Berlin. Justizminister Maas wünscht sich ein Bund-Länder-Bündnis für den Rechtsstaat. Vor allem personell sollen die Behörden gestärkt werden.

Berge von Überstunden bei Polizeibeamten, Gerichtsverfahren, die sich über Monate hinziehen oder ganz eingestellt werden: Die Überlastung des Polizei- und Justizapparats soll, wenn es nach Justizminister Heiko Maas geht, Thema in den Sondierungen zwischen Union und SPD für eine große Koalition werden.

Maas fordert deutlich höhere Investitionen in Polizei und Justiz. „Wir brauchen ein Bund-Länder-Bündnis für unseren Rechtsstaat“, sagte der SPD-Politiker dieser Redaktion. Bund und Länder müssten dringend mehr Stellen für Polizei und Justiz schaffen. „Wir brauchen 15.000 neue Stellen für Polizei und Sicherheitsbehörden sowie mindestens 2000 zusätzliche Stellen in der Justiz.“

Maas warnt vor „fatalen Folgen einer falschen Sparpolitik“

Maas warnte vor „fatalen Folgen einer falschen Sparpolitik“. Die Menschen könnten das Vertrauen in den Rechtsstaat verlieren, wenn sie den Eindruck bekämen, dass sie ihr Recht nicht durchsetzen könnten. Außerdem bedeute es eine Gefahr für die Sicherheit, wenn Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssten, weil ihre Verfahren zu lange dauerten. Der Appell des Justizministers: „Wir dürfen unseren Rechtsstaat nicht kaputt sparen.“

Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds.
Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds. © KAS | KAS

Für jede zukünftige Bundesregierung müsse klar sein, dass die besten Gesetze nichts nützten, wenn sie nicht ordentlich vollzogen würden, bekräftigte Maas. Daher müssten Bund und Länder in eine starke, leistungsfähige und moderne Justiz und Polizei investieren. „Wer für unser Recht und unsere Sicherheit einsteht, hat die beste Ausstattung, eine gute Ausbildung und eine ordentliche Bezahlung verdient“, sagte der Minister.

Unterstützung bekommt Maas vom Deutschen Richterbund, der die Einstellung von 2000 zusätzlichen Richtern und Staatsanwälten verlangt. „Wenn die Politik hier nicht aktiv wird, droht der Rechtsstaat zu erodieren“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn zu Wochenbeginn der „Saarbrücker Zeitung“. Wegen einer bevorstehenden Pensionierungswelle werde sich die angespannte Personalsituation in den kommenden zehn bis 15 Jahren weiter verschärfen.

Immer weniger Nachwuchsjuristen

Bis 2030 würden deutschlandweit rund 40 Prozent der Juristen aus dem Dienst ausscheiden, erklärte Rebehn. Die Justiz verliere damit mehr als 10.000 Richter und Staatsanwälte. Zugleich sei die Zahl der Nachwuchsjuristen „seit Jahren rückläufig“, warnte Rebehn. Eine vorbeugende Personalpolitik müsse deshalb sofort beginnen. Besonders alarmierend sei, dass die Gerichte immer wieder Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen müssten, weil ihre Strafverfahren unvertretbar lange dauerten.

Auch die Polizeigewerkschaften klagen über Personalmangel und die hohe Arbeitsbelastung ihrer Mitglieder. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) haben deutsche Polizisten im vergangenen Jahr erneut rund 22 Millionen Überstunden gemacht – so viele wie 2016. Die Zahl ist eine Schätzung. GdP-Chef Oliver Malchow sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, Grund für die vielen Überstunden seien vor allem Sondereinsätze wie der G20-Gipfel in Hamburg und etliche neue Aufgaben für die Beamten. 2015 hatten die Polizisten von Bund und Ländern rund 20 Millionen Überstunden angehäuft.

„Allein beim Einsatz zum G20-Gipfel in Hamburg sind zigtausende Überstunden angefallen“, sagte Malchow. „Wegen der hohen Terrorgefahr müssen viel mehr Leute im Einsatz sein als früher, sei es auf Weihnachtsmärkten oder für den Objektschutz.“ Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der Zeitung, tausende Beamte seien zudem bei Grenzkontrollen im Einsatz. „Die Flüchtlingskrise und die Terrorgefahr haben die Polizei völlig unvorbereitet getroffen“, sagte Wendt.