Washington. Der G7-Gipfel zeigt: US-Präsident Donald Trump ist auf einem Feldzug gegen die internationale Institutionen der Streitschlichtung.

John McCain, das Urgestein der Republikaner, erkannte als einer der ersten die Tragweite des Desasters. Nachdem US-Präsident Donald Trump den G7-Gipfel in Kanada in Abwesenheit mit Wutausbrüchen auf Twitter nachträglich zum Platzen gebracht hatte, schrieb der Senator aus Arizona: „Bündnisse, die auf 70 Jahren gemeinsamer Werte basieren“, könnten nicht so einfach zerstört werden. Den in Schockstarre verfallenen Europäern versicherte McCain: „Amerikaner stehen an eurer Seite, auch wenn unser Präsident es nicht tut.“

Was war geschehen?

Nach schwierigsten Verhandlungen hatten sich die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, England, Japan, Italien, Kanada mit Trump auf eine Abschlusserklärung geeinigt. Darin verpflichteten sich die Unterzeichner zu „freiem, fairem Handel zum gegenseitigen Nutzen“ auf Basis eines „regelbasierten Welthandelssystems“, sprich: gegen jenen Protektionismus, den Trump mit seinen Strafzöllen auf Stahl und Aluminium-Exporte ins Werk gesetzt hatte.

Trump lobte bei seinen presse-öffentlichen Auftritten die Gespräche als hart, aber herzlich und bezeichnete seinen Draht zu den anderen Staats- und Regierungschefs als „hervorragend“ und von gegenseitigem Verständnis getragen. Wenige Stunden später war davon keine Rede mehr.

Trump bekommt Wutanfall über den Wolken

US-Präsident Donald Trump am Samstag beim G7-Gipfel in Charlevoix.
US-Präsident Donald Trump am Samstag beim G7-Gipfel in Charlevoix. © REUTERS | YVES HERMAN

Als Gastgeber Justin Trudeau, Kanadas Premierminister, im malerischen La Malbaie seine Gipfel-Bilanz zog, saß Trump bereits im Flugzeug in Richtung Singapur, wo morgen (Dienstag) der Atom-Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong un stattfinden soll. Als der US-Präsident davon erfuhr, dass Trudeau zum 1. Juli Vergeltungszölle gegen die USA verhängen wird („Wir Kanadier sind nett, wir sind vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumschubsen“), bekam Trump hoch über den Wolken nach Informationen von US-Medien in der Air Force One einen Wutanfall.

Er wies seine Emmissäre in Kanada an, die US-Zustimmung zum Schlussdokument des Gipfels einzukassieren und kanzelte Trudeau in Twitter-Tiraden als „sehr schwach“ und „unehrlich“ ab. Mehr noch: Trump drohte erneut im Stile eines Handelskriegers damit, Import-Strafzölle auf weitere Produkte – etwa Autos – auszudehnen, was vor allem auf Deutschland und Japan katastrophale Auswirkungen haben könnte.

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Bundesregierung bleibe bei vereinbarten Grundsätzen

Andere Gipfel-Teilnehmer, etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel, erfuhren erst am Sonntagmorgen nach der Landung in Berlin von der Kehrtwende, die in der über 40-jährigen G7-Geschichte beispiellos ist. Irritiert ließ die Bundesregierung (wie auch die EU in Brüssel) verkünden, dass man bei den in Kanada vereinbarten Grundsätzen bleibe.

Das französische Präsidialamt fügte vergrätzt hinzu, dass die internationale Zusammenarbeit nicht von „Wutanfällen“ und Twitter-Beiträgen abhängig gemacht werden dürfe. Wie es auf der Plattform der G7 weitergehen soll, weiß heute niemand.

Kritik an Terminplanung und Kooperationsbereitschaft

Bei der Rekonstruktion der turbulenten Stunden in Kanada kamen US-Kommentatoren zu der Schlussfolgerung, dass Trump den Eklat „vorher eingepreist“ haben könnte, um den „Keil“ noch tiefer in das Bündnis der westlichen Industriestaaten zu treiben.

Bereits mit seiner Terminplanung habe der Präsident Gastgeber und Kollegen/-innen bewusst düpiert. Er kam bei einer wichtigen Sitzung zum Thema Frauenförderung – sehr zum Verdruss der weiblichen Top-Vertreter, von Merkel bis zur britischen Premierministerin Theresa May – 15 Minuten zu spät und reiste fünf Stunden vor allen anderen vorzeitig ab. In der Sache, etwa beim vereinbarten Schutz der Ozeane vor Plastikmüll, zeigte Trump null Kooperationsbereitschaft.

Trump kündigte an: „Damit ist nun Schluss“

Bei den Gesprächen hinter verschlossenen Türen zum Mega-Thema Handel ließ Trump zudem erkennen, dass er kein Jota von seiner kaum von Fakten gestützten Überzeugung abweicht, wonach Amerika von nahezu allen anderen Ländern gnadenlos ausgenutzt werde. „Wir sind wie ein Sparschwein, das von allen geplündert wird“, sagte Trump bei seiner eigenen Abschluss-Pressekonferenz und kündigte an: „Damit ist nun Schluss.“ Trump ging sogar so weit, den westlichen Industrienationen eine totale Handelsblockade anzudrohen, sollten diese nicht umgehend als ungerechet empfundene Hemmnisse etwa für die US-Landwirtschaft abbauen.

Das war aber nicht der einzige Affront. Im Alleingang hatte Trump zudem erklärt, dass Russland – seit 2014 wegen der Annexion der Krim aus dem Kreis der damaligen G8 verbannt – unbedingt wieder aufzunehmen sei. Außer bei Italien traf diese Initiative komplett auf Widerspruch. Was Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu einer eigenen Attacke nutzte.

Bei Gesprächen in China charakterisierte der Kreml-Herrscher die Kritik der G7 an Moskau als „Gelaber“ und drängte einmal mehr auf ein baldiges Treffen unter Männern: Putin und Trump. Das Weiße Haus ist nicht abgeneigt. Bereits im Juli könnte es in Wien dazu kommen.