Berlin. Das Jahr 2017 markiert die Rückkehr zur Normalität. Aber: Die Flüchtlingskrise von 2015 wird Deutschland noch jahrelang herausfordern.

Die Regierung wird hoffentlich nicht erwarten, dass alle mit Konfetti werfen. Es ist löblich, dass sie die Hauptprobleme der Flüchtlingskrise in den Griff bekommen hat, wie Innenminister Thomas de Maizière (CDU) es ausdrückt. Aber bewältigt wurde eine Belastung, die sie teils selbst verursacht hat. Am Syrien-Krieg, an den Fluchtbewegungen war sie schuldlos. Aber sie hat durch eine Politik der offenen Grenzen den Strom verstärkt und kanalisiert.

2017 markiert die Rückkehr zur Normalität. 187.000 Asylsuchende entsprechen der Zuwanderung im letzten „normalen“ Jahr 2014. Damals waren es 200.000, bevor 2015 der große Treck einsetzte. Die 1,2 Millionen Geflüchtete, die danach kamen und Aufnahme fanden, stehen für eine großherzige Leistung, die politisch nicht zu Ende gedacht war. Humanität entzieht sich einer Kosten-Nutzen-Rechnung.

Die „Obergrenze“ der CSU ist ein doppelter Erfahrungswert

Die Menschen kommen weiterhin aus Syrien, darüber hinaus aus Irak, Afghanistan, Eritrea, der Türkei, Iran, Nigeria, aus Regionen, wo man die Fluchtgründe verstehen kann. 185.000 sind eine Marke, die für unsere Volkswirtschaft zu bewältigen ist, ohne die politischen Verwerfungen zu erhöhen.

Womit wir bei der „Obergrenze“ sind. Die 200.000 sind keine gegriffene Zahl der CSU. Sie sind ein doppelter Erfahrungswert. Zum einen entsprach sie eben dem Niveau vor der Krise, zum anderen annähernd der deutschen Verpflichtung in der EU. Wenn die Flüchtlinge 2015 nach dem etablierten Schlüssel auf die Mitgliedsstaaten verteilt worden wären, hätten wir ungefähr 200.000 Geflüchtete aufgenommen. Nicht mehr. Hinter der „Obergrenze“ steht der Wunsch, dass sich eine Krise wie 2015 nicht wiederholen möge.

Die schwierigste Aufgabe ist die Integration der Geflüchteten

De Maizière sagt, es bleibe viel zu tun. Das ist eine Untertreibung. Die anspruchsvollste und teuerste Aufgabe war nicht die Aufnahme, sondern ist die Integration der Geflüchteten. Die Folgen der Flüchtlingskrise werden uns über Jahre beschäftigen und neben hohen Kosten viel abverlangen, juristisch, sozial, kulturell. Die Asylpraxis in Deutschland ist teils naiv, etwa der gewaltige Aufwand zur Feststellung der Identität von Flüchtlingen oder die skrupelbehaftete Debatte darüber, wie man die Altersangaben von minderjährigen Flüchtlingen überprüfen soll.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag in Berlin.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag in Berlin. © dpa | Michael Kappeler

In der Asylpolitik gibt es wenige unumstößliche Wahrheiten, aber viele Zielkonflikte. Ein Beispiel ist die Familienzusammenführung. Mit ihr steigt die Zuwanderung. Gleichzeitig würde sie bei der Integration helfen. Mit Abschiebungen – noch ein Zielkonflikt – wird man die Zuwanderung nicht zurückdrängen können. Erfolgversprechender sind Rückkehrprämien. Allerdings setzt man damit auch Anreize. Leute, die politisch verfolgt oder vom Tode bedroht waren, will man gegen Geld dazu verlocken, das Risiko Rückkehr auf sich zu nehmen. Das verbietet sich.

Je besser es Menschen geht, desto eher können sie sich die Flucht leisten

Umgekehrt: Wenn die Menschen nicht politisch verfolgt wurden, sondern Armutsflüchtlinge sind, darf man den Asylmissbrauch honorieren? Mit solchen Widersprüchen muss man politisch umgehen. Nebenbei gesagt, sind sie ein guter Grund für eine Fortführung der großen Koalition; zur Geltung käme das Verursacherprinzip.

Die Syrien-Krise ist ungelöst, und allein die Bevölkerung Afrikas wächst jährlich um 30 Millionen Menschen. Die Beteuerung der Bundesregierung, die Fluchtursachen zu bekämpfen, dient in erster Linie der Beruhigung der Bevölkerung. In Wahrheit werden wir kaum mit der Dynamik der Entwicklung Schritt halten können.

Je besser es den Menschen wirtschaftlich geht, desto mehr werden sich obendrein die Reise nach Europa leisten können. Allerdings, Minister de Maizière, es bleibt viel zu tun. Die Asylpolitik ist eine Sisyphusaufgabe.