Peking. Bei dem China-Besuch von Angela Merkel gab es Annäherungen. Der Preis für ein gutes Verhältnis zu China darf aber nicht zu hoch werden.

Die Visite von Kanzlerin Angela Merkel in Peking ist ein komplizierter Balanceakt. In Zeiten, in denen US-Präsident Donald Trump wie ein Berserker durch die Weltpolitik fegt, internationale Abkommen kündigt und einen Handelskrieg anzettelt, sind die Europäer, ist Deutschland, auf neue Partner angewiesen.

Die internationalen Treffen in dieser Woche machen das mehr als deutlich. Während sich die deutsche Kanzlerin in Peking aufhält, trifft der französische Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit seiner Frau Brigitte in St. Petersburg mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammen. Merkel weilte erst vor einer knappen Woche in Russland. Die sich rasch ändernde Weltordnung macht eine neue Außenpolitik Europas nötig.

Beim iranischen Atomabkommen setzt Merkel auf den Partner China

Zum Beispiel mit Blick auf das Atom-Abkommen mit dem Iran: Hier setzt Berlin besonders auf China. Das Land ist der größte Abnehmer iranischen Öls. Der Iran spielt eine wichtige Rolle bei Pekings Prestige-Projekt Neue Seidenstraße. Gerade erst wurde eine neue Zugverbindung zwischen nordchinesischen Industriezentren und Teheran in Betrieb genommen.

Wenn es Merkel gelingt, von Peking finanzielle Zusagen zu bekommen, so dass der Deal aufrechterhalten werden kann, wäre das ein außenpolitischer Erfolg.

Merkel und Li bekennen sich zu Iran-Atomabkommen

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    Auch im aktuellen Handelsstreit mit den USA begegnen sich mit Deutschland und China zwei Wirtschaftsmächte mit gemeinsamen Interessen: Sie müssen drohende Milliardenverluste durch US-amerikanische Zölle abwenden. Staats- und Parteichef Xi Jinping lobte, die Beziehungen zwischen Berlin und Peking hätten eine „nie da gewesene Breite und Tiefe erreicht“. Die Aussichten seien vielversprechend.

    CDU-Menschenrechtspolitiker kritisiert Verhalten des Westens

    Warme Worte – doch wer Merkel und Xi beobachtet, stellt fest: Zuneigung und Nähe sehen anders aus. Zum Glück: Denn Deutschland darf seine Werte und seine Gesellschaftsordnung nicht verraten.

    Die Freiheit der Presse und die Wahrung der Menschenrechte spielen in China keine große Rolle. Repressionen und Zensur sind an der Tagesordnung. Die deutsche Kanzlerin stößt in Peking auf ein gewachsenes chinesisches Selbstbewusstsein. Xi hat sich sein Präsidentenamt beim letzten Parteitag quasi auf Lebenszeit gesichert. Das neue chinesische Bewertungssystem für staatsbürgerliches Verhalten lässt George Orwells düstere Zukunftsversion „1984“ fast romantisch erscheinen.

    Der Eklat um Einreiseverbote für deutsche Abgeordnete, die „peinliche“ Entschuldigung von Daimler-Chef Dieter Zetsche bei Chinas Führung wegen der Verwendung eines Zitats des Dalai-Lama oder das Zurückweichen zahlreicher europäischer Länder bei der Tibet-Frage zeigten eine „gefährliche Schwäche des Westens“, kritisiert der CDU-Menschenrechtspolitiker Michael Brand.

    Europa darf sich nicht bedingungslos China annähern

    Zu Recht. Denn einer Nachfrage nach Liu Xia etwa, der Witwe des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, wich Chinas Ministerpräsident aus. Die Bundesregierung hatte sich wiederholt für ihre Ausreise eingesetzt. Bislang ohne Erfolg. Bei der Übertragung der Pressekonferenz im chinesischen Staatsfernsehen wurde das Bild ausgeblendet, als die Frage nach Liu Xia kam.

    Deswegen müssen sich die Europäer bei allem Ärger über den amerikanischen Präsidenten Trump klarmachen, dass es kein Zurückweichen in den fundamentalen Überzeugungen geben darf: Keine Partnersuche rechtfertigt es, demokratische Standards aufzugeben. Auch wenn die einstige große Liebe USA sich gerade abwendet.