Berlin. Die SPD verlangt einen hohen Preis für eine Neuauflage der Zusammenarbeit mit der Union – und auch die hat eine lange Wunschliste.

Es war der Satz, der in Erinnerung bleiben wird: „Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sage ich dazu nur“, rief SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles ihren Parteifreunden beim SPD-Parteitag in der vergangenen Woche zu. Kein Zweifel: Die Sozialdemokraten wollen sich ihr Ja zu einer Zusammenarbeit mit CDU und CSU teuer abkaufen lassen. Sollte es eine Neuauflage der großen Koalition geben, dürften jedoch nicht nur milliardenschwere Wünsche der SPD zum Zuge kommen. Auch die Union will teure Wahlversprechen einlösen.

Am Mittwochabend haben sich die Spitzen der drei Parteien getroffen, um auszuloten, ob eine Zusammenarbeit möglich ist. Das Ergebnis nach zweieinhalb Stunden: Die Union hat sich für Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung ausgesprochen. Die SPD will im Vorstand am Freitag entscheiden. Doch bei allen Gesprächen könne es aus Sicht der Union nur um eine Groko gehen. Die zuvor aus der SPD geäußerte Idee einer Kooperations-Koalition (Koko) kritisierte CSU-Chef Horst Seehofer als „Vorschlag aus der Krabbelgruppe“. Fest steht: Eine Groko könnte mindestens so teuer werden wie ein Jamaika-Bündnis – für den Haushalt, für die Sozialkassen und für Arbeitgeber.

Steuern und Finanzen

Die Union will versuchen, mit der SPD eine Steuerreform zu vereinbaren. Diese dürfte aber relativ mager ausfallen, denn sonst bleibt kein Geld mehr für die anderen teuren Wünsche. Beide Parteien hatten den Bürgern im Wahlkampf eine Entlastung von 15 Milliarden Euro pro Jahr versprochen. Der Unterschied ist aber: Die SPD will sich das Geld durch höhere Steuern für Gutverdiener und Firmeninhaber wieder zurückholen, so dass der Staat am Ende eine Milliarde Euro mehr in der Kasse hätte. Die Gutverdiener aber will die Union entlasten, Steuererhöhungen lehnt sie „grundsätzlich“ ab. Das ist jedoch eine dehnbare Formulierung. Den Soli will die SPD für kleine und mittlere Einkommen schneller abbauen als die CDU. Neue Schulden und damit höhere Zinsausgaben wollen alle vermeiden.

Rente

Wie schon bei der letzten großen Koalition dürften die Rentenpläne richtig ins Geld gehen. Die CDU will deshalb erst einmal gar keine Rentenreform und verweist auf den Rentenkompromiss von vor zehn Jahren: Danach soll im Jahr 2030 die Durchschnittsrente nicht weniger als 43 Prozent des Durchschnittslohns betragen. Nach aktuellen Berechnungen wird das Ziel erreicht; es werden sogar 45 Prozent sein. Die SPD will aber mehr, sie plant ein Rentenniveau von 48 Prozent. Das kostet Geld: Ab dem Jahr 2028 sollen jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro Steuergeld zusätzlich in die Rente fließen. Zum Vergleich: Schon jetzt finanziert die Bundesregierung die Rente mit 90 Milliarden Euro pro Jahr. Außerdem will die SPD eine „Solidarrente“, damit langjährig Versicherte nicht zum Sozialamt müssen. Die CSU hat noch einen Sonderwunsch: Sie will den dritten Teil der Mütterrente. Wer vor 1992 Kinder bekommen hat, soll drei (statt bisher zwei) Jahre Kindererziehungszeit angerechnet bekommen. Das kostet jedes Jahr sieben Milliarden Euro extra.

Familien

Die Union will das Kindergeld um 25 Euro im Monat erhöhen. Bei rund neun Millionen Kindern wäre das ein Plus von 2,7 Milliarden Euro im Jahr. Weil gleichzeitig die steuerlichen Kinderfreibeträge auf das Niveau der Erwachsenen angehoben werden sollen, kämen weitere Kosten in Milliardenhöhe auf die Staatskasse zu.

Die SPD dagegen will keine pauschale Erhöhung, sondern lieber Kinder aus einkommensschwachen Familien besonders fördern: Dazu soll der Kinderzuschlag für Geringverdiener von heute 170 Euro auf rund 200 Euro erhöht und zusammen mit dem Kindergeld ausgezahlt werden. Pro Kind könnten Geringverdiener somit in Zukunft durchschnittlich rund 400 Euro bekommen.

Mittwochabend im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin: Die Spitzen von Union und SPD beraten über eine möglich neue GroKo.
Mittwochabend im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin: Die Spitzen von Union und SPD beraten über eine möglich neue GroKo. © dpa | Maurizio Gambarini

Zuletzt erhielten 170.000 Familien den Kinderzuschlag, Experten schätzen, dass über 500.000 Familien Anspruch darauf hätten, bislang aber an den komplizierten Anträgen scheitern. Da auch die Union inzwischen dieses Modell vertritt, könnte sich die Zahl der Leistungsempfänger deutlich vergrößern.

Seit Langem fordert die SPD darüber hinaus eine steuerlich finanzierte Familienarbeitszeit, die Eltern oder Pflegenden ermöglicht, weniger zu arbeiten: Wenn beide Eltern beruflich kürzertreten, um sich gemeinsam um die Kinder zu kümmern, soll es bis zu zwei Jahre lang 300 Euro pro Monat vom Staat geben. Die SPD schätzt die Gesamtkosten auf rund eine Milliarde im Jahr.

Alle drei Parteien wollen Familien mit Eigenheimplänen unterstützen: Die Union plant ein Baukindergeld von 1200 Euro pro Kind pro Jahr für Eltern, die sich eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen wollen. Bei der SPD gibt es Pläne, Eltern per Eigenheimzuschuss zu unterstützen, wenn sie in besonders begehrten Innenstadtlagen kaufen wollen.

Bildung

Union und SPD wollen das Ganztagsangebot für Schüler ausweiten – mit einem Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung in der Grundschule. Würden 80 Prozent der Eltern das Angebot nutzen, kämen allein durch den höheren Personalbedarf zusätzliche Kosten von knapp drei Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Hinzu kämen etwa 15 Milliarden Investitionskosten für Gebäude.

Arbeitsmarkt

Die SPD will befristete Jobs verbieten, wenn es keinen sachlichen Grund dafür gibt. Das kostet kein Geld, aber Arbeitsmarktexperten befürchten, dass ein Teil dieser Jobs ersatzlos wegfallen könnte – mit negativen Folgen für Sozialkassen und Konsum. Den Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro würden einige aus der SPD gern so stark erhöhen, dass im Alter niemand auf öffentliche Hilfe angewiesen ist. Von zwölf Euro ist die Rede. Arbeitgeber müssten mehr zahlen, Waren und Dienstleistungen könnten teurer werden.

Gesundheit und Pflege

Die SPD will die Arbeitgeber wieder zu gleichen Teilen an den Krankenkassenbeiträgen beteiligen. Das würde bedeuten, dass der Zusatzbeitrag, den gesetzlich Versicherte bisher allein zahlen, wegfiele. Für 2018 liegt dieser Beitrag bei durchschnittliche 1,0 Prozent. Arbeitgeber müssten also 0,5 Prozentpunkte mehr zahlen als heute. Pro Arbeitnehmer und Jahr wären das bis zu 265 Euro mehr als heute. In der Pflege wollen beide – nach der jüngsten Pflegereform – noch einmal kräftig Geld ausgeben; damit sollen mehr Pfleger eingestellt und alle besser bezahlt werden. In den Jamaika-Verhandlungen war bereits ein Sofortprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro vereinbart worden.