen Kunden geködert. Der Garantiezins wurden selbstverständlich am oberen Ende des gesetzlichen Spielraums angesetzt. Und die Assekuranzen haben an diesem bis 2005 auch noch steuerbegünstigten Geschäft prachtvoll verdient. Hohe Provisionen und hohe Verwaltungskosten etwa sind zwei einträgliche Geldquellen. Das ging allerdings nur in normalen Zeiten auf. Für ein Defensivspiel mit Nullzins waren nicht alle Unternehmen ausreichend gerüstet.

Schuldzuweisungen für Fehler der Vergangenheit nützen allerdings wenig. Es muss darum gehen, die Branche stabil durch die kritischen Nachwehen der Finanzkrise zu bringen. Der Markt wird den Rest erledigen. Ein Lerneffekt ist sichtbar. Die aktuellen Angebote der Branche verzichten häufig auf Garantieleistungen. Nur sind diese Angebote für potenzielle Kunden nicht sonderlich interessant. Auf lange Sicht erscheint die Kapitallebensversicherung daher ein Auslaufmodell zu sein. Für die Sparer gibt es bessere Alternativen. Kurzfristig sind sie aber unverzichtbar.