Berlin. Kein höherer Spitzensteuersatz, keine Bürgerversicherung, aber die SPD setzt sich bei der Rente durch. Eckpunkte für den GroKo-Vertrag.

Eigentlich sollten es nur acht Seiten werden, am Ende sind es nun 28 Seiten eng bedrucktes Papier geworden: In einer Detailtiefe, wie sie die Jamaika-Verhandler nie erreicht haben, listen Union und SPD auf, was in einem Vertrag für eine große Koalition stehen könnte. Von der psychosozialen Hilfe für traumatisierte Kinder bis zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte findet sich dort fast alles. Das Wichtigste:

• Rente

Aktuell beträgt die Durchschnittsrente 48 Prozent des Durchschnittslohns. Dieses „Rentenniveau“, das ohnehin bis zum Jahr 2024 stabil geblieben wäre, wollen Union und SPD per Gesetz bis 2025 festschreiben. Eine Kommission soll beraten, was danach passiert. Selbstständige sollen für das Alter vorsorgen müssen – entweder in der gesetzlichen Rentenversicherung oder so, dass das Geld sicher angelegt ist.

Wer 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, soll im Alter nicht zum Amt gehen müssen, sondern mindestens zehn Prozent mehr bekommen als die Grundsicherung. Die „Grundrente“ ist das, was die SPD als „Solidarrente“ gefordert und die Union noch früher als „Lebensleistungsrente“ angedacht hatte. Wer sie haben will, muss nachweisen, dass er sie braucht.

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    Die Mütterrente wird aufgestockt: Wer vor 1992 Kinder bekommen hat, dem rechnet die Rentenversicherung pro Kind ein drittes Jahr Erziehungszeit an (rund 30 Euro pro Kind pro Monat). Der Unterschied zu den zwei anderen Jahren Mütterrente: Das dritte Jahr gilt nur für mindestens drei Kinder.

    • Gesundheit

    Die Bürgerversicherung kommt nicht. Das Thema taucht auf den 28 Seiten nicht auf, auch von einer gleichen Behandlung von Privat- und Kassenpatienten ist nirgends die Rede. Dafür zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber künftig die Hälfte des Krankenkassenbeitrags (14,6 Prozent). Jeder Arbeitnehmer spart so 0,5 Prozent vom Bruttolohn – das können bis zu 260 Euro pro Jahr sein. Zusatzbeiträge gibt es nicht mehr.

    • Pflege

    Die Arbeitsbedingungen in Heimen und Krankenhäusern sollen besser werden: Das Pflegepersonal soll mehr Geld bekommen und möglichst nach Tarifvertrag bezahlt werden. In Pflegeeinrichtungen soll es 8000 neue Stellen für examinierte Pflegekräfte geben. Damit nachts und auch sonst genügend Pfleger da sind, sollen für Kliniken und Heime Mindestgrenzen für die Personalausstattung gelten. Kinder pflegebedürftiger Eltern müssen sich an den Kosten der Pflege erst ab 100.000 Euro Jahreseinkommen beteiligen.

    • Arbeit

    Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent vom Bruttolohn sinken. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen unter 40 Prozent vom Bruttolohn bleiben. Langzeitarbeitslose sollen intensiver fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden, 150.000 sollen staatlich bezuschusste Jobs bekommen. Das Gesetz, in dem Leiharbeit geregelt ist, wird nicht abgeschafft, aber nächstes Jahr überprüft. Auch die Höhe des Vermögens, das Hartz-IV-Empfänger behalten dürfen, wird auf Änderungen überprüft.

    Vor dem Willy-Brandt-Haus warteten die Journalisten in der Nacht auf Neuigkeiten von den Sondierern.
    Vor dem Willy-Brandt-Haus warteten die Journalisten in der Nacht auf Neuigkeiten von den Sondierern. © dpa | Kay Nietfeld

    Arbeitnehmer sollen das Recht bekommen, für ein bis fünf Jahre in Teilzeit zu arbeiten. Gelten soll dies für Firmen mit mehr als 200 Angestellten und unter bestimmten Bedingungen auch für Firmen mit 45 bis 200 Mitarbeitern. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen mehr Spielraum bei der Arbeitszeit bekommen, wenn sie dies in Tarifverträgen gemeinsam vereinbaren.

    • Steuern und Finanzen

    Die SPD wollte die Steuern für Gutverdiener erhöhen, das hat die Union verhindert. Steuersenkungen auf breiter Front gibt es aber auch nicht. Die Entlastung beschränkt sich auf den Soli, der am Ende der Wahlperiode zur Hälfte abgeschafft werden soll, aber nicht für alle. Das könnte im Jahr 2021 auf einen Schlag geschehen oder in zwei Schritten 2020 oder 2021. Konkret können Arbeitnehmer mit weniger als 60.000 Euro Jahresverdienst darauf hoffen, keinen Soli mehr zu zahlen.

    Für höhere Einkommen gibt es keinen Cent Entlastung. Sie zahlen den Soli wie bisher. Wer Einkommen aus Zinsen hat, zahlt sogar mehr Steuern als bisher: Die Abgeltungssteuer, mit der Zinserträge pauschal mit 25 Prozent besteuert werden, soll wegfallen. Für Zinserträge gilt dann die Einkommensteuer.

    Die Bundesregierung, die ihren Haushalt 2017 zum vierten Mal in Folge mit einem Plus abschloss, will weiter ohne neue Schulden auskommen.

    • Familien

    Das Kindergeld steigt zum 1. Juli 2019 um zehn Euro und zum 1. Januar 2021 um weitere um 25 Euro pro Monat. Es soll einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in Grundschulen geben. Kinderarmut wollen Union und SPD gezielter bekämpfen, dafür wollen sie unter anderem den Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien erhöhen. Kinder aus diesen Familien sollen in Kitas und Schulen kostenloses Mittagessen bekommen, der Eigenanteil der Eltern fällt weg.

    • Zuwanderung und Integration

    Das Grundrecht auf Asyl bleibt unverändert. Die von der CSU geforderte „Obergrenze“ gibt es nicht. Stattdessen stellen Union und SPD fest, „dass die Zuwanderungszahlen die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden“. Das sei aufgrund der „Erfahrungen der letzten 20 Jahre“ und wegen der künftigen Steuerung der Zuwanderung zu erwarten. Pro Monat sollen bis zu 1000 Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ihre Familie nach Deutschland holen können, wenn sie schon vor der Flucht verheiratet waren und keine Straftäter sind.

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      Asylverfahren sollen schneller und in zentralen Einrichtungen stattfinden. Flüchtlinge müssen dort wohnen und bekommen nur Sachleistungen. Ein neues Einwanderungsrecht soll unter anderem den Zuzug von ausländischen Fachkräften regeln. Fluchtursachen sollen unter anderem mit „fairen Handelsabkommen“ bekämpft werden. Länder und Kommunen bekommen weiterhin Geld für Integration.

      • Wohnen

      In den nächsten Jahren sollen 15 Millionen Wohnungen neu gebaut werden. Dafür soll es steuerliche Anreize geben. Bauern sollen Anreize bekommen, Bauland zu verkaufen. Die Mietpreisbremse soll überprüft und bessere Mietspiegel eingeführt werden.

      • Bildung und Digitales

      Das Grundgesetz soll so geändert werden, dass der Bund den Ländern und Kommunen bei Sanierung von Schulen und bei der Finanzierung von Betreuungsangeboten noch mehr helfen kann. Die Hoheit der Kulturpolitik bleibt aber bei den Ländern.

      • Bildung und Digitales

      Die Bundesregierung soll dafür kämpfen, dass es in Europa einheitliche Sozialstandards und einheitliche Grundlagen für Firmensteuern gibt.

      • Demokratie

      Die Kanzlerin soll sich drei Mal im Jahr den Fragen des Bundestags stellen.