Berlin. Deutschland könnte sich dem europäischen Standard beim Familiennachzug von Schutzbedürftigen anpassen. Doch wie sieht das konkret aus?

Bei den Sondierungsgesprächen von Union und SPD über eine Regierungskoalition wird es wohl auch um den Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus gehen. Ein gemeinsamer Weg zeichnet sich bisher nicht ab.

Der Familiennachzug für diese Flüchtlinge soll laut CDU/CSU ausgesetzt bleiben – die SPD will ihn wieder ermöglichen. Der CDU-Innenexperte Ansgar Heveling forderte jüngst, Deutschland solle zum restriktiveren europäischen Standard zurückkehren. Doch wie sieht er aus, ein solcher Standard?

• In den Niederlanden können auch Flüchtlinge mit vorläufigem Asylstatus ihre direkten Angehörigen nachkommen lassen. Der Antrag auf Familiennachzug muss innerhalb von drei Monaten nach Erteilung der befristeten Aufenthaltsgenehmigung gestellt werden. Der Flüchtling muss darüber hinaus nachweisen, dass er mit den entsprechenden Personen bereits vor der Flucht als Familie zusammengelebt hat. Nachreisen können ein Lebenspartner sowie Kinder bis 25 Jahre. Die Angehörigen müssen dieselbe Nationalität wie der Flüchtling haben.

• In Österreich können Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach drei Jahren einen Antrag auf Einreise zur Familienzusammenführung stellen. Die Angehörigen müssen eine adäquate Unterkunft, eine Krankenversicherung und ein ausreichendes Einkommen nachweisen. Ausgenommen davon sind Eltern von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die nicht den vollen Schutzstatus besitzen – diese dürfen ihre Eltern nachholen.

• In Frankreich können Menschen mit subsidiärem Schutz ebenfalls einen Nachzug beantragen. Nachkommen können der Ehepartner, eingetragene Partner oder der Lebensgefährte und Kinder, die ledig und höchstens 19 Jahre alt sind. Angehörige, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, sind ausgeschlossen. Zudem muss der Antragsteller sich an die „wesentlichen Prinzipien“ des Familienlebens in Frankreich halten.

• In der Schweiz können vorläufig Aufgenommene frühestens nach drei Jahren einen Antrag stellen, um Ehepartner und minderjährige Kinder nachzuholen. Voraussetzung ist aber, dass sie nicht von der Sozialhilfe leben.

• In Spanien werden subsidiär Schutzberechtigte in der Frage des Familiennachzugs genauso behandelt wie Flüchtlinge und Asylberechtigte. Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag auf Familienzusammenführung ist, dass die aufzunehmenden Personen keine schweren Straftaten begangen haben oder ein Sicherheitsrisiko darstellen. Es kann der Nachzug von Eltern, minderjährigen Kindern, Ehegatten und Lebensgefährten beantragt werden. Ein Minderjähriger darf zudem den Nachzug eines Erziehungsberechtigten beantragen.

• In Griechenland dürfen Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus keinen Familiennachzug beantragen. Viele Flüchtende halten sich aber ohnehin nur kurz in Griechenland auf und verlassen das Land meist schnell wieder in Richtung Nordeuropa.

• In Belgien gelten für die Ehegatten, Partner oder Kinder von subsidiär Schutzberechtigten keine Sonderregeln, die sich für sie nachteilig auswirken könnten. Für das entsprechende Visum gilt eine Frist: Es muss innerhalb von zwölf Monaten beantragt werden.

• In Dänemark können Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus erst nach drei Jahren Familiennachzug beantragen. Anders als in Deutschland gehören in Dänemark zu dieser Gruppe viele Syrer.

• In Schweden haben Flüchtlinge mit subsidiärem Status in der Regel wenig Chancen auf Familiennachzug. Sie können die engste Familie nachholen, wenn sie ihren Asylantrag bis zum 24. November 2015 gestellt haben. Sonst gilt das nur in Ausnahmefällen.

• In Italien können Geflüchtete mit subsidiärem Schutz Familiennachzug beantragen. Ihre Aufenthaltsgenehmigung muss zum Zeitpunkt des Antrags aber noch mindestens ein Jahr gültig sein. Beantragt werden kann der Nachzug von Ehepartnern, die nicht jünger als 18 Jahre alt sein dürfen, und von minderjährigen Kindern. In Ausnahmefällen können auch volljährige Kinder etwa aufgrund ihres Gesundheitszustands und Elternteile nachgeholt werden, wenn diese älter als 65 Jahre sind und sich nachweislich andere Kinder im Heimatland nicht um sie kümmern können.

• In Großbritannien dürfen Menschen mit subsidiärem Schutz Ehegatten und eingetragene Lebenspartner nachholen. Das Paar muss auch vorhaben, in Großbritannien weiter zusammenzuleben. Kinder dürfen einreisen, sofern sie jünger als 18 Jahre alt und selbst noch nicht verheiratet sind oder ein unabhängiges Leben führen. Außerdem müssen sie bereits vor der Flucht bei dem Antragsteller gelebt haben. (dpa)