Berlin. Östereichs junger Kanzler Sebastian Kurz ist zu Besuch im Kanzleramt. Der 31-Jährige präsentiert sich als Gegenentwurf zu Merkel.

Also, jung sei er ja, der Herr Bundeskanzler, sagt die Frau Bundeskanzlerin. Das sei nicht zu bestreiten. Dann macht sie eine Pause. Zu den anderen Attributen, mit denen Sebastian Kurz, der neue Kollege aus Österreich, allgemein bedacht wird – forsch und dynamisch – und nach denen Angela Merkel in diesem Moment von einer Journalistin gefragt wird, schweigt sie.

Aber Kurz hat die Antwort da schon selbst gegeben: Er glaube nicht, dass er forsch sei, sagt er – ehe er von Merkel unterbrochen wird. Ziemlich resolut weist sie ihn darauf hin, dass die Frage an sie gerichtet gewesen ist, weshalb sie zuerst antworten werde.

Hart in der Sache – und im Ton

So ungefähr dürften dann auch die gut eineinhalb Stunden verlaufen sein, die beide Kanzler vor der Pressekonferenz miteinander verbracht haben: Hart in der Sache und zuweilen auch hart im Ton, insgesamt aber freundlich und deshalb auch eine halbe Stunde länger als geplant. Aber so leicht, wie Kurz sich das vorstellt, das macht Merkel vor den Kameras klar, lässt sie sich die Butter noch nicht vom Brot nehmen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Nicht von einem 31-Jährigen, der zwar seit einem Monat Bundeskanzler von Österreich ist, der aber auch ihr Sohn sein könnte. Merkel, mit 63 Jahren mehr als doppelt so alt, ist seit zwölf Jahren Kanzlerin, und das ist auch mehr als 144-mal so lange wie Kurz. Sie ist die dienstälteste Regierungschefin Europas und schon mit ganz anderen fertig geworden.

Viel Stoff für einen ersten Besuch

Frei von Spannungen ist er also nicht, dieser Antrittsbesuch des südlichen Nachbarn. Denn es schwebt mehr als nur die Generationenfrage in der Luft. Kurz hat in Österreich gezeigt, wie man eine angestaubte konservative Volkspartei auf Vordermann bringen kann. Er hat auch gezeigt, dass man mit Rechtspopulisten wie der FPÖ koalieren kann, um eine große Koalition zu vermeiden. Und er steht für eine harte Haltung in der Flüchtlingspolitik.

Viel Stoff ist das für einen ersten Besuch. Auch die Pkw-Maut kam dabei auf den Tisch: Erst habe Österreich den Deutschen gezeigt, wie man so eine Maut erhebe und nun klage der Nachbar dagegen, sagt Merkel. Das habe sie schon erstaunt. Da kann Kurz nur lächeln, so schnell haut sie ihm das um die Ohren. Sie mag zwar nur geschäftsführend im Amt sein und ringt seit Monaten um die Bildung einer Regierung. Aber es ist noch immer ihr Kanzleramt, in dem sie ihn empfängt.

Kurz zeigt Härte in der Flüchtlingspolitik

 Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. © dpa | Michael Kappeler

Nach seiner Wahl im vergangenen Oktober hat sich Kurz zuerst bei der EU-Kommission in Brüssel vorgestellt, um die europafreundliche Gesinnung seiner Koalition zu demonstrieren. Dann war er in Paris beim anderen Jungstar der europäischen Politik, bei Emmanuel Macron. Nun also Berlin bei der „verehrten Frau Bundeskanzlerin“. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen“ hat Kurz vor seinem Besuch noch einmal seine Positionen dargelegt, vor allem in der Flüchtlingspolitik.

„Wir entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht die Schlepper“, erklärt er da. Merkel macht sich diesen Satz am Mittwoch zu eigen, sie wiederholt ihn gleich mehrfach. Es soll eine freundliche Geste sein. Sie fügt dann aber noch hinzu, dass das Flüchtlingsproblem nicht gelöst sei, wenn man die europäischen Grenzen schließe. Die Flüchtlinge müssten in Europa gleichmäßig verteilt werden. Einige Staaten könnten sich nicht aus der Verantwortung ziehen.

Engere Zusammenarbeit vereinbart

Kurz machte wiederum klar, dass er in der Europapolitik mit Deutschland „an einem Strang ziehen“ wolle. Aber irgendwie scheinen er und Merkel das richtige Ende noch nicht gefunden zu haben. Jedenfalls will der Österreicher weniger Europa, die Europäische
Union solle sich auf wichtige Kernaufgaben wie die Sicherheits-, Verteidigungs- und Währungspolitik beschränken.

Wien will auch weniger Geld in den EU-Haushalt einzahlen. Die Deutsche dagegen ist dabei, eine Koalition einzugehen, die für mehr Europa kämpfen und deutlich mehr Geld nach Brüssel überweisen will. Einzig in der Sicherung des Euro sind sie sich nah und wollen eine strenge Einhaltung der Regeln durchsetzen. Vor diesem Hintergrund vereinbarten Kurz und Merkel, enger zusammenzuarbeiten, gerade in der Europapolitik.

Kurz will Merkels hartnäckigsten Kritiker treffen

Wie fremd sich beide sind, zeigt auch die Auswahl des Koalitionspartners. Nie würde Merkel mit der AfD koalieren, auch die FPÖ ist ihr suspekt. Sie wolle die Regierung in Wien an ihren Taten messen, sagte die Kanzlerin. Aber sie werde genau hinschauen.

Die Frage nach der Vorbildfunktion des Jungstars aus Österreich für Deutschland und die CDU hat Merkel übrigens so beantwortet: „Ich bin dafür, dass wir eine gute Mischung aus allem haben“, sagt sie. Man solle in der Partei alle Gruppen der Gesellschaft mitnehmen. „So wird die CDU, deren Vorsitzende ich bin, weiterarbeiten.“ Viele in ihrer Partei mögen da ein Wort einfügen: Noch ist sie Vorsitzende der CDU. Am Abend wollte sich Kurz mit Jens Spahn treffen, Merkels hartnäckigstem Kritiker. Spahn ist 37 Jahre alt.