Berlin. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis. Doch für die Gefängnisse wird bislang wenig getan. Beim Umgang mit Straftätern ist viel nachzuholen.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt der Begriff „Sicherheit“ genau 171-mal vor – in allen Varianten. Es gibt die soziale, die innere, die äußere Sicherheit. Offenkundig ein Grundbedürfnis. Eines, das in Deutschland womöglich stärker ausgeprägt ist als woanders?

Eine Variation dieses Bedürfnisses ist der Umgang mit Straftätern und die Lage in den Gefängnissen. Das Thema liegt im toten Winkel der Bundespolitik: schlecht einsehbar, außerhalb der Zuständigkeit, obendrein nicht populär, als Profilierungsfeld reizlos, zweitrangig. Applausfaktor: null Komma null.

Mehr Polizisten einstellen – das Versprechen war ein Hit im Wahlkampf. Vermutlich werden Bund und Länder Wort halten und im Laufe der nächsten Jahre die in Aussicht gestellten 15.000 Stellen bei den Sicherheitsbehörden und weitere 2000 an den Gerichten schaffen. Am Ende dieser Entwicklung stehen jedoch die Gefängnisse.

Verbesserungen für Gefängnisse müssen in Fokus rücken

Man kann es nicht belegen, es ist auch nicht zwingend, aber es wäre eine logische Konsequenz der Stärkung der Polizei, dass es in der Folge auch zu größeren Ermittlungen und mehr Verurteilungen kommen wird, und dass die Welle – mit einem gewissen Nachzug – schlussendlich die Haftanstalten erreichen wird. Wenn der Infarkt droht, dann muss ein Bypass gelegt werden. Diese Operation beim Strafvollzug steht der Justizpolitik in den meisten Ländern freilich erst noch bevor.

Welche Partei wirbt dafür, mehr in die Gefängnisse zu investieren? Wer macht es zu seinem Anliegen? Wer will es genau wissen, wie es hinter Gittern aussieht? Wer hat ein Ohr für die Alarmrufe der Bediensteten? Es gibt, so viel ist sicher, dankbarere Aufgaben.

Wenn an diesem Mittwoch die Unionsfraktion in Berlin die Hauptakteure für einen „Pakt für den Rechtsstaat“ zusammenbringt, sollte sie zwingend auch über Verbesserungen für die Gefängnisse reden; ein Zusammenhang, den Fraktionschef Volker Kauder erkannt hat.

Gefängnisse müssen ausgebaut werden

Eine Möglichkeit zur Entlastung ist die Überprüfung von Sanktionen, ganz trivial fängt das mit einer anderen Einordnung von manchen Delikten an, von Schwarzfahren etwa. Viele Länder werden trotzdem nicht umhinkommen, ihre Gefängnisse auszubauen, mehr Personal einzustellen, es besser auszubilden und nicht schlechter als Polizisten zu bezahlen. Ihre Leistung für die Allgemeinheit, Belastung, Stress und Risiken sind vergleichbar.

Nicht zuletzt muss man mehr für die Gefangenen tun, für eine bessere Resozialisierung. Die Angebote sind vielfach sehr gut, allerdings nicht überall. Deutsche Haftanstalten sind auch sicherer, als es manchmal den Anschein hat. In vielen Ländern hat sich seit fünf Jahren kein einziger Ausbruch ereignet. Berlin ist nicht überall.

Ein allgemeingültiger Überforderungsindikator ist die hohe Auslastung der Gefängnisse in Flächenländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Fast unbekannt ist die Auswirkung der Flüchtlingskrise auf den Justizvollzug, allein schon wegen der Ermittlungserfolge gegen Schleuser. Gerade in den Metropolen Hamburg und Berlin hat der Anteil der ausländischen Gefangenen längst problematische Größenordnungen erreicht.

Blick muss auf Realität gelenkt werden

Beachtet man alle Faktoren, die Auslastungsquoten, den Islamismus in den Gefängnissen, die Zahl der Übergriffe auf Aufseher, den Anstieg der Selbstmorde, die Hilferufe der Bediensteten (und der Gefangenen) in den Anstalten, fallen der Befund und der politische Handlungsauftrag nicht schwer: Bund und Länder sollten den Fokus auf die Zustände in den Gefängnissen richten. Gute Politik beginnt immer mit dem Betrachten der Wirklichkeit.