Berlin. Berlin verschiebt erneut die Einsetzung der zuständigen Kommission. Es geht um Tausende Arbeitsplätze und Milliarden-Subventionen.

Auch im zweiten Anlauf hat es die Bundesregierung nicht geschafft, eine Kommission zur Zukunft der Kohle­verstromung und der betroffenen Regionen einzusetzen. Es geht um Zehntausende Arbeitsplätze in den Braunkohletagebauen in Deutschland, um zukünftige Klimaschutzziele und möglicherweise um Milliarden Euro an Finanzhilfen, um das Ende der Kohleverstromung in den betroffenen Regionen sozialverträglich umzusetzen. „Kohlekommission“ heißt das Gremium verknappt – und genau da fängt der Streit schon an. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem brisanten Thema:

Was soll die Kommission leisten?

Die „Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ soll bis Ende 2018 ein Enddatum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland festlegen, um so die Ziele für den Klimaschutz zu erreichen. „Sie hat einen historischen Auftrag“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Interview mit dieser Redaktion. „Mir ist wichtig, dass wir den Kohleausstieg zügig einleiten, um die Klimaziele zu erreichen. Mir ist aber genauso wichtig, dass wir den Strukturwandel in den Kohleregionen hinbekommen.“

Betroffen sind die Braunkohleregionen im Rheinischen Revier in Nordrhein-Westfalen und in der Lausitz in Sachsen und Brandenburg. Deutschlandweit waren nach Angaben des Bundesverbands Braunkohle Ende 2017 noch knapp 21.000 Menschen in der Branche beschäftigt, die meisten im Rheinland (9739) und in der Lausitz (8639), deutlich weniger im mitteldeutschen Revier in Sachsen-Anhalt und Sachsen (2367). Bei der Verstromung von Braunkohle entsteht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid.

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    Warum verzögerte sich die Einsetzung der Kommission jetzt erneut?

    Ursprünglich sollte das Thema am Mittwoch im Kabinett behandelt werden, es wurde jedoch kurzfristig vertagt. Man sei sich in der Sache einig, bei der Personalliste habe aber zuvor die Zeit nicht gereicht, um alle Fragen final abzustimmen, hieß es aus Regierungskreisen. „Die Besetzung der Kommission ist sehr gut ausbalanciert. Die Verzögerung wird keinen Einfluss auf den Zeitplan haben“, sagte Schulze.

    Wer soll der Kommission angehören?

    Um die Besetzung gibt es seit Wochen Streit, die Namensliste wurde zuletzt immer größer. Als Vorsitzende der Kommission sind nun die früheren Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), vorgesehen.

    Co-Vorsitzender soll offenbar auch Bahn-Vorstand Roland Pofalla werden. Der enge Vertraute von Angela Merkel kommt aus NRW und würde somit neben Platzeck und Tillich dritter Vertreter eines Bundeslandes sein, in dem noch Braunkohle abgebaut wird.

    Weiteres geplantes Mitglied des Vorsitzes: Barbara Praetorius, Professorin für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Sie war früher Vize-Direktorin der ökologischen Denkfabrik Agora Energiewende.

    Umweltverbände hatten bemängelt, dass dem Vorsitz Kompetenz in Sachen Klimaschutz fehlen würde. Beteiligt sind über einen Staatssekretärsausschuss neben dem Wirtschaftsministerium und dem Umweltressort auch das Innen- und das Arbeitsministerium. Federführend ist das Wirtschaftsressort, dort ist die Geschäftsstelle. An den Sitzungen der Kommission sollen auch Vertreter der Bundesländer, Bundestagsabgeordnete, Verbände und Gewerkschaften wie die IG BCE teilnehmen. Kritiker befürchten, dass der Koordinationsaufwand die Arbeit erschweren wird.


    Wie sieht der Zeitplan aus?

    Die Zeitvorgaben gelten als ehrgeizig. Bereits Ende des Jahres soll der Abschlussbericht der Kommission fertig sein. Schulze: „Die Kommission wird vor den Sommerferien starten.“ Die Mitglieder sollen dazu einen Pfad für den Abschied von der Kohleverstromung abstecken und sicherstellen, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für 2030 einhält. Die Maßnahmen in Bereichen wie Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr oder Landwirtschaft sollen dann 2019 in einem Klimaschutzgesetz verbindlich festgeschrieben werden.

    Als neue Bundesumweltministerin wird Schulze Anfang Dezember im polnischen Kattowitz Deutschland erstmals bei einem UN-Klimagipfel vertreten. Berlin hatte zuletzt einräumen müssen, dass das Klimaziel 2020 nicht mehr erreicht werden könne. Bei den internationalen Verhandlungen wird nun erwartet, dass Deutschland ein konkretes Datum für den Kohleausstieg nennt.

    Was sagen Kritiker?

    Grünen und Umweltverbänden sind die Klimaschutz-Vorgaben nicht ehrgeizig genug. Die Grünen hatten gefordert, schon im Mandat der Kommission festzulegen, dass in den kommenden Jahren besonders klimaschädliche Kohlekraftwerke abgeschaltet werden müssten. Die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock wertete die Verzögerung als Zeichen politischer Schwäche: „Erst fehlt der großen Koalition der Mumm, selbst über den Kohleausstieg zu entscheiden, und sie verlagert das in eine Kommission. Und jetzt hat sie sogar Angst vor der Entscheidung über die Kohlekommission selbst.“