Berlin . Das Lavieren der SPD ist der Partei nicht würdig. Schulz kann Gespräche mit CDU/CSU aufnehmen oder absagen – Hauptsache, er tut etwas.

SPD-Chef Martin Schulz trat im Wahlkampf an, Bundeskanzler zu werden, eine Regierung zu führen. Nach seiner krachenden Wahlniederlage kündigte er an, seine Partei ohne Wenn und Aber in die Opposition zu führen. Die Jamaika-Verhandlungen zwischen CDU, CSU Grünen und FDP scheiterten, seitdem führt Schulz überhaupt nicht mehr, er laviert nur noch.

Man habe viele Optionen für eine Regierungsbildung und solle in Ruhe reden, es eile ja nicht, sagt er nach dem Gespräch beim Bundespräsident Frank Walter-Steinmeier. Man werde nun am Montag entscheiden. Der Hintergrund: Schulz muss sich den Rückhalt des Vorstands sichern, bevor ein Parteitag das Vorhaben absegnet. Dennoch gibt er dem „Spiegel“ ein Interview und legt bereits inhaltliche Leitlinien seiner Partei fest.

Es braucht ein Zeichen des Parteivorsitzenden

Gleichzeitig beschwert er sich bitterlich über Meldungen, dass man sich bereits mit der Union auf Gespräche verständigt habe. Diese würden von der Union offenbar gestreut, das zerstöre Vertrauen. Eine Quelle für diese Behauptung nennt Schulz nicht. Das schafft ebenfalls kein Vertrauen, nicht bei der Union, wahrscheinlich auch nicht beim Wähler.

Dabei gibt es nur ein klares Ja oder ein klares Nein. „Wir sind eine stolze und selbstbewusste Partei. Aus diesem Stolz heraus sollte die SPD handeln, nicht aus Angst“, sagt Schulz. Beides richtig. Aber dann sollte der SPD-Vorsitzende auch endlich so handeln. Keine Angst zu haben heißt auch, Führungsstärke zu demonstrieren, Entscheidungen zu fällen.

Schulz fordert vor Gesprächen mit Union Reformagenda

weitere Videos

    Schulz kann den Pragmatikern in Führung und Bundestagsfraktion folgen und Gespräche mit der Union aufnehmen. Oder der Basis vertrauen und alles absagen. Doch es braucht endlich ein Zeichen, dass der Vorsitzende die Macht der Entscheidung noch in der Hand hat.

    Das Zögern passt nicht zur selbstbewussten SPD

    Die Partei konnte in der vergangenen Legislatur vieles für ihre Wähler und das Sozialgefüge im Land erreichen: beim Mindestlohn, der Rentengesetzgebung, für Familien. Den Ärger in der eigenen Partei verdankt CDU-Chefin Angela Merkel auch der Tatsache, dass nicht viele konservative Anliegen umgesetzt wurden.

    Warum spielt die SPD mit dem Gedanken an eine Minderheitsregierung überhaupt? Sollen nur Unionsleute auf den Ministerbänken Platz nehmen? Und die SPD sich verpflichten, bei entscheidenden Abstimmungen für Merkel zu votieren? Darauf verzichten, eigene Positionen ein- und in Gesetzentwürfen unterzubringen?

    Dieses Zögern passt nicht zur selbstbewussten SPD. Die Sozialdemokraten haben durch die unglückseligen Jamaika-Verhandlungen unerwartet eine zweite Chance bekommen. Sie sollten sie dringend nutzen.

    Die CDU darf nicht nur ängstlich auf die SPD starren

    Aber auch die Union muss sich nach den Chaoswochen wieder beruhigen. Die CSU sollte ihr unwürdiges Schwarze-Peter-Spiel endlich beenden. Außer dem Machthunger von Söder und Co. ist inhaltlich aus München derzeit wenig bis nichts zu vernehmen. Und auch an der spannendsten Seifenoper hat man sich irgendwann sattgesehen. Das baut Politikverdrossenheit wahrlich nicht ab.

    Aber auch Angela Merkel und ihre CDU dürfen nicht nur ängstlich auf die SPD starren. Vielmehr sollte man sich bei den Konservativen jetzt Gedanken machen, welche Leitlinien eine neue große Koalition prägen könnten. Deutschland ist tief gespalten, der AfD-Erfolg seit der Flüchtlingskrise hat das deutlich gemacht.

    Viele Menschen haben Angst vor dem sozialen Abstieg, kommen mit der Digitalisierung nicht zurecht. Ein Sich-in-die-Regierung-retten reicht da nicht aus.