Brüssel . Das EU-Budget eignet sich nicht als Disziplinierungsinstrument im politischen Streit. Das würde nur das Klima in der EU vergiften.

Das kann noch spannend werden in Brüssel. Der Gipfel der Regierungschefs hat am Freitag einen Vorgeschmack geliefert auf den Verteilungskampf, der jetzt bei den Verhandlungen über den Finanzrahmen der EU im kommenden Jahrzehnt bevorsteht. Um das Budget wurde immer schon erbittert gerungen, doch diesmal ist die Herausforderung ungewöhnlich groß: Durch den Austritt des zweitgrößten Nettozahlers Großbritannien fehlen in der Gemeinschaftskasse knapp ein Zehntel der bisherigen Einnahmen – bis zu 14 Milliarden Euro jährlich. Gleichzeitig hat sich die EU neue Schwerpunkte wie den Grenzschutz, die Verteidigung oder mehr Forschung vorgenommen, deren Notwendigkeit unumstritten ist, die aber eben auch viele Milliarden kosten.

Auch wenn es nicht populär ist: Die verbleibenden 27 EU-Mitglieder werden unter diesen Bedingungen insgesamt mehr Geld nach Brüssel überweisen müssen. Dass die Bundesregierung ihre Bereitschaft dazu ungewöhnlich früh erklärt hat, stößt in Deutschland teilweise und bei den zahlungsunwilligen Nachbarn Österreich und Niederlande vollständig auf Unverständnis. Richtig war es trotzdem, weil es den drohenden Verteilungskonflikt ein wenig entschärft. Berlin täte allerdings gut daran, das Angebot deutlicher an Bedingungen zu knüpfen: Höhere Beiträge kommen nur in Frage, wenn die EU auch ihre Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft hat.

Bei Agrarförderung und Strukturfonds viel Potenzial für Einsparungen

Dass der deutsche Haushaltskommissar Oettinger und die Kommission da schon entschlossen genug sind, muss bezweifelt werden. Vorhaben wie ein europäisches Grenzschutz-Korps werden mit Begeisterung ins Schaufenster gestellt, um die Budgeterhöhung zu rechtfertigen – doch der Wille, Ausgabeprogramme zu überprüfen und zu kürzen, ist weit weniger stark ausgeprägt. Dabei gäbe es bei der Agrarförderung und den Strukturfonds viel Potenzial für Einsparungen; vieles, was Brüssel da subventioniert, ist eigentlich Sache der nationalen Regierungen.

Gut möglich, dass Oettinger am Ende trotzdem als großer Verlierer dasteht: Er ordnet alles seinem Ziel unter, den Finanzrahmen für das nächste Jahrzehnt noch in seiner 2019 endenden Amtszeit – de facto also vor der Europawahl in 15 Monaten - unter Dach und Fach zu bringen; diesen Gefallen werden die Regierungschefs ihm aber kaum tun. Etwas mehr Konfliktbereitschaft könnte Oettinger also an den Tag legen.

Fördermittelkürzungen vergiften das Klima in der EU

Von einer Idee sollten er und die Kommission indes besser die Finger lassen, auch gegen den Wunsch von Kanzlerin Merkel: Das EU-Budget eignet sich nicht als Disziplinierungsinstrument im politischen Streit. Wer mit Fördermittelkürzungen etwa die Bürger Polens oder Ungarns dafür bestrafen will, dass ihre Regierungen auf Abwege geraten, vergiftet das Klima in der EU. Eine faire Lastenverteilung in der Flüchtlingspolitik muss auf anderem Weg herstellbar sein - gern auch mit finanziellen Anreizen für Regionen, die viele Flüchtlinge aufnehmen.

Viel spricht dafür, dass die Drohkulisse möglicher Strafkürzungen im nächsten Jahrzehnt jetzt nur aufgebaut wird, um die Regierungen in Warschau oder Budapest zum Einlenken in aktuellen Auseinandersetzungen zu zwingen. Doch diese Rhetorik vertieft, gewollt oder ungewollt, die sich ohnehin abzeichnende Ost-West-Spaltung in Europa. Klüger wäre es, die richtigen Lehren für künftige Erweiterungen zu ziehen: Es bleibt ein Brüsseler Geheimnis, warum jetzt auch noch den instabilen Ländern des Westbalkan die baldige EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wird, während die Union noch derart verzweifelt mit den Folgen der letzten Erweiterung kämpft.