Berlin. Konflikte in Syrien und der Türkei scheinen weit entfernt. Doch kommt der Konflikt immer näher und sorgt nun für Gewalt in Deutschland.

Es kam, wie es kommen musste und wovor der Verfassungsschutz seit Langem warnt. Eskalieren die Spannungen zwischen Kurden und Türken, dann wird der Konflikt auch auf deutschen Straßen ausgetragen. So war es in den 1990er-Jahren und seither nie anders, so ist es jetzt. Seitdem türkische Soldaten die syrische Kurden-Hochburg Afrin einkesseln, werden in Berlin, Stuttgart, Köln oder im Sauerland Moscheen beschmiert, Kulturzentren angegriffen und Läden verwüstet. Es gibt offensichtlich einen Zusammenhang.

Die Sicherheitsbehörden sind gewarnt, sie können die Eskalation jedoch nicht eindämmen, geschweige denn abstellen. Dafür ist die Zahl der in Deutschland lebenden Türken und Kurden zu groß und ihre Radikalisierung nur schwer zu bändigen. Die kurdische PKK ist mit 14.000 Mitgliedern die stärkste extremistische Ausländerorganisation in Deutschland.

Konflikt sagt einiges über Integration aus

Wo die Mehrheit der Türken steht, weiß man seit der Wahl: Die stärksten Anhänger hat Präsident Erdogan unter Deutschtürken. Was sich hierzulande abspielt, ist ein importierter Streit. Nebenbei gesagt: Es ist ein unguter Befund über den Stand der Integration, wenn die Emotionen wegen ferner Nationalkonflikte derart hochkochen.

Selbstverständlich müssen die Sicherheitsbehörden die Türken schützen; ebenso außer Frage steht, dass Gewalt inakzeptabel ist. Man kann sich viele politisch korrekte Sätze einfallen lassen – ungesagt bleibt meist, dass Gewalt eine Erfolg versprechende Methode der Kurden ist, um auf sich aufmerksam zu machen, zum Beispiel auf die Vertreibung von mehr als 100.000 Zivilisten in Syrien.

Chaos und Plünderungen in Afrin

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    Der Zweck von Terror ist Aufsehen, letzthin Kommunikation. Mit der Methode waren schon die Palästinenser nicht erfolglos. Ihr späterer Präsident und Friedensnobelpreisträger Yassir Arafat war ein Terrorist. Wer Freiheitskämpfer und wer Terrorist ist, entscheidet die Geschichte; zumeist wird sie von den Siegern geschrieben.

    Westen rüstete die Kurden auf

    Es ist offen, wer das im Kurden-Konflikt sein wird. Klar ist: Die Kurden, mindestens 20 Millionen Menschen, sind ein Volk ohne Land, beheimatet in mindestens fünf Ländern, im Irak, Iran, Syrien, Armenien, am stärksten in der Türkei. In Syrien fragt man sich, wie das Regime Assad verfahren wird, sollte es den Krieg gegen die Rebellen gewinnen. Wird es dann die Kurden noch brauchen? Im Irak war auch das Verhältnis des Westens zu den Kurden nutzwertorientiert.

    Solange der „Islamische Staat“ (IS) eine Gefahr war, wurden die Kurden sogar bewaffnet. Seit der IS zerschlagen ist, braucht man sie nicht zwingend. So könnte sich der militärische Erfolg gegen den IS für die Kurden politisch als ein Pyrrhussieg erweisen.

    Erdogan ist Teil des Problems

    Historisch haben Frankreich und Großbritannien Schuld auf sich geladen, als sie das Osmanische Reich nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Reißbrett neu aufgeteilt haben, ohne Rücksicht auf ethnische, kulturelle Grenzen und damit ohne Rücksicht auf die Kurden zu nehmen.

    Heute liegt die Lösung des Konflikts in erster Linie in der Türkei, die in der Vergangenheit mal mehr und mal weniger sensibel mit Minderheiten umgegangen ist. Präsident Erdogan ist bedauerlicherweise nicht Teil der Lösung, sondern des Problems.

    Gleichwohl muss die Bundesregierung bei ihm eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten anmahnen. Groß ist ihr Einfluss nicht. Er reichte gerade mal aus, einige in der Türkei inhaftierte Aktivisten und Journalisten freizubekommen. Die Nato könnte schon eher eine Rolle spielen und die Türkei beeinflussen. Allzu viel darf man auch von ihr nicht erwarten. Der Konflikt hat etwas Trostloses. Er wird Deutschland noch jahrelang in Atem halten.