Nürnberg. Die Macht in der CSU wird zwischen Seehofer und Söder aufgeteilt. Der CSU-Vorsitzende beschwört in Nürnberg den Geist der Partei.

Der Mann auf der Bühne presst die Lippen zusammen, wirkt gerührt, fast ein wenig traurig: Die Rede des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ist Ende und Aufbruch zugleich. Nach knapp zehn Jahren im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten verabschiedet sich der 68 Jahre alte Seehofer als bayerischer Regierungschef, bewirbt sich aber beim CSU-Parteitag in Nürnberg um zwei weitere Jahre als Parteivorsitzender.

Seehofer hat seit 2008 beide CSU-Führungsposten inne, war aber nach der CSU-Pleite bei der Bundestagswahl intern massiv unter Druck geraten. Das Minus von 10,5 Prozent wurde ihm angelastet, vor allem wegen des Streits mit der CDU über eine Begrenzung der Migration.

Übergabe an Söder im ersten Quartal

Der folgende Machtkampf zwischen Seehofer und seinem Dauerrivalen, dem bayerischen Finanzminister Markus Söder, belastete und lähmte die Partei. Seehofer verhandelte wochenlang in Berlin mit CDU, FDP und Grünen, in Bayern forderte vor allem die mächtige Landtagsfraktion seinen Kopf.

Schließlich, Anfang Dezember, schlug er nach mehrfachen Volten die Ämtertrennung vor und bot Söder die Zusammenarbeit und die Teilung seiner Macht an. Im ersten Quartal will der Oberbayer Seehofer das Amt des bayerischen Regierungschefs an den Franken Söder übergeben.

Auf der Bühne der Messehalle in Nürnberg muss Seehofer nun liefern, das Versprechen umsetzen. Und ausgerechnet den Mann vorschlagen, den er jahrelang unbedingt verhindern wollte. „Ich weiß, dass der Wandel zur Demokratie gehört.

CSU-Parteitag: Söder und Seehofer

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    „Kleine Friktionen“

    „Wenn es einen selbst betrifft, ist ein Stück Wehmut dabei“, gesteht er ein. Bayern und seine Menschen seien ihm ans Herz gewachsen. Doch er hält sich nicht mehr lange mit Rückblicken auf und empfiehlt seiner Partei, Söder als Ministerpräsidentenkandidaten 2018 aufzustellen.

    Es habe zwischen ihm und Söder „kleine Friktionen“ gegeben, aber die „großen Fragen haben wir in Harmonie und Miteinander entschieden“. Die angeblichen Unstimmigkeiten hätten den „Effekt einer Knallerbse“ gehabt. Es wird laut gelacht im Saal, zu viele in der Partei waren in den vergangenen Monaten Zeugen der Intrigen, die gesponnen wurden zwischen München und Nürnberg, Söders politischer Heimat. Doch Seehofer lässt sich nicht beirren: „Söder kann sich auf meine Unterstützung total verlassen im nächsten Jahr, er kann es, und er packt es.“

    In seiner Grundsatzrede spannt Seehofer einen Bogen von den aktuellen Verhandlungen mit der SPD bis hin zum politischen Markenkern der CSU: „Wir stehen Mitte rechts und nicht irgendwo im Nirwana links.“ Er wirbt um den inneren Zusammenhalt: „Wenn wir zusammenhalten, zieht uns niemand die Lederhose aus.“ Stimmt, sagt einer, der genau zugehört hat. Das erledige die CSU immer noch allein.

    Seehofer ist als CSU-Chef wiedergewählt

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      Vom Landesvater Empathie erwartet

      Dass Seehofer nach Berlin als Minister wechselt, halten seine Leute für ausgemacht. Nicht vorstellbar, dass er in München sitzt und aus der Parteizentrale auf die Staatskanzlei und seinen Nachfolger starrt. Ob als Finanz-, Sozial- oder Innenminister, alle Ämter werden gehandelt. Seehofer selbst sagt über die anstehenden Sondierungen, er wolle in Berlin mithelfen. „Die Kanzlerin sagt mir, überwiegend ist das für sie auch erfreulich.“ Der Beifall für Seehofer im Anschluss an die Rede ist höflich, aber mäßig. Seine Partei feiert ihn nicht mehr.

      Söder wiederum liefert eine kämpferische Rede, immer wieder unterbrochen vom stürmischen Applaus der Delegierten. Der 50-jährige künftige Ministerpräsident bewegt den Saal mit einer persönlichen Schilderung des Todes seines Vaters, um die Wichtigkeit der Pflege hervorzuheben. Söder muss das Bild des knallharten Machtmenschen, dem es ausschließlich um die eigene Karriere geht, schnell loswerden. Von einem Landesvater wird Empathie erwartet.

      „Er hat uns ganz schön durchgeschüttelt“

      In der Migrationspolitik findet Söder sehr deutliche Worte: „Lasst uns die heimische Bevölkerung nicht vergessen.“ Bayern gebe pro Jahr mehr aus für Herausforderungen der Zuwanderung als die gesamten Etats des Umwelt-, Wirtschafts- und Gesundheitsministeriums zusammen. Er spricht sich für eine christliche Leitkultur aus: „Der Islam hat in den letzten 200 Jahren keinen überragenden Beitrag für Bayern gebracht.“ Solche Töne will die Partei hören.

      „Es hat uns ganz schön durchgeschüttelt“, sagt Söder rückblickend auf das Jahr 2017 – und wird fast literarisch: Erstmals seit seiner Nominierung zum Nachfolger nennt er eine Fortsetzung der Alleinregierung als Wunschziel. Bayern sei „wie ein großer Baum: Tiefe Wurzeln in der Tradition, aber unsere Äste wachsen nach oben. Diesen bayerischen Baum hat die CSU gepflanzt. Wir wollen ihn auch weiter pflegen – und am allerliebsten allein. Das ist unser Anspruch.“ Er legt die Messlatte damit hoch: In Umfragen war die CSU auf 37 Prozent abgesackt. Erst in der jüngsten Erhebung kommt die Partei wieder auf 40 Prozent.

      Nur wenige Gegenstimmen

      Söder schlägt Seehofer zur Wiederwahl als Parteichef vor. Auch ein Signal für die Geschlossenheit, die man in Nürnberg so unbedingt demonstrieren will. Er habe von Seehofer viel gelernt und sei auch manchmal von ihm geprüft worden.

      Am Ende des Parteitags stehen Söder und Seehofer zusammen auf der Bühne und recken Hand in Hand die Arme in die Höhe. Söder wird fast einstimmig zu Seehofers Nachfolger gekürt – in einer offenen Abstimmung, bei einigen wenigen Gegenstimmen. „Ich werde mich mit ganzer Kraft, mit ganzer Leidenschaft für dieses Land und die CSU einsetzen“, verspricht er unter großem Applaus. Bis Weihnachten, so sagen viele, werde es sicher harmonisch zugehen. Für das nächste Jahr will keiner eine Prognose abgeben.

      Hier finden Sie einen Kommentar zum Thema: Fragiler Frieden