Berlin. Leere Plätze im Bundestag sorgen oft für Diskussionen. Ein AfD-Abgeordneter will lästern und fliegt mit seinem Täuschungsversuch auf.

Bereits zum zweiten Mal in der noch jungen Geschichte der Bundestagsfraktion hat ein Abgeordneter der Alternativen für Deutschland ein Foto aus dem Parlament veröffentlicht, das das vermeintliche Desinteresse der anderen Fraktionen dokumentieren soll.

Stefan Keuter, Abgeordneter aus Essen, postete am Dienstag auf Facebook und Twitter eine Aufnahme von einem fast leeren Bundestag. Besetzt sind nur die Stühle rechts außen. Dazu schreibt Keuter: „Charakteristisch war gleich zu Beginn: Die AfD lief ein, in den Reihen der Altparteien herrschte gähnende Leere“.

Kritik auch von AfD-Anhängern

Dass der Plenarsaal zum Zeitpunkt der Aufnahme noch leer war, hat einen trivialen Grund, den Keuter nicht erwähnt: Das Foto wurde 21 Minuten vor Beginn der Sitzung veröffentlicht, in der es unter anderem um die Verlängerung diverser Bundeswehreinsätze ging. Nachdem der Politikberater Johannes Hillje darauf aufmerksam gemacht hatte, flog dem AfD-Abgeordneten sein Beitrag um die Ohren. Auch AfD-Unterstützer kritisierten ihn.

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Die Grünen-Politikerin Renate Künast antwortete dem AfD-Politiker via Twitter süffisant: „Ich glaube, die anderen hatten 20 Minuten vor der Sitzung noch was zu arbeiten.“

„Wenn man vor dem Hausmeister da sein muss...“

Andere Nutzer auf Twitter und Facebook gingen noch weiter und spotteten über den Versuch, auf diese Weise die anderen Parteien vorführen zu wollen: „Ich beschwer mich heute abend um 19.50 Uhr beim Fernsehsender, dass ich schon auf der Couch bin, aber der Film erst um 20.15 anfängt...“, schrieb eine Nutzerin. „Wenn man unbedingt vor dem Hausmeister im Saal sein ,muss, entstehen schon mal solche Bilder“, hielt ein anderer Keuter vor.

Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte Keuter, dass die AfD schon häufig von ihren Wählern dafür gelobt worden sei, nahezu immer in Fraktionsstärke an den Plenarsitzungen teilzunehmen. „Und zwar von Anfang bis Ende“, so Keuter. Und auf die Spitze von Künast reagierte Keuter mit dem Hinweis, dass das Büro der AfD viel weiter weg sei, als die der etablierten Parteien. Deshalb machten sich AfD-Abgeordnete rechtzeitig auf den Weg.

Keuter: Alle Volksvertreter sollten Zuhörer sein

Mit dem Foto habe er außerdem zeigen wollen, dass die AfD wieder mit zahlreichen Abgeordneten präsent sei. Dass das Bild bewusst den Eindruck vermitteln soll, die anderen Parteien würden gänzlich schwänzen, streitet Keuter ab. Es zeige lediglich, dass die AfD ihren Auftrag ernst nehme. Gleichwohl bekräftigt der Essener, dass er es „traurig“ findet, dass viele Abgeordnete nicht an den Plenarsitzungen teilnehmen.

Er erwarte nicht nur von den Fachpolitikern der jeweiligen Parteien anwesend zu sein, sondern von allen Volksvertretern, dass sie den Argumenten der anderen Parteien zuhören. Keuter aktualisierte sein Posting auch mit dem Hinweis: „Nachtrag, 15:50 Uhr: Die AfD Fraktion fast immer noch vollständig anwesend (!), die Reihen der anderen Fraktionen stark (!) ausgedünnt.“

Allerdings muss sich Keuter auch vorwerfen lassen, wenig von der Arbeit des Parlaments zu verstehen. So schreibt er in einem Kommentar auf Facebook, Ausschüsse des Bundestags würden nicht zeitgleich mit dem Plenum tagen. Das ist falsch. Fachausschüsse treffen sich parallel zu Bundestagssitzungen. Zuvor kommen auch Arbeitsgruppen der Fraktionen zusammen, in denen die Linien für die Beratungen vorbereitet werden.

Viel Arbeit im Bundestag wird in Ausschüssen gemacht

Der Bundestag ist darauf angelegt, dass ein Großteil der Arbeit nicht im Plenum gemacht wird, sondern in den Ausschüssen, in denen dann sachorientierter und weniger öffentlichkeitswirksam diskutiert wird als im Plenum. Das gilt eher als Arena zur Präsentation der Ergebnisse für die Öffentlichkeit.

Es ist also nicht gewollt, dass alle Abgeordnete ihre Zeit komplett im Plenum absitzen. Der Bundestag wird deshalb auch als Arbeitsparlament bezeichnet – im Unterschied zu Redeparlamenten wie dem britischen Unterhaus.

So waren viele Plätze der hinteren Reihen im Plenarsaal auch nicht besetzt, als die Sitzung um 9 Uhr mit einer Gedenkminute eröffnet wurde. Allerdings waren die Reihen auch deutlich besser besetzt, als das der Post von Keuter vielleicht vermuten lässt. Das zeigt das Video des Bundestags-TV.

Foto aus verzerrender Perspektive

Inspiration für sein Foto-Posting könnte sich Keuter bei seinem Fraktionskollegen Jürgen Pohl geholt haben. Bereits Ende November hatte Pohl während der Debatte über die Verlängerung der Bundeswehreinsätze ein Foto getwittert, das die gut gefüllte Bank der AfD-Abgeordneten zeigt, während im Rest des Parlaments kaum Menschen zu sehen sind.

Dazu schrieb Pohl: „Unsere Soldaten sind Thema im Bundestag. Den Altparteien ist es egal. Die Ränge sind leer. Die AfD-Fraktion zeigt die gerechtfertigte Präsenz.”

Tatsächlich aber wurde das Foto, das Pohl veröffentlichte, aus einer verzerrenden Perspektive gemacht. Denn das Plenum war zu an jenem Tag gut gefüllt, wie andere Fotos beweisen. (sat/law)

Update, 12.25 Uhr: Keuter wurde am Mittwoch von seinem Foto noch einmal eingeholt: Die Sitzung begann um 11 Uhr, der SPD-Abgeordnete Detlev Müller twitterte um 10.38 Uhr ein Foto mit dem ironischen Text: „Kurz vor Beginn des Plenums ist gerade mal eine Handvoll Abgeordneter der AfD im Saal. Skandal! Sieht so etwa der frische Wind gegen die Alt- bzw. Systemparteien aus? Wie ernst nehmen die eigentlich ihre Aufgabe?“

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